NWB Nr. 19 vom Seite 1561

„Neues von der Grundsteuer”

Jan Weber | RA/StB/FA StR, Weber & Partner, Heidelberg

Siegt die Gerechtigkeit?

Auf so manchen Gebieten steht Deutschland weltweit an der Spitze – leider gehört hierzu auch die Abgabenbelastung der arbeitenden Bevölkerung. Auf die Plätze verwiesen nur vom hochverschuldeten Nachbarland Belgien, betragen die Steuer- und Sozialabgaben eines ledigen Arbeitnehmers in Deutschland nach einer aktuellen Studie der OECD runde 50 % des Bruttoverdienstes. Erstaunlich, wie klaglos das Wahlvolk diese Belastung erträgt, geht es doch selbst für Juchtenkäfer und Bäume auf die Straße. Eine Steuer jedoch gibt es, die nun seit Jahren schon die Gerichte beschäftigt und den Wutbürger im Steuerzahler weckt: Die Grundsteuer.

Jenseits von akademischen Einordnungen als „besondere Vermögensteuer”, „historisch gewachsen und deshalb zulässig” oder „Sollertragssteuer” erlebt der eigenheimbesitzende Steuerzahler, dass ihm, ohne Rücksicht auf seine Leistungsfähigkeit und unter Zuhilfenahme eines wahrlich komplizierten und als trickreich empfundenen Verfahrensrechts, Jahr für Jahr in die Tasche gegriffen wird. Nimmt er sich dann die Zeit für einen Versuch, zu verstehen, wie eigentlich die Steuerlast ermittelt wird, stößt er schnell auf die ihn zu Recht empörende Tatsache, dass für einen in die Jahre gekommenen Bungalow mehr Steuern zu zahlen sind, als für die benachbarte, neue und schicke Architektenvilla. Eine ebensogroße Ungerechtigkeit stellen sicher die ganz erheblichen Bewertungsunterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern dar. Nun ist Ungerechtigkeit kein juristischer Begriff – wohl aber der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG, den auch der BFH heranzog, um in zwei überraschenden Entscheidungen vom (II R 60/08 und II R 12/09) ganz erhebliche, im Ergebnis aber nicht durchgreifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer zu äußern. Gegen eines der Urteile wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt (2 BvR 287/11) und auch wenn das Bundesverfassungsgericht bereits erklärt hat, „dem Grunde nach” (1 BvR 1334/07) sei die Grundsteuer verfassungsgemäß, wird es sich endlich auch mit der Frage beschäftigen müssen, inwieweit die Bewertungsvorschriften noch dem Grundgesetz entsprechen.

Mit gleich lautenden Ländererlassen vom wurde sich nun darüber verständigt, Einheitswertfeststellungen und Festsetzungen zum Grundsteuermessbetrag nur noch vorläufig durchzuführen. Eine verfahrensrechtliche Erleichterung, die Einsprüche überflüssig macht, ein Etappensieg des Wutbürgers und Beleg dafür, dass es sich lohnt, auch gegen den Widerstand der Gerichte und der Verwaltung für seine Rechtsauffassung immer wieder zu streiten. Ob die Gerechtigkeit im Gewand der steuerlichen Gleichbehandlung obsiegt, wird sich zeigen. Über eines allerdings sollte man sich angesichts der Bedeutung der Grundsteuer, die im Jahr 2011 immerhin ein Gesamtaufkommen von rund 13 Mrd. € erreicht hat, keine Illusionen machen: Eine Senkung seiner Grundsteuerbelastung wird der Wutbürger auch nach einer Neuregelung schwerlich erleben dürfen.

Jan Weber

Fundstelle(n):
NWB 2012 Seite 1561
NWB ZAAAE-08782