Jugendstrafe gegen einen Heranwachsenden wegen besonders schwerer Erpressung: Begründung der Strafhöhe bei Verhängung wegen Schwere der Schuld
Gesetze: § 17 Abs 2 Alt 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG, § 105 Abs 1 Nr 1 JGG, § 255 StGB
Instanzenzug: LG Hildesheim Az: 14 KLs 6 Js 1847/09vorgehend LG Hildesheim Az: 14 KLs 6 Js 1847/09
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie bestimmt, dass von dieser Strafe "als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer" zwei Monate als vollstreckt gelten.
2Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler auf. Der Rechtsfolgenausspruch hält indes materiellrechtlicher Prüfung nicht stand.
31. Das Landgericht hat auf den Angeklagten als Heranwachsenden gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet, schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 1 JGG verneint und die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG auf die Schwere der Schuld gestützt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
4Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Erwägungen, mit denen die Jugendkammer die Höhe der Strafe begründet hat. Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe bemisst sich deren Höhe gemäß § 18 Abs. 2 JGG vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10). Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht.
5Das Landgericht hat zwar ausgeführt, es habe sich bei der Bemessung der konkreten Höhe der Jugendstrafe vorrangig am Erziehungszweck orientiert (UA S. 23). Nachfolgend werden jedoch ausschließlich Zumessungserwägungen mitgeteilt, die auch im Erwachsenenstrafrecht maßgeblich sind. Auch an anderer Stelle des Urteils finden sich keine Hinweise darauf, dass die Jugendkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe den Vorrang des Erziehungszwecks beachtet hat. Lediglich am Ende der Strafzumessungserwägungen hat das Landgericht ausgeführt, es habe auf die konkrete Strafe "unter besonderer Beachtung der Persönlichkeitsentwicklung und des noch bestehenden Erziehungsbedarfs des Angeklagten" erkannt (UA S. 24), ohne dies allerdings näher zu substantiieren. Eine derartige, lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens in den Urteilsgründen genügt grundsätzlich nicht (, NStZ 2010, 281).
6Den Urteilsgründen ist auch in ihrem Zusammenhang nicht zu entnehmen, dass bei dem Angeklagten ein Erziehungsbedürfnis vorliegt, welches die Verhängung einer lang dauernden und zu verbüßenden Haftstrafe erfordert. Dies versteht sich hier auch nicht von selbst, sondern hätte einer eingehenden Erörterung bedurft. Nach den getroffenen Feststellungen trat der Angeklagte bisher nur geringfügig und zuletzt im Jahre 2004 strafrechtlich in Erscheinung. Er begann nach unauffälliger, mit der Fachhochschulreife abgeschlossener Schulausbildung ein Studium, das er im Zeitpunkt der Hauptverhandlung im 5. Semester fortsetzte. Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund einer zur Tatzeit bestehenden hirnorganischen Beeinträchtigung wegen der Folgen einer im Oktober 2008 erlittenen massiven Kopfverletzung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war. Mit diesen Umständen hätte sich die Jugendkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe auseinandersetzen und das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen einer längeren Haftverbüßung für die weitere Entwicklung des Angeklagten abwägen müssen.
72. Die Aufhebung des Strafausspruchs bedingt hier auch den Wegfall der Kompensationsentscheidung. Das neue Tatgericht hat über die Rechtsfolgen deshalb insgesamt neu zu entscheiden.
83. Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Becker Hubert Schäfer
Mayer Menges
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Fundstelle(n):
UAAAE-08574