Geschäftsunterlagen - Herausgabeanspruch des Arbeitgebers
Gesetze: § 273 BGB, § 666 BGB, § 667 BGB, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 241 Abs 2 BGB
Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 8 Ca 187/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 2 Sa 1438/08 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Herausgabe geschäftlicher Unterlagen und im Wege der Stufenklage Auskunft, welche weiteren Geschäftsunterlagen er noch in seinem Besitz hat.
2Der Beklagte war bei der Klägerin, einem Unternehmen der Automobilindustrie, als Leiter des Generalsekretariats und der Konzernproduktplanung im Geschäftsbereich des Vorsitzenden des Vorstands zu einem Bruttojahresgehalt von 363.900,00 Euro bis zum beschäftigt.
Die Parteien schlossen am eine „Aufhebungsvereinbarung“ zum , in der ua. geregelt ist:
4Am vereinbarten die Parteien eine Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses bereits zum unter Beibehaltung der übrigen Regelungen der Aufhebungsvereinbarung.
5Der Beklagte gab am seinen Werksausweis, seine Schlüssel, die ihm zur Verfügung gestellte Kreditkarte, seinen Dienstwagen sowie einen Laptop an die Klägerin zurück, er behielt aber zahlreiche Unterlagen. Diese sowie Auszüge und von ihm gefertigte Ablichtungen dieser Unterlagen stellte er in einem Ordner zusammen, den er im November 2007 an den bei der Klägerin bestehenden Aufsichtsratsausschuss für Geschäftsbeziehungen mit Aktionären übersandte. Ordner gleichen Inhalts übermittelte er auch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Staatsanwaltschaft B. Damit bezweckte er die Aufklärung und Verfolgung seiner Meinung nach rechtlich beanstandenswerter Vorgänge aus den geschäftlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der P AG sowie aus der geplanten Übernahme der Klägerin durch die P AG.
6Die Klägerin hat die Herausgabe dieser Unterlagen begehrt und ausgeführt: Dem Beklagten stehe kein Recht zu, die im Original oder in Kopie in seinem Besitz befindlichen Firmenunterlagen weiter zu behalten, zumal er diese bereits an die Staatsanwaltschaft und die BaFin übersandt habe.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
8Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt: Der Herausgabeanspruch sei aufgrund der Ausgleichsklausel in § 16 der Aufhebungsvereinbarung erloschen. Ein möglicher Herausgabeanspruch sei auch durch die Übergabe des Ordners an den Aufsichtsratsausschuss erfüllt worden. Im Übrigen sei er berechtigt, zumindest bis zum Abschluss der behördlichen Ermittlungsverfahren die Unterlagen zurückzubehalten. Er benötige sie, um die Ermittlungen begleiten und verfolgen und gegen ihn zukünftig gerichtete Vorwürfe entkräften zu können.
9Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Herausgabe der im Einzelnen bezeichneten Unterlagen und auf Auskunftserteilung durch Teilurteil vom stattgegeben. Mit Schreiben vom hat der Beklagte erklärt, er gebe die noch in seinem Besitz befindlichen Unterlagen zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung heraus; er habe auch keine weiteren Geschäftsunterlagen der Klägerin mehr in seinem Besitz. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
11Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann vom Beklagten die Herausgabe der im Klageantrag genannten Geschäftsunterlagen beanspruchen. Auch der Auskunftsanspruch ist begründet.
12I. Die zulässige Klage auf Herausgabe von Geschäftsunterlagen ist begründet.
131. Der auf Herausgabe gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere in der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin eine Herausgabe der beim Beklagten vorhandenen Unterlagen „im Original und/oder Kopie“ verlangt.
14a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet. Dadurch werden der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) abgesteckt und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) festgelegt. Zugleich wird vermieden, dass das Risiko eines Unterliegens des Klägers durch eine vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt oder der Streit in ein sich anschließendes Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird. Maßgeblich für die Bestimmtheit eines Klageantrags sind die Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und die Umstände des Einzelfalls. Hierbei ist das zu schützende Interesse des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie sein Interesse an der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz abzuwägen. Generalisierende Formulierungen können daher im Einzelfall unvermeidlich sein. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt ( - Rn. 21, NZA 2011, 1169; - 1 AZR 179/09 - Rn. 18, AP GG Art. 9 Nr. 142 = EzA GG Art. 9 Nr. 101).
15b) Nach diesen Grundsätzen sind die im Klageantrag genannten Geschäftsunterlagen zum einen so konkretisiert, dass der Beklagte erkennen kann, welche Unterlagen von ihm verlangt werden. Im Fall einer Zwangsvollstreckung sind sie - zumal ein eindeutiger Bezug zu dem vom Beklagten an die Staatsanwaltschaft und die BaFin übermittelten Ordner besteht - identifizierbar. Zum anderen ist die auszulegende Formulierung „und/oder“ eindeutig. Der Antrag auf Herausgabe bezieht sich auf die jeweilige Form der Geschäftsunterlage, die der Beklagte in seinem Besitz hat. Die insoweit vom Landesarbeitsgericht angeregte Formulierung soll den Beklagten eindeutig zur - vollständigen - Herausgabe der benannten Geschäftsunterlagen unabhängig von ihrer jeweiligen Form verpflichten.
162. Die Klägerin hat einen Herausgabeanspruch entsprechend § 667 BGB.
17a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte nach der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Arbeitsordnung oder nach §§ 985, 861 BGB verpflichtet ist, Geschäftsunterlagen herauszugeben. Der geltend gemachte Herausgabeanspruch besteht jedenfalls entsprechend § 667 BGB. Die auftragsrechtlichen Regelungen enthalten allgemeine Grundsätze, die auch für Arbeitsverhältnisse gelten (vgl. - Rn. 21, BAGE 118, 16). Danach ist der Beklagte wie ein Beauftragter verpflichtet, der Klägerin alles, was er zur Ausführung der ihm übertragenen Arbeit erhalten und was er aus dem Arbeitsverhältnis erlangt hat, herauszugeben. Hierzu zählen auch die streitgegenständlichen Geschäftsunterlagen.
18b) Der Beklagte hat die Geschäftsunterlagen iSv. § 667 BGB von der Klägerin erhalten oder erlangt.
19aa) Zur Ausführung der übertragenen Arbeit erhalten hat der Arbeitnehmer alles, was ihm zum Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. zur Geschäftsbesorgung: - zu II 1 der Gründe, NJW-RR 2004, 1290). Aus dem Arbeitsverhältnis erlangt ist jeder Vorteil, den der Arbeitnehmer aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis erhalten hat (vgl. - zu II 1 der Gründe, aaO).
20bb) Hierzu gehören Unterlagen, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten zur Verfügung gestellt worden sind (§ 667 Alt. 1 BGB), und die, die er während des Arbeitsverhältnisses, beispielsweise durch einen Schriftverkehr mit Dritten, erlangt hat (§ 667 Alt. 2 BGB). Aus der Geschäftstätigkeit iSd. § 667 BGB erlangt sind auch die vom Beklagten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Klägerin selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien - mit Ausnahme von privaten Aufzeichnungen (vgl. - zu II 1 der Gründe, NJW-RR 2004, 1290; - III ZR 112/88 - zu II 2 a aa der Gründe, BGHZ 109, 260).
21cc) Bei den streitbefangenen Urkunden (Gutachten, Prüfberichte, Verträge, Protokolle etc.) handelt es sich um entsprechende Geschäftsunterlagen iSv. § 667 BGB, die die Klägerin dem Beklagten während des Arbeitsverhältnisses zur Wahrnehmung seiner Tätigkeit überlassen oder die er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erlangt hat.
22c) Dem Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) an den Geschäftsunterlagen zu.
23Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass ihm aus rechtsstaatlichen Gründen keine zivil- oder arbeitsrechtlichen Nachteile entstehen dürfen, wenn er - jedenfalls soweit er keine wissentlich unwahren oder leichtfertig falschen Angaben macht - staatsbürgerliche Rechte im Rahmen eines Straf- oder behördlichen Ermittlungsverfahrens wahrnimmt ( - zu II 1 b cc bbb der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 170 = EzA BGB § 626 Nr. 188; zu den sog. Whistleblowern jetzt auch: EGMR - 28274/08 - [Heinisch] NZA 2011, 1269). Geht man davon aus, dass die verfassungsrechtlichen Rechte des Beklagten (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Rechtsstaatsprinzip) in die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht der Klägerin gemäß § 241 Abs. 2 BGB ausstrahlen, folgt daraus noch kein Recht des Beklagten, die streitgegenständlichen Geschäftsunterlagen weiterhin behalten zu können. Mit seiner Anzeigenerstattung bei der Staatsanwalt B und der Mitteilung an die BaFin hat der Beklagte die von der Rechtsordnung erlaubten und gebilligten Möglichkeiten wahrgenommen, die seiner Meinung nach beanstandungswürdigen Vorgänge bei der Klägerin im Zusammenhang mit der „P-Übernahme“ aufzuzeigen und sie von den dafür zuständigen staatlichen Stellen prüfen zu lassen. Durch die Übersendung der Unterlagen an diese Behörden hat er seine staatsbürgerlichen Rechte ausgeübt. Seinem Anliegen ist damit hinreichend Rechnung getragen. Für einen weiteren Verbleib der Geschäftsunterlagen in seinem Besitz gibt es keine Grundlage. Sein Hinweis, er benötige sie, um sich mit ihrer Hilfe in einem möglichen späteren zivil- oder strafrechtlichen Verfahren verteidigen zu können, rechtfertigt einen weiteren Verbleib nicht. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte in einem solchen Fall einen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht hätte, wenn sich in den entsprechenden Akten für ihn entlastendes Material befindet (KK-Gieg 6. Aufl. § 475 Rn. 1). Damit bestünde eine hinreichende Möglichkeit, die dann noch notwendigen Informationen aus den Unterlagen für seine eigene „Verteidigung“ zu erlangen. Eines Zurückbehaltungsrechts an den Geschäftsunterlagen zum Zwecke einer künftigen Verteidigung in einem Zivil- oder Strafverfahren bedarf es demgemäß nicht.
243. Der Herausgabeanspruch ist nicht wegen Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
25a) Durch die Übergabe des Ordners mit Ablichtungen der streitgegenständlichen Geschäftsunterlagen an den Aufsichtsratsausschuss der Klägerin für Geschäftsbeziehungen mit Aktionären hat der Beklagte die geschuldete Leistung nicht bewirkt. Da er weiterhin die Geschäftsunterlagen im Original oder in Fotokopie in seinem Besitz behalten hat, ist der Herausgabeanspruch nicht erfüllt worden.
26b) Der Herausgabeanspruch ist auch nicht dadurch erfüllt worden, dass der Beklagte die Unterlagen mit Schreiben vom zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil der Klägerin zugeleitet hat.
27Ein Schuldverhältnis erlischt erst, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger endgültig bewirkt worden ist (§ 362 Abs. 1 BGB). Hieran fehlt es, wenn der Schuldner ohne Anerkennung seiner Schuld unter dem Vorbehalt einer Rückforderung ohne Veränderung der den Gläubiger treffenden Beweislast seine Leistung erbringt ( - Rn. 5, WuM 2009, 57; - XI ZR 36/98 - zu II 2 c dd der Gründe, BGHZ 139, 357; - VIII ZR 315/81 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 86, 267). Ein solcher Vorbehalt ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Leistung des Schuldners an den Gläubiger aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgt ( - Rn. 5, aaO; - LwZR 6/05 - Rn. 19, NJW 2007, 1269; - VIII ZR 315/81 - zu II 1 der Gründe, aaO). Angesichts des anhängigen Berufungsverfahrens und Hinweises im Schreiben des Beklagten vom , es werde zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung geleistet, liegt keine endgültige Bewirkung der Leistung vor.
284. Der Herausgabeanspruch ist auch nicht aufgrund der Ausgleichsklausel in § 16 der Aufhebungsvereinbarung vom erloschen. Der aus § 667 BGB folgende Herausgabeanspruch wird von der Ausgleichsklausel, dass „mit der Erfüllung dieses Vertrages … alle wechselseitigen Ansprüche der vertragschließenden Parteien aus dem Dienstverhältnis gegenseitig abgegolten“ sind, nicht erfasst. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen. Seine Auslegung der Klausel begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken (vgl. zur revisionsrechtlichen Überprüfung der Auslegung von Ausgleichsklauseln: (F) - Rn. 23 mwN, AP HGB § 74 Nr. 81).
29a) Zu den „Ansprüchen der vertragschließenden Parteien aus dem Dienstverhältnis“ gehören grundsätzlich alle Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien gegeneinander haben. Maßgeblich ist der Bereich, in dem der Anspruch entsteht, nicht seine materiell-rechtliche Grundlage. Hat ein Anspruch seinen Grund in der arbeitsvertraglichen Beziehung der Parteien, ist er ein Anspruch aus dem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis ( - Rn. 13, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 9). Dementsprechend werden nicht nur die sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebenden Ansprüche von der Ausgleichsklausel erfasst, sondern beispielsweise auch wechselseitige Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ( (F) - Rn. 26, AP HGB § 74 Nr. 81; - 3 AZR 383/82 - zu II 1 der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 87 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 61) oder Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung ( - Rn. 21, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192).
30Mit einer Ausgleichsklausel im Rahmen einer detaillierten Aufhebungsvereinbarung wollen die Parteien regelmäßig ihr Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie bei Vergleichsschluss an sie gedacht haben oder nicht ( - Rn. 24, AP EntgeltFG § 5 Nr. 9; - 10 AZR 174/03 - zu II 2 a bb der Gründe, AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 50 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 2). Allerdings werden von Ausgleichsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, die vor dem in der Aufhebungsvereinbarung geregelten Beendigungszeitpunkt vereinbart werden, solche Forderungen regelmäßig nicht erfasst, die im fortbestehenden Arbeitsverhältnis zeitlich nach Vereinbarung der Ausgleichsklausel entstehen oder zwar bereits entstanden sind, jedoch von den Parteien eines Aufhebungsvertrages typischerweise nicht bedacht werden (können) (vgl. - Rn. 24, aaO). Gerade bei in die Zukunft gerichteten Aufhebungsvereinbarungen bestehen die arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten fort. Deshalb bezwecken die Parteien bei einem in der Zukunft liegenden Beendigungstermin regelmäßig nicht, ein noch nicht beendetes Arbeitsverhältnis mit dem Aufhebungsvertrag vollständig zu suspendieren und abzuwickeln; anderes gilt nur, wenn sich hierfür aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien deutliche Anhaltspunkte ergeben.
31b) Die Ausgleichsklausel in § 16 der Aufhebungsvereinbarung erfasst den Herausgabeanspruch nicht.
32aa) Die Aufhebungsvereinbarung vom regelt eine erst in der Zukunft liegende Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Die Parteien beabsichtigten, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum oder zu einem früheren Termin zu beenden. Der Ausgleichsklausel kommt in diesem Zusammenhang keine umfassende Bedeutung zu. Sie sollte nicht unabhängig vom weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses alle künftigen Ansprüche erfassen. Dafür spricht auch die Formulierung „mit der Erfüllung dieses Vertrages“, die die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertragsverhältnisses bis zum beinhaltet. Die weitere Formulierung „sind ... abgegolten“ legt nahe, dass eine endgültige Bereinigung speziell der umfangreich geregelten finanziellen Ansprüche beabsichtigt war. Hinzu kommt, dass ein Arbeitgeber bei der Vereinbarung eines auf die künftige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Aufhebungsvertrags mit Ausgleichsklausel typischerweise nicht bedenken muss, dass ein Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellten oder an sich genommenen Geschäftsunterlagen nach seinem Ausscheiden nicht im räumlichen Machtbereich des Arbeitgebers belässt oder dorthin zurückführt, sondern sie abredewidrig mit nach Hause nimmt und behält. Vielmehr deutet die in § 7 der Aufhebungsvereinbarung geregelte Verpflichtung zur Wahrung von Dienstgeheimnissen darauf hin, dass die Klägerin auf ihren Anspruch auf Herausgabe von (vertraulichen) Geschäftsunterlagen aufgrund der Ausgleichsklausel nicht verzichten wollte.
33bb) Entgegengesetzte Anhaltspunkte für ein umfassendes Verständnis der Ausgleichsklausel ergeben sich auch nicht aus dem weiteren Inhalt der Aufhebungsvereinbarung. Sie enthält erkennbar keine abschließende Regelung über die wechselseitigen Rechte und Pflichten des abzuwickelnden Arbeitsverhältnisses.
34cc) Aus den konkreten Begleitumständen beim Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Verzicht der Klägerin auf den streitgegenständlichen Herausgabeanspruch. Gegen einen solchen Verzicht spricht zudem das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss. Der Beklagte hat die ihm zur Verfügung gestellten Gegenstände (Schlüssel, Kreditkarte, Dienstwagen und Laptop) zurückgegeben, die Klägerin hat die Arbeitspapiere ausgehändigt und die letzten Tankkosten übernommen. Dies zeigt, dass beide Parteien, mithin auch der Beklagte, nach wie vor vom Be- und Entstehen weiterer gegenseitiger Ansprüche aus dem Dienstverhältnis ausgingen.
35II. Die Klägerin kann Auskunft vom Beklagten entsprechend § 666 BGB verlangen, welche Geschäftsunterlagen er über die im Klageantrag zu Ziff. I genannten Unterlagen hinaus noch in seinem Besitz hat, gleich ob im Original, in Kopie, als EDV-Dateien oder in sonstiger Speicherung.
361. Kommt der Arbeitnehmer seiner Rückgabepflicht nicht nach und bestehen Zweifel über den Umfang der in seinem Besitz befindlichen Geschäftsunterlagen, hat der Arbeitgeber neben den Herausgabeansprüchen in entsprechender Anwendung von § 666 BGB einen Anspruch auf Auskunftserteilung (Schaub/Linck 14. Aufl. § 150 Rn. 2; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 23).
372. Solche Zweifel bestehen. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass der Beklagte über die konkret herausverlangten Geschäftsunterlagen hinaus weitere Unterlagen besitzt, die die Klägerin im Einzelnen nicht identifizieren kann, deren Existenz aber anhand des Inhalts des von dem Beklagten erstellten Ordners erkennbar ist.
383. Auch der Auskunftsanspruch wird aus den bereits dargelegten Gründen (oben unter I 4) nicht von der Ausgleichsklausel der Aufhebungsvereinbarung erfasst.
394. Durch seine Erklärung im Schreiben vom hat der Beklagte den Auskunftsanspruch nicht iSv. § 362 BGB erfüllt.
40Er hat zwar unter Bezug auf Ziff. 2 des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils erklärt, er habe über die in der Anlage des Schreibens übergebenen Unterlagen hinaus Geschäftsunterlagen der Klägerin weder im Original noch in Kopie noch als EDV-Dateien oder in sonstiger Speicherung in seinem Besitz. Aus dem Schreiben („Hier: Urteilserfüllung zur Vermeidung einer Zwangsvollstreckung …“) ergibt sich jedoch, dass er diese Erklärung nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung abgegeben hat. Ein endgültiges Bewirken der geschuldeten Leistung liegt damit nicht vor. Der Streit der Parteien über das Bestehen des Anspruchs ist deshalb durch die Erklärung des Beklagten nicht gegenstandslos geworden (vgl. IVa ZR 138/83 - zu IV 2 der Gründe, BGHZ 94, 268; - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 23 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 17; aA - zu III 2 d der Gründe).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2012 S. 1098 Nr. 19
MAAAE-05762