Einbringung von Gesellschaftsanteilen als Veräußerung; Anwendung des Halbabzugsverbots im Verlustfall
Leitsatz
1. Bei Einbringung von Gesellschaftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft entspricht der vom Einbringenden erzielte Veräußerungspreis grundsätzlich dem Wert, den die aufnehmende Kapitalgesellschaft für die eingebrachten Anteile ansetzt.
2. Werden bei der Anteilsveräußerung i.S. von § 17 EStG veräußerungsbedingte Einnahmen (Veräußerungspreis) erzielt, sind Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot auch im Verlustfall anzuwenden. Eine Einschränkung des Halbabzugsverbots bei Verlusten in der Weise, dass die Anschaffungs- und Veräußerungskosten der jeweiligen Anteile voll berücksichtigt werden, soweit sie den Veräußerungs-/Auflösungserlös übersteigen, kommt nicht in Betracht.
Gesetze: EStG § 3 Nr. 40, EStG § 3c Abs. 2, EStG § 17, EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, UmwStG § 20
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 1998 40 % der Anteile an einer Treuhand GmbH (T-GmbH). Er finanzierte die Anschaffungskosten durch Darlehen. Im Januar 2003 brachte er seine Anteile an der T-GmbH in die E-GmbH ein, die dadurch die Mehrheit der Stimmrechte bei der T-GmbH erlangte. Der Kläger erhielt dafür einen Geschäftsanteil von 40.000 € an der E-GmbH. Nach mehreren Gewinnausschüttungen veräußerte der Kläger den Geschäftsanteil an der E-GmbH im Jahr 2005.
2 Der Kläger erklärte im Rahmen seiner Veranlagungen zur Einkommensteuer für die Streitjahre (2002 und 2003) Schuldzinsen aus der Finanzierung der Anschaffungskosten (6.908 € für 2002 und 5.174 € für 2003) sowie —für das Streitjahr 2003— einen Einbringungsverlust i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Schuldzinsen sowie den Veräußerungsverlust (von 73.692 €) zur Hälfte.
3 Die Klage war erfolglos. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) seien die geltend gemachten Aufwendungen gemäß § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte zu berücksichtigen, auch wenn die Einbringung lediglich zu einem Verlust geführt habe.
4 Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Das Halbeinkünfteverfahren sei nicht anwendbar, weil dem realisierten Verlust von 73.692 € keine „Vorbegünstigungen” auf der Ebene der Kapitalgesellschaft entgegenstünden. Dem Kläger seien durch die Einbringung auch keine nur zur Hälfte steuerpflichtigen und damit begünstigten Einnahmen zugeflossen, so dass es keiner spiegelbildlichen Korrektur durch das Halbabzugsverbot bedürfe. § 3c Abs. 2 EStG sei in Verlustfällen teleologisch zu reduzieren. Den in den Streitjahren abgeflossenen Zinsaufwendungen stünden keine Einnahmen gegenüber, da der Veräußerungspreis vollständig im Veräußerungsverlust aufgehe.
5 Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom und den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom zu ändern und bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2002 weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 3.454 € und für das Jahr 2003 weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.587 € sowie einen weiteren Verlust gemäß § 17 EStG von 36.846 € zu berücksichtigen.
6 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
7 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat das Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c und d, § 3c Abs. 2 EStG) im Streitfall richtig angewendet.
8 1. Das FG hat im Streitjahr 2003 zutreffend einen Veräußerungsverlust in Höhe von 36.846 € der Besteuerung unterworfen.
9 a) Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer —wie im Streitfall der Kläger— innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Der Kläger hat seine Anteile an der T-GmbH in die E-GmbH i.S. von § 20 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (UmwStG 2002) eingebracht und damit veräußert. Er hat als Gegenleistung neue Anteile an der E-GmbH vereinnahmt.
10 Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 gilt für den Einbringenden der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft (hier die E-GmbH) das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, als Veräußerungspreis. Bei Einbringung von Gesellschaftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft entspricht der vom Einbringenden erzielte Veräußerungspreis grundsätzlich dem Wert, den die aufnehmende Kapitalgesellschaft für die eingebrachten Anteile ansetzt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, vgl. z.B. Urteile vom IX R 26/09, BFH/NV 2010, 2067; vom I R 97/10, BFH/NV 2011, 1789, m.w.N.).
11 Nach diesen Maßstäben ist das FG zutreffend von 40.000 € als Veräußerungspreis ausgegangen, denn in Höhe dieses Betrages erlangte der Kläger einen Geschäftsanteil an der E-GmbH. Diesem Veräußerungspreis standen unstreitig Anschaffungskosten von 113.692 € gegenüber.
12 b) Das FG hat Veräußerungspreis und Anschaffungskosten zutreffend jeweils zur Hälfte der Besteuerung nach § 17 Abs. 2 EStG unterworfen.
13 aa) Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises i.S. von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind ebenfalls nur zur Hälfte abzuziehen; denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden. Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechenden Aufwand nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser steht nicht —wie dies § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die hälftige Kürzung verlangt— in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, ist § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht anwendbar und der Erwerbsaufwand ist in vollem Umfang abziehbar. Dies entspricht dem Gesetzeszweck des Halbabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen (, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; , BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627).
14 bb) Werden bei der Anteilsveräußerung i.S. von § 17 EStG indes veräußerungsbedingte Einnahmen (Veräußerungspreis) erzielt, sind Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG) und Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) auch im Verlustfall anzuwenden. Entgegen der Revision kommt eine —teleologische oder ggf. verfassungskonforme— Einschränkung des Halbabzugsverbots bei Verlusten in der Weise, dass die Anschaffungs- und Veräußerungskosten der jeweiligen Anteile voll berücksichtigt werden, soweit sie den Veräußerungs-/Auflösungserlös übersteigen, nicht in Betracht (siehe eingehend zur verfassungsrechtlichen Problematik , BFHE 233, 442, BStBl II 2011, 785).
15 cc) Selbst wenn man nach den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gebildeten Beispielen im Erstrecken des Anwendungsbereichs des Halbeinkünfteverfahrens auf Verlustfälle eine überschießende Tendenz sähe, liegt es dennoch innerhalb des dem Gesetzgeber überantworteten Gestaltungsspielraums, der Besteuerung eine systematische Grundkonzeption des Inhalts zugrunde zu legen, eine Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter als voneinander zu unterscheidende Rechtssubjekte anzusehen und bei der Besteuerung des Gesellschafters positive und negative Einkünfte nach einem übereinstimmenden Maßstab zu behandeln. Mag die Begrenzung der Besteuerung beim Gesellschafter wirtschaftlich zwar mit der Besteuerung der Kapitalgesellschaft zusammenhängen, so wird in der rechtlichen Ausgestaltung indes die Besteuerung des Gesellschafters von der Besteuerung der Gesellschaft gelöst und es werden Erträge und Aufwendungen des Gesellschafters nach einem einheitlichen Prinzip (je zur Hälfte) —und damit folgerichtig— berücksichtigt (so grundlegend , BFHE 233, 508, BStBl II 2011, 815; zum Trennungsprinzip als Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers siehe , BVerfGE 127, 224 Rz 61).
16 2. Das FG hat auch die Schuldzinsen zutreffend nur zur Hälfte gemäß § 3c Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG als Werbungskosten berücksichtigt (vgl. dazu grundlegend , BFHE 218, 251, BStBl II 2008, 551). Diese Aufwendungen stehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den im Zuge der Einbringung vereinnahmten, zur Hälfte anzusetzenden neuen Anteile an der E-GmbH. Es gelten deshalb die unter 1. dargelegten Maßstäbe, auf die der Senat —um Wiederholungen zu vermeiden— verweist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 937 Nr. 6
EStB 2012 S. 170 Nr. 5
GmbHR 2012 S. 115 Nr. 9
GmbHR 2012 S. 696 Nr. 12
HFR 2012 S. 759 Nr. 7
StBW 2012 S. 341 Nr. 8
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2012 S. 366
LAAAE-06581