Instanzenzug:
Gründe
1 Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
I.
2 1. Nach der Anklage wurde dem Angeklagten, der Bewerber um ein Mandat als Abgeordneter des Deutschen Bundestages war, vorgeworfen, er habe am die Nebenklägerin, seine damalige Wahlkampfhelferin, sexuell genötigt. Diese sei gegen 14.15 Uhr in sein Haus gekommen. Nach 90 Minuten gemeinsamer Arbeit sei eine Auseinandersetzung entstanden, worauf die Nebenklägerin das Haus verlassen wollte. Als sie ihre Tasche holte, habe der Angeklagte ihr in die Hose gegriffen. Darauf sei es zu einem Gerangel gekommen, in dessen Verlauf der Angeklagte die Nebenklägerin mit seinem rechten Unterarm an ihrem Brustbein so an die Wand gedrückt habe, dass sie keine Luft mehr bekommen habe. Seine Frage, ob sie mit ihm schlafen wolle, habe die Nebenklägerin mit dem Hinweis verneint, "ihre Tage" zu haben, worauf er Oralverkehr verlangt habe. Nach Ablehnung dieses Ansinnens habe der Angeklagte begonnen, die Nebenklägerin zu küssen. Er habe sie unter dem Pullover sowie am Hals angefasst. Aus Angst vor Gewalt habe sie seinen Hosengürtel geöffnet, um ihre Bereitschaft vorzutäuschen, bei ihm Oralverkehr auszuüben. Dann habe sie ihn weggestoßen und sei geflohen.
3 2. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Nebenklägerin den Angeklagten bewusst zu Unrecht belastet habe. Der Angeklagte und die verheiratete Nebenklägerin, die ihre erste juristische Staatsprüfung bestanden hatte und halbtags wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Lehrstuhl war, hatten von Mai bis Oktober 2008 eine intime Beziehung gehabt, bis die Lebensgefährtin des Angeklagten davon erfahren hatte. Diese hatte sich nach kurzer Trennung wieder dem Angeklagten angenähert, aber verlangt, dass die Nebenklägerin nicht mehr für ihn tätig werden dürfe. Gleichwohl setzte der Angeklagte die Zusammenarbeit mit der Nebenklägerin fort. Diese erhoffte sich für den Fall seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten eine Stellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Für ihre bisherige Arbeit forderte sie 42.000 Euro und verlangte am die Unterzeichnung eines entsprechenden schriftlichen Schuldanerkenntnisses, was der Angeklagte ablehnte. Ende April 2009 stellte dieser den Zeugen S. als seinen künftigen Mitarbeiter vor, wodurch sich die Hoffnung der Nebenklägerin auf diese Position zerschlug. Auch gegenüber ihrem Ehemann, der nichts von der zeitweiligen Intimbeziehung gewusst und ebenso wie die Nebenklägerin selbst eine Bezahlung ihrer Tätigkeit als Wahlkampfhelferin erwartet hatte, geriet sie in Erklärungsnot. Daraufhin entschloss sie sich, den Angeklagten zu Unrecht einer Sexualstraftat zu bezichtigen. Sie informierte die Parteiverantwortlichen über den Vorwurf, worauf der Angeklagte seine Kandidatur zurückzog. Am folgenden Tag erstattete sie Strafanzeige.
4 Die Strafkammer hat den Angaben der Nebenklägerin nicht geglaubt. Ihre Überzeugung von deren Unrichtigkeit folgerte sie aus der Detailarmut der Zeugenaussage zum eigentlichen Tatgeschehen, aus einer Inkonstanz gegenüber früheren Angaben, aus der unzutreffenden Behauptung einer posttraumatischen Belastungsstörung, aus dem Einsatz vorgetäuschten Weinens bei Vernehmungen und aus der Herstellung einer Informationskette zu Parteiverantwortlichen mit nachteiligen Folgen für den Angeklagten. Zudem habe die Nebenklägerin ein Motiv für eine Rachehandlung gehabt. Schließlich entspreche das von ihr behauptete Verhalten bei dem sexuellen Übergriff nicht der früheren Vorgehensweise des Angeklagten gegenüber anderen Frauen, denen er sich zwar sexuell genähert, deren Ablehnung er aber stets akzeptiert habe.
II.
5 Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.
6 1. Die Formalrügen, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt, sind aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom unbegründet.
7 2. Auch die Sachbeschwerden zeigen keinen Rechtsfehler auf.
8 a) Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung gebildet, die Nebenklägerin habe den Angeklagten zu Unrecht belastet. Dies ist nur in einer Gesamtschau aller Umstände möglich. Die Urteilsgründe lassen nicht besorgen, dass die Strafkammer die erforderliche Gesamtwürdigung (, NStZ 2012, 110, 111) versäumt hat.
9 b) Die Rechtsprechung stellt besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung in Konstellationen, in denen "Aussage gegen Aussage" steht (vgl. , BGHSt 44, 153, 158 f.). Erforderlich sind insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage (), eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs (vgl. ), sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben. Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Erörterungslücken hinsichtlich wesentlicher Aspekte, Unklarheiten oder Widersprüche liegen nicht vor. Hervorzuheben ist nur Folgendes:
10 aa) Zwar wäre die Annahme fehlender "Detailliertheit" der Zeugenaussage zum eigentlichen Tatgeschehen für sich genommen zweifelhaft. Das Landgericht hat aber erläutert, dass das Kerngeschehen im Verhältnis zu den Hintergründen und dem Randgeschehen innerhalb der breiten Sachdarstellung der Nebenklägerin, die das Landgericht - unnötigerweise in sämtlichen Einzelheiten - im Urteilstext mitgeteilt hat, geringen Raum eingenommen hat. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
11 bb) Es ist auch nicht zu besorgen, dass das Landgericht frühere sexuelle Übergriffe des Angeklagten gegenüber anderen Frauen nicht ausreichend berücksichtigt hat. Diese sind im Urteil erwähnt. Einer breiteren Darstellung bedurfte es von Rechts wegen nicht (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO). Das Landgericht hat bedacht, dass sich der Angeklagte bei früheren Vorfällen anders verhalten hat, als es ihm nun vorgeworfen wird; so hat er keine Gewalt angewendet und den seinen sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen der Frauen stets respektiert, sobald dieser geäußert wurde.
12 cc) Es war nicht erforderlich, weitergehende Feststellungen zum Vorleben und zur Persönlichkeit des Angeklagten zu treffen. Es ist nicht ersichtlich, dass hieraus ein aussagekräftiges Indiz für die Richtigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu gewinnen gewesen wäre.
13 dd) Auch soweit die Strafkammer darauf hingewiesen hat, dass die Nebenklägerin ein Rachemotiv für eine Falschbelastung des Angeklagten gehabt habe, liegt kein Rechtsfehler vor. Die Existenz eines solchen Motivs besagt zwar für sich genommen noch nicht, dass die Nebenklägerin aus diesem Rachegedanken heraus tatsächlich einen unwahren Vorwurf erhoben hat. In der Zusammenschau mit weiteren Umständen, wie dem auffälligen Verhalten der Nebenklägerin nach dem , die anfangs noch unbeeinträchtigt weiter mit dem Angeklagten zusammengearbeitet hatte, später aber angeblich schwer traumatisiert war, gewinnt das Vorhandensein eines Falschbelastungsmotivs jedoch an Beweisbedeutung.
III.
14 Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch das Rechtsmittel der Nebenklägerin erfolglos geblieben ist, hat die Nebenklägerin außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen im Revisionsverfahren zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 1 und 2 StPO; vgl. Senat, Urteil vom - 2 StR 467/10; ).
Fundstelle(n):
DAAAE-08584