Zueignungsabsicht beim Raub: Gewaltsame Wegnahme eines Mobiltelefons zwecks Durchsuchens und Kopierens von Bilddateien als Raub oder räuberische Erpressung
Gesetze: § 240 StGB, § 249 Abs 1 StGB, § 253 Abs 1 StGB, § 255 StGB
Instanzenzug: LG Duisburg Az: 31 KLs 39/10
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
3a) Nach den insoweit rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen entwand der Angeklagte dem Geschädigten gegen dessen Widerstand ein Mobiltelefon, um im Speicher des Geräts nach Beweisen für die Art der Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester des Mitangeklagten zu suchen. Ob der Geschädigte das Gerät zurückerlangen würde, war ihm dabei gleichgültig. Später übertrug er darin gespeicherte Bilddateien auf sein eigenes Handy, um sie an Dritte zu verschicken.
4b) Danach hat sich der Angeklagte nicht eines Verbrechens des Raubes, sondern nur einer Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht, denn er handelte nicht, wie § 249 Abs. 1 StGB voraussetzt, in der Absicht, das Mobiltelefon sich oder einem Dritten zuzueignen. Weder wollte er sich den Substanz- oder Sachwert des Geräts aneignen noch hat er dessen Wert durch den vorübergehenden Gebrauch gemindert (vgl. , GA 1969, 306, 307 zur fehlenden Aneignungskomponente bei der Wegnahme zwecks Inhaftierung; S/S-Eser/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 242 Rn. 53, 55; NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., § 242 Rn. 82; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 150). Es fehlt an dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern, wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 19a) oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen", "zu beschädigen", sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. , NStZ 2011, 699, 701; vom - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 jeweils mwN; - 93, NJW 1997, 2611). Dass die vom Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und das Kopieren der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lag, ändert hieran nichts, denn dies führte nicht zu deren Verbrauch (vgl. RReg 4 St 158/91, juris, zum Kopieren und Verwerten von auf Diskette gespeicherten Daten; Cramer, CR 1997, 693, 696; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 154).
5c) Auch eine - bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. , BGHSt 14, 386) - Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt vorliegend nicht in Betracht, denn der Angeklagte handelte nicht in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur mwN, NStZ 2011, 699, 701; , BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1 zu einem Fall der Wegnahme zwecks Beweisvereitelung).
62. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme des Landgerichts, das beschriebene Tatgeschehen stehe zu der vom Angeklagten weiter begangenen gefährlichen Körperverletzung in Tatmehrheit (§ 53 StGB). Nach den auch insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen stürzten sich während des um das Mobiltelefon entstandenen "Gerangels" der Mitangeklagte und weitere Personen auf den Geschädigten und prügelten gemeinsam mit nicht identifizierbaren harten Gegenständen auf diesen ein; hieran beteiligte sich sodann auch der Angeklagte. Danach hängen die Nötigungshandlung und die weiteren gemeinsamen Angriffe auf die körperliche Integrität des Geschädigten räumlich und zeitlich so eng zusammen, dass sich das Geschehen insgesamt als natürliche Handlungseinheit darstellt (vgl. , juris, bei Taten mit dem sie gemeinsam verbindenden Moment, das Opfer zur "Rede zu stellen"; Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 4 mwN).
73. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich bei zutreffender rechtlicher Bewertung des Geschehens nicht wirksamer hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der Einzelstrafe wegen Raubes und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
84. Auch die wegen gefährlicher Körperverletzung ausgesprochene Einzelstrafe hat keinen Bestand. Zwar hätte das Landgericht diese Strafe nicht milder bemessen, hätte es, statt vom Hinzutreten eines rechtlich selbständigen Verbrechens des Raubes auszugehen, zutreffend die gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung gesehen. Indes wurde der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe am - nach der verfahrensgegenständlichen Tat - wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Zum Stand der Vollstreckung dieser Strafe, die nach § 55 Abs. 1 StGB mit der hier ausgesprochenen grundsätzlich gesamtstrafenfähig ist, hat das Landgericht nichts mitgeteilt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass ein allein dem Tatrichter vorbehaltener Härteausgleich in Betracht kommt (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 110/11, juris; vom - 3 StR 496/09, NStZ-RR 2010, 202, 203; vom - 3 StR 386/09, StraFo 2010, 74).
9Die bisherigen, der Bemessung dieser Einzelstrafe zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges
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Fundstelle(n):
PAAAE-05774