Stufenzuordnung - tarifliches Schlechterstellungsverbot
Gesetze: § 1 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 133 BGB, § 157 BGB
Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 4 Ca 3973/08 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 5 Sa 379/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin seit dem Vergütung gemäß der Stufe 2 der Entgeltgruppe U 9* oder der Stufe 3 der Entgeltgruppe U 9* des von der Beklagten und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am abgeschlossenen Haustarifvertrags für das nichtärztliche Personal des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden (UKD) an der Technischen Universität Dresden (HTV) zusteht.
Die Beklagte ist ein Universitätsklinikum in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Am kam zwischen ihr und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nicht nur der HTV, sondern auch der Tarifvertrag zur Regelung des Überleitungsrechts für das nichtärztliche Personal des UKD (HTV-Ü) zustande. Abschnitt II dieses Tarifvertrags regelt unter der Überschrift „Überleitungsregelungen“ ua. Folgendes:
§ 13 HTV regelt:
Die im HTV und im HTV-Ü geregelten Entgeltgruppen- und Stufenzuordnungen führten in Einzelfällen dazu, dass ab dem von der Beklagten neu eingestellte Beschäftigte eine höhere Vergütung erhielten als in den HTV übergeleitete Beschäftigte, die dieselbe Tätigkeit ausübten und über dieselbe Berufserfahrung verfügten. So wurde zB ein seit fünf Jahren bei der Beklagten Beschäftigter mit einem Vergleichsentgelt iHv. 1.685,00 Euro brutto der Stufe 1 der Entgeltgruppe U 8 zugeordnet, während die Zuordnung eines ab dem neu eingestellten Beschäftigten mit derselben Qualifikation und Berufserfahrung zur Stufe 3 der Entgeltgruppe U 8 erfolgte. Dies führte zu einer monatlichen Bruttovergütung des neu eingestellten Beschäftigten iHv. 1.960,00 Euro brutto. Nachdem die Tarifvertragsparteien diese mögliche Benachteiligung übergeleiteter Beschäftigter erkannt hatten, unterzeichneten sie am folgende Gemeinsame Erklärung:
5Die Klägerin, die seit dem in einer privaten radiologischen Praxis als medizinisch-technische Radiologieassistentin beschäftigt war, übt seit dem bei der Beklagten dieselbe Tätigkeit aus. In § 1 des von der Beklagten am und von der Klägerin am unterzeichneten Arbeitsvertrags ist vereinbart, dass die Klägerin ab dem unbefristet weiterbeschäftigt wird. Eine Bezugnahme auf die Bestimmungen des BAT-O enthält der Arbeitsvertrag nicht. Im Rahmen der Überleitung in den HTV wurde die Klägerin zunächst fiktiv zum in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 24, des Teils II Abschnitt D der Vergütungsordnung zum BAT-O eingruppiert und dann berücksichtigt, dass die Klägerin aufgrund der Dauer ihrer Tätigkeit bei der Beklagten zum in die Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 25, des Teils II Abschnitt D BAT-O aufgestiegen wäre. Diese Vergütungsgruppe ist nach erfolgtem Aufstieg aus der Vergütungsgruppe V c BAT-O gemäß der Anlage 1 zum HTV-Ü der Entgeltgruppe U 9* zugeordnet.
6Die Beklagte teilte der Klägerin in ihrem Schreiben vom mit, dass sie aufgrund des ermittelten Vergleichsentgelts iHv. 1.678,91 Euro mit Wirkung zum in die Entgeltgruppe U 9*, Stufe 1, eingruppiert sei. Diese Eingruppierung und Zuordnung zur Stufe 1 führte zu einer monatlichen Vergütung iHv. 1.803,00 Euro brutto. Wäre die Klägerin von der Beklagten zum neu eingestellt worden, hätte ihr Vergütung der Entgeltgruppe U 8, Stufe 3, iHv. monatlich 1.960,00 Euro brutto zugestanden. Die Beklagte änderte die Stufenzuordnung der Klägerin und ordnete die Klägerin rückwirkend zum der Stufe 2 der Vergütungsgruppe U 9* zu. Dies führte zu einer monatlichen Vergütung der Klägerin iHv. 2.004,00 Euro brutto nach ihrer Überleitung in den HTV. Nach der Anlage 1 zum HTV/Tabelle 2007 beträgt die Vergütung der Entgeltgruppe U 9*, Stufe 3, monatlich 2.109,00 Euro brutto. Beschäftigte, die aus der Vergütungsgruppe V c BAT-O nach dreijähriger Bewährung in der Tätigkeit in die Vergütungsgruppe V b BAT-O aufgestiegen sind und der Entgeltgruppe U 9* zugeordnet wurden, erreichen gemäß der Anlage 1 zum HTV/Tabelle 2007 die Stufe 3 dieser Entgeltgruppe nach fünf Jahren in der Stufe 2 dieser Entgeltgruppe.
7Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe sie ab dem nach der Stufe 3 der Entgeltgruppe U 9* zu vergüten. Bei der Gemeinsamen Erklärung vom handele es sich um einen Tarifvertrag. Bei einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren erfolge nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 2 HTV die Zuordnung mindestens zur Stufe 3, und zwar unabhängig von der zuvor ermittelten Entgeltgruppe. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin. Hätten die Tarifvertragsparteien eine Stufenzuordnung in Abhängigkeit von der jeweiligen Entgeltgruppe gewollt, hätten sie dies regeln können. Sie hätten jedoch die mit der Zuordnung zur Stufe 3 verbundene Besserstellung der Klägerin offenbar bewusst in Kauf genommen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
9Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht der Stufe 3 der Entgeltgruppe U 9* zuzuordnen. Die Tarifvertragsparteien hätten mit der Gemeinsamen Erklärung vom nur finanzielle Schlechterstellungen der bereits zum Überleitungszeitpunkt bei ihr beschäftigten Mitarbeiter gegenüber neu eingestellten Mitarbeitern vermeiden wollen. Eine finanzielle Schlechterstellung der Klägerin werde aber bereits durch ihre Zuordnung zur Stufe 2 der Entgeltgruppe U 9* vermieden. Mit der von den Tarifvertragsparteien in der Gemeinsamen Erklärung angeordneten Einzelfallprüfung sollten nur Schlechterstellungen der den Stufen 1 oder 2 zugeordneten übergeleiteten Beschäftigten ausgeschlossen werden, jedoch Beschäftigte nicht „blind“ und ohne Berücksichtigung ihrer Eingruppierung einer höheren Entgeltstufe zugeordnet werden. Von Bedeutung sei, dass die Klägerin nur aufgrund der Berücksichtigung ihres fiktiven Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe V b BAT-O in die Entgeltgruppe U 9* eingruppiert sei und bei einer Einstellung nach dem Überleitungszeitpunkt nur in die Entgeltgruppe U 8, Stufe 3, einzugruppieren gewesen wäre. Bei einer Zuordnung der Klägerin zur Stufe 3 der Entgeltgruppe U 9* würde ihre Berufserfahrung doppelt berücksichtigt. Dies entspräche nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien. Die für den Bewährungsaufstieg erforderlichen drei Jahre Berufserfahrung seien deshalb in Abzug zu bringen. Die Systematik des HTV bestätige das Auslegungsergebnis. Der HTV sehe entgeltgruppenunabhängige Stufen nicht vor. Eine von der Entgeltgruppe und damit von der Entgeltsumme losgelöste Schlechterstellung sei nicht denkbar. Wenn die Gemeinsame Erklärung vom anordne, dass übergeleitete Beschäftigte mindestens der Stufe zuzuordnen sind, die sich entsprechend ihrer einschlägigen Berufserfahrung gemäß § 13 Abs. 2 HTV ergibt, führe dies bei der Klägerin zu dem Ergebnis, dass sie mindestens der Stufe 3 der Entgeltgruppe U 8 zuzuordnen wäre. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Gemeinsame Erklärung überhaupt keine Ansprüche der Klägerin begründe. Diese Erklärung sei nicht als Tarifvertrag zu qualifizieren. Das werde schon aus ihrer Bezeichnung deutlich. Darüber hinaus zeige auch die Formulierung in der Überschrift „zur Umsetzung des § 5 HTV-Ü“, dass die Tarifvertragsparteien keine weitere bzw. keine die tariflichen Bestimmungen ergänzende normativ wirkende tarifliche Regelung hätten treffen wollen. Mit der angeordneten Einzelfallprüfung hätten sie der Beklagten einen Spielraum bei der Anwendung des Tarifrechts eingeräumt. Die Gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien vom sei auch kein Vertrag zugunsten Dritter. Allenfalls könne die Klägerin aus der Gemeinsamen Erklärung einen Anspruch auf eine Einzelfallprüfung in ihrem Fall ableiten.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin Zinsen auf die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen den Stufen 2 und 3 der Entgeltgruppe U 9* von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel auf Klagabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Gründe
11Die Revision der Beklagten hat nur im Hinblick auf einen Teil des Zinsausspruches Erfolg. Im übrigen ist die Klage begründet. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
12I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien über die Stufenzuordnung im Anspruchszeitraum endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann von der Beklagten als Anstalt des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass sie einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird und der Klägerin die Differenz zwischen der Vergütung der Stufe 2 und der Vergütung der Stufe 3 der Entgeltgruppe U 9* der Anlage 1 zum HTV/Tabelle 2007 zahlt (vgl. - Rn. 14 mwN, AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 78 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 3). Darüber, dass sich die Vergütung der Klägerin nach diesem Tarifvertrag richtet, besteht zwischen den Parteien kein Streit.
13II. Der Klägerin steht die beanspruchte Vergütung der Stufe 3 der Entgeltgruppe U 9* der Anlage 1 zum HTV/Tabelle 2007 gemäß Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung der Tarifvertragsparteien vom iVm. § 13 Abs. 2 Satz 2 HTV zu.
141. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Gemeinsamen Erklärung der Tarifvertragsparteien vom um einen normativ wirkenden Tarifvertrag, soweit Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 regelt, dass die von der Gemeinsamen Erklärung erfassten übergeleiteten Beschäftigten mindestens der Stufe zuzuordnen sind, die sich entsprechend ihrer einschlägigen Berufserfahrung gemäß § 13 Abs. 2 HTV ergibt. Insoweit ist die Gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien vom deshalb nach Wortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang auszulegen ( - Rn. 13, ZTR 2011, 369; - 6 AZR 962/08 - Rn. 17, EzTöD 300 TVÜ-Bund § 12 Nr. 1).
15a) Welche Kriterien für die Auslegung von Vereinbarungen zwischen Tarifvertragsparteien angewandt werden, richtet sich nach dem Charakter der Vereinbarung. Haben die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag mit Rechtsnormen vereinbart, sind diese nach der objektiven Methode auszulegen. Handelt es sich um einen rein schuldrechtlichen Tarifvertrag oder um einen nichttariflichen sonstigen Vertrag, ist er nach der subjektiven Methode wie ein Vertrag auszulegen. Die gesetzlichen Kriterien hierfür finden sich in den §§ 133, 157 BGB. Ist umstritten, ob es sich um einen Tarifvertrag oder um eine sonstige nichttarifliche Vereinbarung handelt, ist der Inhalt und damit die Charakterisierung anhand des zu ermittelnden Willens der Parteien festzustellen ( - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21). Die objektive Auslegung ist erst dann vorzunehmen, wenn feststeht, dass es sich um ein Normenwerk handelt ( - Rn. 25, AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43; - 4 AZR 232/03 - BAGE 110, 164, 171). Insoweit unterliegt der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrags anderen Auslegungskriterien als der normative Teil, denn im schuldrechtlichen Teil eines Tarifvertrags werden lediglich Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien geregelt. Normative Wirkung entfaltet er nicht. Dies gilt erst recht für nichttarifvertragliche Vereinbarungen der Parteien, in denen gleichfalls verbindliche Festlegungen getroffen werden sollen, die jedoch keine Außenwirkung entfalten, insbesondere keine eigenständigen Normen setzen, die für die Arbeitsverhältnisse der Tarifunterworfenen zwingend und unmittelbar gelten. Ob die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag mit Rechtsnormen abschließen oder eine andersartige schriftliche Vereinbarung treffen wollten, ist in Zweifelsfällen nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln ( - Rn. 19, aaO; - 4 AZR 272/05 - aaO; - 4 AZR 232/03 - aaO; - 4 AZR 224/80 - BAGE 41, 307, 314).
16b) Der Beklagten ist einzuräumen, dass die Worte „Gemeinsame Erklärung“ sowie die Formulierung „zur Umsetzung des § 5 HTV-Ü“ in der Überschrift der Einigung der Tarifvertragsparteien vom gegen die Annahme einer tariflichen Regelung mit normativem Charakter sprechen könnten. Allerdings ist die Einordnung einer vertraglichen Einigung von Tarifvertragsparteien als Tarifvertrag nicht davon abhängig, dass diese ihre Vereinbarung auch als Tarifvertrag bezeichnen ( - Rn. 27, AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43). Auch ein als „Vereinbarung“ bezeichneter Vertrag kann ein Tarifvertrag sein, wenn dies nicht dem erklärten Willen der tariffähigen Vertragspartner widerspricht ( - BAGE 87, 45, 56). Für eine von tariffähigen Vertragsparteien als Gemeinsame Erklärung bezeichnete Einigung gilt nichts anderes, wenn diese Einigung der Sache nach als Tarifvertrag anzusehen ist und wie hier die nach § 1 Abs. 2 TVG erforderliche Schriftform gewahrt ist.
17c) Gemäß § 1 Abs. 1 TVG regelt der Tarifvertrag die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. Wenn die Tarifvertragsparteien in Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung vom ausdrücklich angeordnet haben, dass die von der Erklärung erfassten übergeleiteten Beschäftigten mindestens der Stufe zuzuordnen sind, die sich entsprechend ihrer einschlägigen Berufserfahrung gemäß § 13 Abs. 2 HTV ergibt, haben sie dem Wortlaut nach eine Regelung getroffen, die die Stufenzuordnung der Beschäftigten und damit ihre Vergütung betrifft. Eine solche auf das Austauschverhältnis der Arbeitsvertragsparteien zielende Regelung wirkt bei beiderseitiger Tarifgebundenheit gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis ein, legt den Inhalt von Arbeitsbedingungen fest und ordnet somit normativ den Inhalt des Arbeitsverhältnisses iSv. § 1 Abs. 1 TVG.
18d) Sinn und Zweck der Regelung geben kein anderes Auslegungsergebnis vor, sondern bestätigen den normativen Charakter der Stufenzuordnung in Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung vom . Die Tarifvertragsparteien haben in Abs. 3 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung zum Ausdruck gebracht, dass sie übergeleitete Beschäftigte gegenüber ab dem neu eingestellten Beschäftigten nicht schlechter stellen wollten. Aus Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien Benachteiligungen von übergeleiteten Beschäftigten, die aufgrund ihres Vergleichsentgelts nicht mindestens der Stufe 3 der ermittelten Entgeltgruppe zuzuordnen waren, beseitigen wollten. Dieses Ziel konnten sie mit der vorgesehenen Einzelfallprüfung allein nicht erreichen. Eine bloße Überprüfung seiner Stufenzuordnung hebt eine Benachteiligung eines übergeleiteten Beschäftigten noch nicht auf. Zur Beseitigung der Schlechterstellung ist vielmehr eine Änderung der Entgeltgruppen- und/oder Stufenzuordnung erforderlich, wenn die Vergütungsdifferenz nicht auf andere Art und Weise, zB eine Zulage, ausgeglichen wird. Deshalb trägt auch das Argument der Beklagten nicht, die Tarifvertragsparteien hätten der Beklagten mit der Regelung in Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung nur einen Spielraum bei der Anwendung des geltenden Tarifrechts einräumen wollen. Ein solcher Spielraum der Beklagten würde den benachteiligten übergeleiteten Beschäftigten ebenso wenig wie ein auf eine Einzelfallprüfung beschränkter Anspruch weiterhelfen. Die Beklagte war auch ohne die Gemeinsame Erklärung nicht gehindert, die Benachteiligung übergeleiteter Beschäftigter, die aufgrund ihres Vergleichsentgelts nicht mindestens der Stufe 3 der ermittelten Entgeltgruppe zuzuordnen waren, gegenüber ab dem neu eingestellten Beschäftigten durch übertarifliche Leistungen abzustellen. Nur ein tariflicher Anspruch auf die Beseitigung der Schlechterstellung stellte die von den Tarifvertragsparteien mit der Gemeinsamen Erklärung bezweckte Aufhebung der Benachteiligung sicher. Wenn die Tarifvertragsparteien entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten gleichwohl keine normative Regelung gewollt haben sollten, hätten sie diesen Willen zum Ausdruck bringen müssen und nicht anordnen dürfen, dass übergeleitete Beschäftigte, die aufgrund ihres Vergleichsentgelts nicht mindestens der Stufe 3 der ermittelten Entgeltgruppe zuzuordnen waren, mindestens der Stufe zuzuordnen sind, die sich entsprechend ihrer einschlägigen Berufserfahrung gemäß § 13 Abs. 2 HTV ergibt.
192. Die Klägerin war aufgrund ihrer fiktiven Eingruppierung gemäß § 3 Abs. 2 HTV-Ü in die Vergütungsgruppe V b BAT-O und angesichts ihres Vergleichsentgelts iHv. 1.678,91 Euro brutto gemäß § 3 Abs. 1 HTV-Ü iVm. der Anlage 1 zum HTV-Ü der Entgeltgruppe U 9* und nach § 5 Abs. 1 HTV-Ü der Stufe 1 dieser Entgeltgruppe zuzuordnen, wie dies die Beklagte der Klägerin mit ihrem Schreiben vom mitgeteilt hat. Allerdings hätte der Klägerin, wäre sie von der Beklagten zum neu eingestellt worden, nicht nur die ihr ab dem von der Beklagten gezahlte monatliche Vergütung iHv. 1.803,00 Euro brutto, sondern die Vergütung der Entgeltgruppe U 8, Stufe 3, iHv. monatlich 1.960,00 Euro brutto zugestanden. Da die Klägerin nicht mindestens der Stufe 3 der für sie ermittelten Entgeltgruppe zuzuordnen war und bezüglich der Höhe ihrer Vergütung gegenüber einem ab dem von der Beklagten neu eingestellten Beschäftigten mit derselben einschlägigen Berufserfahrung benachteiligt wurde, unterfällt sie jedenfalls der von den Tarifvertragsparteien in Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung vom angeordneten Stufenzuordnung. Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob die Regelung auch dann Anwendung finden würde, wenn keine finanzielle Benachteiligung der Klägerin vorgelegen hätte.
203. Die Anordnung der Tarifvertragsparteien in Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung vom , dass übergeleitete Beschäftigte, die aufgrund ihres Vergleichsentgelts nicht mindestens der Stufe 3 der ermittelten Entgeltgruppe zuzuordnen waren, mindestens der Stufe zuzuordnen sind, die sich entsprechend ihrer einschlägigen Berufserfahrung gemäß § 13 Abs. 2 HTV ergibt, lässt die von der Beklagten vorgenommene Zuordnung zur Stufe 2 der Entgeltgruppe U 9* nicht zu. Darüber, dass die Klägerin über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens drei Jahren verfügt, besteht kein Streit. Eine solche Berufserfahrung führt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 2 Satz 2 HTV mindestens zur Zuordnung zur Stufe 3.
21a) Der Umstand, dass die einschlägige Berufserfahrung der Klägerin bereits bei ihrer fiktiven Höhergruppierung aus der Vergütungsgruppe V c BAT-O in die Vergütungsgruppe V b BAT-O berücksichtigt wurde, stellt die wortlautgetreue Auslegung nicht in Frage. Die Tarifvertragsparteien haben in § 3 Abs. 1 HTV-Ü iVm. der Anlage 1 zum HTV/Tabelle 2007 festgelegt, dass Beschäftigte der Vergütungsgruppe V b BAT-O nach ihrem Aufstieg aus der Vergütungsgruppe V c BAT-O der Entgeltgruppe U 9* zugeordnet werden. Dafür, dass den Tarifvertragsparteien nicht bewusst war, dass für den Aufstieg aus der Vergütungsgruppe V c , Fallgruppe 24, in die Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 25, Teil II Abschnitt D der Vergütungsordnung zum BAT-O eine dreijährige Bewährung in der Tätigkeit erforderlich war, fehlt jeder Anhaltspunkt, zumal die Tarifvertragsparteien in der Anlage 1 zum HTV/Tabelle 2007 bei der Entgeltgruppenzuordnung zwischen einem ausstehenden Aufstieg aus der Vergütungsgruppe V c BAT-O in die Vergütungsgruppe V b BAT-O und einem erfolgten Aufstieg aus der Vergütungsgruppe V c BAT-O in die Vergütungsgruppe V b BAT-O unterschieden haben. Wenn die Tarifvertragsparteien in Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Gemeinsamen Erklärung vom gleichwohl ohne jede Differenzierung, ob eine einschlägige Berufserfahrung bereits bei einem (fiktiven) Bewährungsaufstieg berücksichtigt worden ist oder nicht, für die Stufenzuordnung ausschließlich auf die einschlägige Berufserfahrung abgestellt haben, zeigt dies, dass sie den von der Beklagten vorgenommenen Abzug der für den Bewährungsaufstieg erforderlichen Bewährungszeit für nicht angemessen oder für nicht praktikabel gehalten haben.
22b) Der Hinweis der Beklagten, dass die Klägerin bei einer Neueinstellung ab dem nicht in die Entgeltgruppe U 9*, sondern nur in die Entgeltgruppe U 8 eingruppiert worden wäre, hilft ihr nicht weiter. Den Tarifvertragsparteien hätte es zwar freigestanden, übergeleitete und nach dem von der Beklagten neu eingestellte Beschäftigte bezüglich der Zuordnung zu den Entgeltgruppen gleich zu behandeln. Davon haben sie jedoch ausdrücklich abgesehen und für die übergeleiteten Beschäftigten die Zuordnung zu den Entgeltgruppen in § 3 HTV-Ü iVm. der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag geregelt, während sie für die Eingruppierung der neu eingestellten Beschäftigten in § 11 Abs. 1 HTV festgelegt haben, dass sich die Eingruppierung dieser Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung richtet. In Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom haben sie an dieser Differenzierung ausdrücklich festgehalten, indem sie klargestellt haben, dass die Ermittlung des Vergleichsentgelts gemäß § 4 HTV-Ü erfolgt. Dies zeigt, dass sie bei der Beseitigung der Benachteiligung übergeleiteter Beschäftigter keine Änderung der aufgrund des Vergleichsentgelts ermittelten Entgeltgruppen wollten, sondern nach ihrem Willen die Schlechterstellung ausschließlich durch die Berücksichtigung der einschlägigen Berufserfahrung wie bei den ab dem von der Beklagten neu eingestellten Beschäftigten beseitigt werden sollte. Deshalb trägt das Argument der Beklagten nicht, eine von der Entgeltgruppe und damit von der Entgeltsumme losgelöste Schlechterstellung sei nicht denkbar.
234. Freilich ist nicht zu übersehen, dass die Klägerin schon bei einer Zuordnung zur Stufe 2 der für sie zutreffend ermittelten Entgeltgruppe U 9* gegenüber einem ab dem von der Beklagten neu eingestellten Beschäftigten mit derselben Berufserfahrung nicht benachteiligt würde. Auch trifft es zu, dass die Tarifvertragsparteien mit der Gemeinsamen Erklärung vom die Benachteiligung übergeleiteter Beschäftigter beseitigen wollten und nicht beabsichtigten, übergeleitete Beschäftigte ungeachtet einer solchen Benachteiligung durch die Zuordnung zu einer höheren Stufe besserzustellen. Maßgebend ist jedoch, dass die Tarifvertragsparteien nicht in Anlehnung an § 5 HTV-Ü angeordnet haben, dass übergeleitete Beschäftigte in der für sie ermittelten Entgeltgruppe der Stufe zugeordnet werden, die dem Entgelt eines ab dem neu eingestellten Beschäftigten entspricht bzw. - wenn es keine betragsgleiche Stufe gibt - der nächsthöheren Stufe. Die Tarifvertragsparteien haben sich vielmehr ungeachtet der Entgeltgruppenzuordnung für die Berücksichtigung der einschlägigen Berufserfahrung wie bei neu eingestellten Beschäftigten gemäß § 13 Abs. 2 HTV entschieden. Dieser Wille der Tarifvertragsparteien ist zu achten.
24III. Gemäß § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB sowie § 24 Abs. 1 HTV stehen der Klägerin Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins zu. Das Arbeitsgericht hat Zinsen auf die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge seit dem zugesprochen. Die Entgeltdifferenzen für die Monate seit Dezember 2008 waren jeweils erst am 16. des Monats bzw. an dem vorhergehenden oder zweiten vorhergehenden Werktag fällig (§ 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 HTV). Zinsen stehen der Klägerin erst ab dem jeweils darauf folgenden Tag zu. Insoweit hat die Revision Erfolg.
251. Nach ständiger Rechtsprechung (seit - BAGE 22, 247) kann auch mit einer Feststellungsklage die Verpflichtung zur Verzinsung der jeweils fälligen festzustellenden Vergütungsbeträge begehrt werden. Das für die begehrten Verzugszinsen erforderliche Verschulden der Beklagten ergibt sich daraus, dass diese trotz Mahnung und Fälligkeit nicht geleistet hat. Die erforderliche Auslegung der Stufenzuordnungsvorschriften im HTV und HTV-Ü unter Berücksichtigung der Gemeinsamen Erklärung vom begründete ein normales Prozessrisiko, das die Beklagte nicht entlastet (vgl. - Rn. 59, BAGE 133, 354).
262. Obwohl die Klägerin mit ihrem Klageantrag Zinsen lediglich auf den Bruttonachzahlungsbetrag ab dem „jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt“ verlangt hatte, hat das Arbeitsgericht den Zinsbeginn einheitlich auf den festgesetzt. Hinsichtlich der Zinsen für die vor dem fälligen Entgeltdifferenzen ist es damit hinter dem Antrag der Klägerin zurückgeblieben und hat damit der Sache nach die Klage abgewiesen. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig geworden. Zinsen für die Entgeltdifferenzen bis einschließlich November 2008 stehen der Klägerin damit erst ab dem zu.
27Für die ab Dezember 2008 fälligen Entgeltdifferenzen hat das Arbeitsgericht der Klägerin Zinsen für die Zeit ab dem unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO zugesprochen. Die Klägerin hat jedoch in der Berufungsinstanz uneingeschränkt die Zurückweisung der Berufung beantragt, sich dadurch die Entscheidung des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht und stillschweigend den Zinsantrag geändert. Damit war der Verstoß des Arbeitsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO geheilt (vgl. - Rn. 15, BAGE 117, 137; - BGHZ 111, 158, 161). Zinsen für die Entgeltdifferenzen ab Dezember 2008 stehen der Klägerin jedoch erst ab dem auf die jeweilige Fälligkeit gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 HTV folgenden Tag zu.
IV. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten der Revision zu tragen. Das Teilunterliegen hinsichtlich der Zinsen führt zu keiner Kostenbeteiligung der Klägerin (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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Fundstelle(n):
FAAAE-02701