BAG Beschluss v. - 5 AZN 1358/11

Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - Rechtliches Gehör

Gesetze: § 72 Abs 2 Nr 2 ArbGG, § 72 Abs 2 Nr 3 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 Nr 2 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 Nr 3 ArbGG, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: ArbG Senftenberg Az: 1 Ca 309/10 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 15 Sa 586/11 Urteil

Gründe

1I. Die Parteien streiten über die Auszahlung der sog. ERA-Strukturkomponente für das Jahr 2009. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, in der schriftlichen Urteilsbegründung jedoch zu erkennen gegeben, es halte seine Entscheidung zwischenzeitlich für falsch. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

2II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG.

31. Der Kläger hat eine Divergenz nicht aufgezeigt.

4a) Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Divergenzbeschwerde gehört, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte anführt und darlegt, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht ( - BAGE 78, 373, 375). Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG müssen diese Voraussetzungen in der Begründung der Beschwerde dargelegt und die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden ( - BAGE 114, 200). Allein die Darlegung einer fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte reicht zur Begründung einer Divergenzbeschwerde nicht aus (vgl.  - AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 76).

5b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung mit ihrem Vorbringen, eine andere Kammer des Berufungsgerichts habe in einer Parallelsache ein der dortigen Klage stattgebendes Urteil verkündet, nicht. Die angezogene Entscheidung ( -) ist nicht divergenzfähig. Abweichen iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG kann nur eine spätere Entscheidung von einer früheren ( - AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 6 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 3). Zudem können Rechtssätze nur in dem schriftlich abgefassten, von sämtlichen Mitgliedern der Kammer unterschriebenen Berufungsurteil (§ 69 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) enthalten sein, nicht aber aus einer mündlichen Urteilsbegründung des Kammervorsitzenden abgeleitet werden.

62. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt.

7a) Nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt ( - BAGE 114, 200, 203). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl.  - Rn. 19, NZA 2009, 53;  - Rn. 3, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 74 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 43). Der Beschwerdeführer hat nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG die von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret zu benennen und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung und ihre Auswirkungen auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzuzeigen. Unzulässig ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt ( - EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 119; - 9 AZN 792/06 - BAGE 121, 52).

8b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger befasst sich zwar unter Wiedergabe einschlägiger Rechtsprechung (vgl. zB  - Rn. 10 ff. mwN, NZA 2011, 939) ausführlich mit der grundsätzlichen Bedeutung als solcher, benennt aber keine einzige entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die das Berufungsgericht zu seinen Lasten beantwortet hätte. Das Landesarbeitsgericht hat nach seiner vom Kläger wiedergegebenen Einschätzung den Inhalt eines Tarifvertrags nicht vollständig erkannt und ist dadurch zu einer fehlerhaften Rechtsanwendung gekommen. Das könnte aber erst im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüft werden.

93. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht aufgezeigt.

10a) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr zu dessen Voraussetzungen substantiiert vorzutragen ( - BAGE 113, 195; - 1 ABN 1/05 - BAGE 114, 157). Das Revisionsgericht muss dadurch in die Lage versetzt werden, allein anhand der Lektüre der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Voraussetzungen für die Zulassung prüfen zu können.

11b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger macht selbst nicht geltend, das Landesarbeitsgericht habe von ihm gehaltenen Sachvortrag, für die Entscheidung erhebliche Rechtsausführungen oder Beweisangebote übergangen. Der vorgebrachte Fehler des Landesarbeitsgerichts ist ungeeignet, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darzulegen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben ( - Rn. 25 mwN, EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt aber nicht davor, dass ein Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Normen oder Normgefüge nicht sorgfältig genug liest und ihm dadurch ein Rechtsfehler unterläuft. Auch ist das Gericht vor Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht zur Offenlegung seiner Rechtsauffassung verpflichtet ( (F) - Rn. 5 mwN, BAGE 118, 229), zumal der Kläger nicht darlegt, inwieweit es ihm nicht möglich gewesen ist, die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts generell oder seine Einschätzung zu den im Streitfall anzuwenden Tarifverträgen im Speziellen in der Berufungsverhandlung zu erfragen.

12III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.

Fundstelle(n):
NJW 2012 S. 1164 Nr. 16
ZAAAE-02703