BGH Beschluss v. - 3 StR 203/11

Hehlerei und Titelmissbrauch: Abgeschlossene Vortat als Voraussetzung einer Hehlerei; unbefugtes Führen eines Doktortitels

Gesetze: § 25 StGB, § 27 StGB, § 132a StGB, § 259 Abs 1 StGB

Instanzenzug: Az: 96 KLs 7/11

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Serie von 18 Taten der Hehlerei, der Urkundenfälschung und des Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf zwei Verfahrensrügen und die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Während die Verfahrensbeanstandungen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufzeigen, führt die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils zu dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg des Rechtsmittels und zu einer teilweisen Erstreckung der Urteilsaufhebung auf die Mitangeklagten, die keine Revision eingelegt haben.

21. In einer Reihe von Fällen wird der gegen den Angeklagten ergangene Schuldspruch von den in den Urteilsgründen mitgeteilten Feststellungen nicht getragen. Dies führt insoweit zur Aufhebung des Urteils. Hierzu im Einzelnen:

3a) Nach den Feststellungen zu Fall II. 1 wurde ein Pkw Range Rover, der im Eigentum der W.        GmbH stand, "unter nicht geklärten Umständen an einen I.          vermietet", der allerdings, weil zum Zeitpunkt der Vermietung im Strafvollzug einsitzend, nicht als Mieter in Frage kam. Vielmehr "verschaffte" sich der gesondert verfolgte H.    den Wagen. Später "übernahmen" der Angeklagte sowie der Nichtrevident J.     das Fahrzeug von H.     , nutzten es und beabsichtigten, es im Auftrag des H.       zu verkaufen, "wobei ihnen bekannt war, dass" dieser "kein Recht zum Besitz oder Weitergabe des PKW innehatte".

4Damit ist die für die Verurteilung wegen Hehlerei erforderliche Vortat - ein Diebstahl oder ein anderes Vermögensdelikt - nicht festgestellt. Die Art und Weise, in der H.       in den Besitz des Fahrzeugs gelangte, ist offen geblieben. Es ist damit denkbar, dass die von § 259 Abs. 1 StGB vorausgesetzte rechtswidrige Besitzlage zum Zeitpunkt der Übernahme des Wagens durch den Angeklagten und den Nichtrevidenten J.      noch nicht vorlag, H.     erst durch die Weitergabe des Fahrzeugs mit dem Auftrag, dieses zu veräußern, eine Unterschlagung beging und dieses erst damit im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB erlangte. Die gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat muss jedoch abgeschlossen sein, bevor die Hehlerei begangen wird. Ist dies nicht der Fall, so liegt nur Beihilfe zu der Vortat vor (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 259 Rn. 8 mwN).

5b) Im Fall II. 7 belegen die Feststellungen ebenfalls nicht die ausgeurteilte Hehlerei. Danach "verschaffte sich der gesondert verfolgte         M.   … auf ungeklärte Weise" einen Pkw Mercedes Benz, der zuvor von einem Dritten in Düsseldorf gemietet und später als gestohlen gemeldet worden war. M.   ließ das Fahrzeug zu dem gesondert verfolgten S.       verbringen, der den Wagen nutzte und mit dem Angeklagten dessen weiteren Absatz besprach. Der Angeklagte sagte zu, den Wagen zu fotografieren. Er verlangte von einem Dritten eine Kopie des Kraftfahrzeugbriefs und wies den Mitangeklagten J.     an, das Fahrzeug im Internet zu inserieren. Vor einem Verkauf des dem Angeklagten "nicht gehörenden und unterschlagenen PKW" wurde das Fahrzeug polizeilich sichergestellt.

6Danach ist es möglich, dass M.    den Wagen ohne Kenntnis der Unterschlagung gutgläubig erworben hatte und die Weitergabe an S.       daher ohne Einverständnis eines Vortäters geschah (vgl. Fischer aaO Rn. 13).

7c) Nach den Feststellungen zum Fall II. 8 "verschaffte sich" der gesondert verfolgte G.    den Pkw BMW X6, der "aus einem Versicherungsbetrug" stammte. In Kenntnis dieses Betruges übernahm der Angeklagte das Fahrzeug, nutzte es und versuchte es zu verkaufen. Auch hier fehlt es an der hinreichenden Feststellung einer Vortat.

8Es besteht die Möglichkeit, dass der Versicherungsbetrug vom Eigentümer des Wagens begangen worden ist. In diesem Fall wäre der Wagen weder durch Diebstahl noch durch ein sonstiges Vermögensdelikt erlangt worden. Die betrügerische Geltendmachung eines Versicherungsschadens durch den Eigentümer als Versicherungsnehmer führt ebenso wenig wie ein Versicherungsmissbrauch zu einer Änderung der bestehenden Eigentumslage bzw. zu einer rechtswidrigen Besitzlage am Fahrzeug. Vielmehr kann der Versicherungsnehmer trotz Begehung einer der vorgenannten Straftaten weiterhin als Berechtigter über die versicherte Sache verfügen (, NStZ 2005, 447 mwN).

9d) Im Fall II. 12 belegen die Feststellungen nicht die ausgeurteilte Urkundenfälschung. Danach wollten der Angeklagte und der Nichtrevident A.   unter Vorspiegelung von Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit einen Pkw VW Tiguan erwerben. Als Käufer trat der gesondert verfolgte Gr.    auf. Dieser erhielt im Auftrag des Angeklagten vom Nichtrevidenten "in Dateiform das Abbild des gefälschten Personalausweises von '     N.      ' und drei gefälschte Gehaltsabrechnungen der 'Wo.    AG', welche der Angeklagte im November 2009 besorgt hatte. Gr.      übersandte die Unterlagen an den Autohändler per E-Mail für die Finanzierung."

10Danach bleibt offen, was dem Autohändler zur Vorbereitung des Vertragsschlusses vorgelegt und wovon somit zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht worden ist (§ 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB). Ein Ausdruck der Datei wäre keine Urkunde. Das Vorlegen eines solchen Ausdrucks kann nur dann das Gebrauchmachen von einer gefälschten Urkunde darstellen, wenn überhaupt jemals eine solche (falsche oder verfälschte) Urkunde vorgelegen hat (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 267 Rn. 19). Hierzu fehlt es an einer Feststellung. Es bleibt unklar, ob sich der Angeklagte unechte oder verfälschte Urkunden oder nur eine Datei von ihnen beschafft hatte.

11Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Urkundenfälschung ergreift auch die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Betrugsversuchs.

12e) Nach den Feststellungen im Fall II. 14 veranlasste der Angeklagte den gesondert verfolgten Mü.  , sich bei einem Verkaufsgespräch über einen Pkw BMW X5 gegenüber den Mitarbeitern eines Autohauses als "Dr. E.      "      auszugeben und die Kauf- und Finanzierungsverträge mit diesem Namen zu unterschreiben. Damit ist der Schuldspruch wegen Missbrauchs von Titeln in Form des unbefugten Führens akademischer Grade (§ 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB) nicht belegt. Den Tatbestand des § 132a StGB erfüllt nicht jede unbefugte Inanspruchnahme eines Titels oder einer Berufsbezeichnung. Der Täter muss vielmehr Titel oder Berufsbezeichnung unter solchen Umständen verwenden, dass das durch § 132a StGB geschützte Rechtsgut gefährdet wird (, BGHSt 31, 61). Geschützt wird die Allgemeinheit davor, dass einzelne im Vertrauen darauf, dass eine bestimmte Person eine bestimmte Stellung hat, Handlungen vornehmen könnten, die für sie oder andere schädlich sein können. Der Schutzzweck der Vorschrift erfasst also nicht schon "den rein äußerlichen Missbrauch, durch den sich der Täter einen falschen Schein gibt" (BGH aaO). Es ist nicht festgestellt, dass die Titelführung zu dem Zweck geschah, dadurch eine erhöhte Seriosität des Kaufinteressenten vorzutäuschen. Naheliegend wurde der Titel geführt, weil die bei der Tat verwendeten gefälschten Gehaltsnachweise sowie der Personalausweis auf diesen Namen und diesen akademischen Grad lauteten und es deshalb notwendig erschien, sich bei der Vorstellung auch dessen zu bedienen.

13Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Titelmissbrauchs zieht die Aufhebung der tateinheitlich abgeurteilten Straftaten mit sich.

142. Auch im Fall II. 4 hält die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen übergab der gesondert verfolgte Ne.    den von ihm geleasten BMW X5 unberechtigt an den Angeklagten weiter, der den Wagen verkaufen und von seinem Erlösanteil einen überwiegenden Teil seines Lebensunterhalts finanzieren wollte. Da die Unterschlagung des Fahrzeugs mit der Erlangung des Wagens durch den Angeklagten zusammenfiel, die Vortat aber der Hehlerei vorangehen muss, hat sich der Angeklagte nur wegen Beihilfe zur Unterschlagung strafbar gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch. Dies führt wegen des gegenüber § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB deutlich geringeren Strafrahmens des § 246 Abs. 1, §§ 27, 49 Abs. 1 StGB zur Aufhebung der Einzelstrafe.

153. Der Wegfall von sechs Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

164. In den Fällen II. 16 und 21 hat das Landgericht, wie es in den Urteilsgründen selbst mitteilt, den Angeklagten jeweils irrtümlich wegen gewerbsmäßiger Bandenurkundenfälschung in Tateinheit mit (nur) versuchtem gewerbsmäßigem Bandenbetrug verurteilt. Der Senat ändert deshalb die Schuldsprüche. Dies hat keine Auswirkung auf die beiden Einzelstrafen.

175. Im Fall II. 3 hat der Senat die Bezeichnung der in Tateinheit stehenden Urkundenfälschung und des versuchten Betrugs als "gewerbsmäßig" begangen jeweils gestrichen. Bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB und § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB handelt es sich jeweils um benannte Regelbeispiele für die Annahme eines besonders schweren Falles. Diese finden - anders als z.B. die Qualifikation der gewerbsmäßigen Hehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB) - keine Erwähnung im Schuldspruch (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rn. 25 mwN).

186. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Durch die Annahme nur einer Tat der Urkundenfälschung im Fall II. 17 ist der Angeklagte nicht beschwert. Gleiches gilt, soweit er in den Fällen II. 22 und 23 nicht auch wegen Betrugs verurteilt worden ist.

197. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils in den Fällen II. 12 und 14 auf den Nichtrevidenten A.   und in den Fällen II. 1, 7 und 8 auf den Nichtrevidenten J.     zu erstrecken. Dies führt auch bei diesen zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.

20Eine Schuldspruchänderung bezüglich der Nichtrevidenten in den Fällen II. 16 und 21 kam nicht in Betracht, da insoweit das Urteil nicht zugunsten des Revidenten aufgehoben worden ist.

218. Die angefochtene Entscheidung veranlasst den Senat zu dem Hinweis, dass im Fall der Verurteilung die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Von der Beachtung dieser Anforderungen ist das Gericht auch dann nicht entbunden, wenn dem Urteil - wie hier - eine Verständigung vorausgegangen ist; auch in diesen Fällen ist ein Mindestmaß an Sorgfalt bei der Feststellung des Sachverhalts erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 226/10, NStZ-RR 2011, 52 (LS); vom - 5 StR 594/10, juris; vom - 2 StR 428/10, StV 2011, 608; vom - 1 StR 154/11, juris).

Becker                           Pfister                              von Lienen

                 Hubert                            Schäfer

Fundstelle(n):
GAAAE-03100