Fernstraßenrechtliches Anbauverbot; gegenüber einer Autobahnabfahrt errichtete Werbeanlage
Leitsatz
Das Anbauverbot für Anlagen der Außenwerbung "längs der Bundesfernstraßen" (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 6 Satz 1 FStrG) erfasst auch Standorte gegenüber von Autobahnabfahrten.
Gesetze: § 1 Abs 3 FStrG, § 1 Abs 4 Nr 1 FStrG, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 FStrG, § 9 Abs 6 FStrG, § 23 Abs 1 Nr 8 FStrG, Art 103 Abs 2 GG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 11 A 2202/09 Urteilvorgehend Az: 16 K 3858/09 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er, ohne eine fernstraßenrechtliche Ausnahmegenehmigung zu benötigen, weniger als 40 m von dem Ende zweier Autobahnabfahrten entfernt Werbeschilder errichten darf.
2Er betreibt in R. ein Schnellrestaurant, für das er in etwa 100 m bzw. 150 m Entfernung an der L. Straße (B 229) zwei Werbeschilder, die das Logo des Schnellrestaurants und darunter einen Schriftzug mit Richtungspfeil und Entfernungsangabe zeigen, anbringen ließ. Den Standorten der Werbeschilder gegenüber münden die Abfahrten der Anschlussstelle R. der Bundesautobahn A 1 in mehrspurigen Aufweitungen auf die L. Straße. Die Entfernung der Werbeschilder zur Einmündung der Abfahrten beträgt jeweils weniger als 40 m.
3Mit Schreiben vom beantragte der Kläger beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen erfolglos die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Aufstellung der Werbeschilder. Seine Klage, mit der er in erster Linie die Feststellung begehrte, dass er für die Aufstellung der Schilder keiner Genehmigung bedürfe, und hilfsweise die Verpflichtung zur Erteilung der abgelehnten Ausnahmegenehmigung beantragte, wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom ab. Die Berufung des Klägers hiergegen hatte mit dem Hauptantrag Erfolg.
4Das Oberverwaltungsgericht stellte mit Urteil vom (NVwZ-RR 2011, 723) fest, dass für die Aufstellung der Werbeschilder keine Ausnahmegenehmigung vom fernstraßenrechtlichen Anbauverbot in Bezug auf die A 1 erforderlich sei. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Werbeschilder unterfielen dem Anbauverbot schon deswegen nicht, weil sie nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG "längs" der Bundesautobahn errichtet worden seien. Der Ausdruck "längs" werde gemeinhin im Sinne von "an der langen Seite, entlang der Längsseite" verstanden. Der Annahme, eine "quer" zur Fahrbahn angebrachte Werbeanlage befinde sich "längs" der Fahrbahn, stehe auch die Bezugnahme der Norm auf den "äußeren Rand der befestigten Fahrbahn" als Bezugsgröße für die Bemessung des Schutzstreifens entgegen. Ein solcher Rand fehle im Einmündungsbereich einer Autobahnabfahrt. Schon die Vorgängerregelung im Reichsautobahngesetz habe mit der Bezugnahme auf den äußeren Rand des Grabens bzw. Straßenkörpers keine sich quer zur Einmündung erstreckenden Anlagen erfasst. Auch das Verbot in § 9 Abs. 6 Satz 2 FStrG, Werbeanlagen an Brücken anzubringen, spreche dagegen, dass das Anbauverbot in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG die "quer" zur Fahrbahn angebrachten Werbeschilder erfasse. Sinn und Zweck des Anbauverbots, Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, rechtfertigten ein solches Verbot ebenfalls nicht. Im Einmündungsbereich einer Anschlussstelle bestehe wegen des deutlich verlangsamten Verkehrsablaufs, anders als an der freien Strecke einer Autobahn, keine besondere Gefährdungslage, die Baubeschränkungen rechtfertige.
5Der Beklagte hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt und insbesondere geltend gemacht, der im Gesetz verwendete Begriff "längs" beziehe sich auf die Bundesautobahn und die ihr zugeordneten Anlagen als Ganzes. Zur Bundesautobahn gehörten die Richtungsfahrbahnen und die Anschlussstellen einschließlich der Abbiege- und Einfädelstreifen. Das Verbot, Werbung an Brücken anzubringen, gehe weiter als das Anbauverbot in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG, da es Werbung ausnahmslos verbiete. Die Auslegung des Berufungsgerichts widerspreche dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch ein Werbeverbot an Bundesfernstraßen umfassend zu schützen. Die Schutzbedürftigkeit bestehe an den Anschlussstellen der Autobahnen sogar in erhöhtem Maße.
6Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom zurückzuweisen.
7Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass an dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag nicht festgehalten wird.
8Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und unterstützt die Revision des Beklagten.
Gründe
9Die Revision ist begründet.
10Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass für die in Rede stehenden Werbeschilder im 40-m-Bereich der Bundesautobahn A 1 keine Ausnahmegenehmigung vom fernstraßenrechtlichen Anbauverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG erforderlich sei.
11Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG dürfen längs der Bundesfernstraßen Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 40 m bei Bundesautobahnen und bis zu 20 m bei Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten, gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn, nicht errichtet werden. Nach § 9 Abs. 6 Satz 1 FStrG unterliegen Anlagen der Außenwerbung an Bundesfernstraßen dem Anbauverbot unter denselben Voraussetzungen wie Hochbauten (vgl. BVerwG 4 C 9.05 - BVerwGE 126, 349 Rn. 8). Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, das Anbauverbot an Bundesautobahnen erfasse die von dem Kläger gegenüber den Autobahnabfahrten errichteten Werbeanlagen nicht, weil sie nicht im Sinne des Gesetzes "längs" der Bundesautobahn errichtet worden seien. Dieser Annahme ist nicht zu folgen.
121. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist für die Auslegung einer Norm maßgebend der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht ( - BVerfGE 71, 108 <114> und - BVerfGE 105, 135 <157>; BVerwG 9 C 389.94 - Buchholz 402.25 § 26 AsylVfG Nr. 2 S. 2; - BGHZ 179, 27 Rn. 20; - BAGE 130, 119 Rn. 60). Dabei kommt im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht der grammatikalischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zu; hier zieht der Wortsinn einer Vorschrift die unübersteigbare Grenze ( a.a.O. S. 114 f. und Urteil vom a.a.O.). Dies gilt auch, wenn eine Sanktionsnorm - wie § 23 Abs. 1 Nr. 8 FStrG - das bußgeldbewehrte Verhalten nicht selbst festlegt, sondern auf eine verwaltungsrechtliche Vorschrift verweist. In diesem Fall müssen beide Vorschriften in ihrer Gesamtheit sowie ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG genügen (vgl. - BVerfGE 75, 329 <340> und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 2717/08 - NJW 2010, 754 Rn. 15).
13Die Auffassung des Beklagten, die streitgegenständlichen Werbeschilder befänden sich längs der Bundesautobahn A 1, wahrt die Wortlautgrenze des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG. Soweit das Berufungsgericht für seine abweichende Auffassung unter Bezugnahme auf ein Wörterbuch darauf verweist, "längs" werde gemeinhin im Sinne von "an der langen Seite, entlang der Längsseite" verstanden und erfasse deshalb ein "quer" zur Fahrbahn aufgestelltes Werbeschild nicht, übersieht es zum einen, dass sich - wie der Beklagte unter Bezugnahme auf ein weiteres lexikographisches Werk geltend macht - "längs" im allgemeinen Sprachgebrauch nicht notwendig auf eine Längsseite beziehen muss, sondern sich in der Bedeutung von "entlang" oder "seitlich" und "seitwärts" erschöpfen kann. Zum anderen beachtet das Oberverwaltungsgericht nicht, dass sich die grammatikalische Auslegung nicht in der Ermittlung der Bedeutung der einzelnen im Gesetzestext verwendeten Wörter oder Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch oder der Fachsprache erschöpft. Die Bezugnahme auf den "Wortsinn einer Vorschrift" in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Beschreibung der im Wege der Auslegung unübersteigbaren Wortlautgrenze bringt dies zum Ausdruck. Die Formulierung verdeutlicht die Notwendigkeit, den möglichen Wortsinn einzelner im Gesetzestext verwendeter Wörter und Begriffe in den Gesamtzusammenhang des Wortlauts einer gesetzlichen Regelung zu stellen. Hiervon ausgehend genügt es nicht, die Präposition "längs" isoliert zu betrachten und der Präposition "quer" gegenüberzustellen. Der gesetzliche Regelungsgehalt und damit auch die Grenzen des Anbauverbots lassen sich so nicht hinreichend erschließen. Erforderlich ist es vielmehr, die gesetzliche Regelung insgesamt in den Blick zu nehmen. Dann wird deutlich, dass mit der Formulierung "längs der Bundesfernstraßen" und der Bestimmung des "äußeren Rand(es) der befestigten Fahrbahn" als Bezugspunkt für die Bemessung der 40-m-Verbotszone in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG der räumliche Geltungsbereich des Anbauverbots festgelegt, aber keine Aussage dahin getroffen wird, dass "quer" zur Fahrbahn stehende Hochbauten und diesen gleichgestellte Anlagen der Außenwerbung nicht von dem Verbot erfasst werden. Für die Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs des Anbauverbots ist es vielmehr unerheblich, ob die vom Verbot erfasste Anlage selbst mit ihrer Längsseite oder ihrer Schmalseite und damit "längs" oder "quer" zur Autobahn steht.
14Die Annahme, die vom Kläger errichteten Werbeschilder stünden "längs" der Autobahn, ist auch nicht deswegen mit dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG unvereinbar, weil es im Einmündungsbereich einer Autobahnabfahrt an einer Längsseite der Autobahn fehlte. Der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts, aus der Formulierung "längs der Bundesfernstraßen" folge, dass der Schutzstreifen nur parallel der Richtungsfahrbahnen der Autobahn verlaufen könne, überzeugt nicht. Das Verbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG ist dem Gesetzeswortlaut nach nicht auf einen Streifen "längs" der Richtungsfahrbahnen der Bundesfernstraßen beschränkt. Der Gesetzestext knüpft das Verbot vielmehr ohne Einschränkungen an die "Bundesfernstraßen" und damit an einen zentralen Begriff des Fernstraßengesetzes an. Dieser umfasst den gesamten Straßenkörper (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG), also insbesondere die Fahrbahnen der Bundesfernstraßen, einschließlich der Anschlussstellen (§ 1 Abs. 3 FStrG) der Bundesautobahnen. Mit ihrer Einbeziehung in die Anbauverbotszone hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine umfassende Schutzzone für erforderlich hält, innerhalb derer ein absolutes Anbauverbot gilt (vgl. BVerwG 4 C 55.74 - BVerwGE 48, 123 <129 f.>).
15Die - in ähnlicher Weise bereits im Reichsautobahngesetz enthaltene - Bezugnahme auf den "äußeren Rand der befestigten Fahrbahn" zur Bestimmung des Umfangs der Verbotszone von 40 m führt zu keiner anderen Beurteilung. Sie lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, das Anbauverbot erfasse bereits seinem Wortlaut nach den Standort der beiden Werbeschilder nicht. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein solcher äußerer Fahrbahnrand der Autobahn sei im Bereich der Einmündung einer Autobahnabfahrt in das allgemeine Straßennetz nicht vorhanden, trifft nicht zu. Der äußere Rand der befestigten Fahrbahn wird hier durch den äußeren Fahrbahnrand der Straße bestimmt, an der die Autobahn auf das nachgeordnete Straßennetz trifft. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 3 der Verordnung über Kreuzungsanlagen im Zuge von Bundesfernstraßen (Bundesfernstraßenkreuzungsverordnung - FStrKrV) vom (BGBl I S. 2984, 2985). Danach enden die zur Bundesfernstraße gehörenden Verbindungsarme zwischen der Bundesfernstraße am äußeren Fahrbahnrand der kreuzenden Straße bzw., soweit dort Abbiege- oder Einfädelstreifen vorhanden sind, am Anfang der Eckausrundungen der kreuzenden Straße. Der äußere Fahrbahnrand der kreuzenden Straße bzw. die in seiner Fortsetzung gedachte Linie bilden damit gleichzeitig den äußeren Rand der befestigten Fahrbahn der Bundesfernstraße im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG. In diesem Sinne ist die Formulierung "äußerer Rand der befestigten Fahrbahn" seit jeher von der Rechtsprechung verstanden und angewandt worden ( - NJW 1968, 2144; 5 Ss (OWi) 109/08 u.a. - NStZ-RR 2009, 25).
16Das in § 9 Abs. 6 Satz 1 FStrG in Bezug genommene Anbauverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG begegnet in dieser Auslegung auch gemessen an dem besonderen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, das wegen der Bußgeldbewehrung von Zuwiderhandlungen gegen das Anbauverbot (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 8 FStrG) zu beachten ist (vgl. hierzu a.a.O.), keinen Bedenken. Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. , 2 BvR 1154/86 - BVerfGE 78, 374 <382> und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1290/05 - NVwZ 2007, 1172 <1173>). Das schließt die Verwendung von Begriffen, die der Deutung durch den Richter bedürfen, nicht aus. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bestehen gegen die Verwendung unbestimmter Begriffe dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhanges oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. - BVerfGE 45, 363 <371 f.>). So liegt es hier. Wie gezeigt übersteigt die Auslegung des Anbauverbots durch den Beklagten nicht den möglichen Wortsinn der Vorschrift und entspricht der langjährigen gefestigten Rechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte. Für den Normadressaten lässt sich damit mit hinreichender Sicherheit vorhersehen, welches Verhalten verboten und bußgeldbewehrt ist.
172. Eine einschränkende Auslegung des Anbauverbots in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG ist auch nicht aus Gründen der Gesetzessystematik geboten. Das Verbot, Anlagen der Außenwerbung an Brücken über Bundesfernstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten anzubringen (§ 9 Abs. 6 Satz 2 FStrG), lässt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht den Schluss zu, die streitgegenständlichen Werbeschilder würden nicht vom Anbauverbot des § 9 Abs. 6 Satz 1 FStrG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG erfasst.
18Das Argument des Berufungsgerichts, bei einem weiten Verständnis des allgemeinen Anbauverbots sei das spezielle Werbeverbot an Brückenbauwerken überflüssig, weil solche Werbeanlagen dann bereits als "längs" der Autobahn angebracht anzusehen seien, greift nicht durch. Anders als bei Werbeanlagen gegenüber von Anschlussstellen von Bundesfernstraßen ist der Gesetzgeber bei solchen Anlagen im Luftraum - auch wenn dieser ebenfalls zur Bundesfernstraße gehört (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 FStrG) - nicht mehr von einer Anbringung "längs" der Straße ausgegangen und hat deshalb eine ausdrückliche Sondervorschrift für Brücken geschaffen (vgl. BTDrucks 7/1265 S. 20). Unabhängig davon hat das Verbot deshalb eine eigenständige Bedeutung, weil es über das für Werbeanlagen entsprechend anwendbare allgemeine Anbauverbot für Hochbauten hinausgeht: Es verbietet Werbeanlagen an allen Brückenbauwerken, die über Bundesfernstraßen führen, also auch dann, wenn sie außerhalb der 40-m-Zone für Bundesautobahnen und der 20-m-Zone für Bundesstraßen liegen.
193. Auch soweit das Berufungsgericht der Auffassung ist, Sinn und Zweck des Anbauverbots - Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf Bundesfernstraßen - würden ein Verbot in einer sich "quer" zur Straße erstreckenden Zone nicht rechtfertigen, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Zweck der Anbauverbote ist es, im Bereich der Bundesfernstraßen Bauten und sonstige Anlagen, insbesondere Werbeanlagen, zu verhindern, die durch eine Sichtbehinderung oder ihre ablenkende Wirkung die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs auf Bundesstraßen und Bundesautobahnen beeinträchtigen könnten (Urteile vom a.a.O. und - BVerwG 4 C 9.05 - BVerwGE 126, 349 Rn. 14; vgl. auch BTDrucks 7/1265 S. 20). Dieser Gesetzeszweck deckt auch ein Anbauverbot entlang des Einmündungsbereichs einer Anschlussstelle einer Bundesautobahn. Dass wegen des dort regelmäßig langsameren Verkehrsgeschehens und der häufig anzutreffenden Lichtzeichenanlagen eine andere Verkehrssituation als auf der freien Strecke besteht, rechtfertigt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, eine Werbeanlage in diesem Bereich sei nicht geeignet, eine (zusätzliche) potentielle Gefahrenquelle durch eine erhöhte Ablenkung der Verkehrsteilnehmer zu schaffen (ebenso a.a.O. S. 2145). Anschlussstellen von Bundesautobahnen verknüpfen das großräumige bzw. überregionale mit dem nachgeordneten Straßennetz und führen verschiedene Verkehre zusammen. Sie stellen dadurch erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer. Insbesondere die die Autobahn verlassenden Fahrer müssen sich nach oftmals längerer Fahrt mit hohen und sehr hohen Geschwindigkeiten auf die neue, komplexe Verkehrssituation im nachgeordneten Straßennetz mit zum Teil ebenfalls hohen Geschwindigkeiten im Gegen- und Kreuzungsverkehr, aber auch mit Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie unter Umständen vielfältigen sonstigen Verkehrsbeziehungen (Fahrradfahrer, Fußgänger, Öffentlicher Personennahverkehr) und Verkehrsregelungen einstellen. Ablenkende Werbung oder Sichtbehinderungen würden daher in diesem Bereich die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs ebenfalls in besonderer Weise beeinträchtigen können. Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass Unfälle im Bereich von Anschlussstellen (§ 1 Abs. 3 FStrG) wegen der hier regelmäßig vorkommenden Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge ein besonders großes Gefahrenpotential bergen und Auswirkungen bis auf die Richtungsfahrbahnen haben können.
20Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung an seinem auf die Verpflichtung zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerichteten Hilfsantrag nicht festgehalten hat, war über diesen zunächst in der Revisionsinstanz angefallenen Antrag ( BVerwG 11 C 21.92 - Buchholz 424.01 § 64 FlurbG Nr. 7 S. 10) nicht mehr zu entscheiden.
Fundstelle(n):
WAAAE-09460