Übertragung der Freibeträge für Kinder
Im Gegensatz zum Kindergeld, das immer nur einer Person gezahlt wird, stehen die Freibeträge für Kinder grundsätzlich jedem Elternteil für jedes Kind zu, bei zusammenveranlagten Eltern werden diese zusammengefasst.
Abweichend davon erhält ein Steuerpflichtiger nach § 32 Abs. 6 S. 3 EStG und R 32.12 EStR die doppelten Freibeträge für Kinder, wenn
der andere Elternteil verstorben ist,
der andere Elternteil nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist,
der Aufenthalt des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist,
der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist oder
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
I. Übertragung der Freibeträge für Kinder wegen nicht wesentlicher Erfüllung der Unterhaltspflicht (R 32.13 EStR)
Nach § 32 Abs. 6 S. 6 EStG sind auf Antrag des einen Elternteils die dem anderen Elternteil zustehenden Freibeträge für Kinder auf ihn zu übertragen, wenn er selbst, nicht jedoch der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt.
Eine Übertragung ist danach nur möglich, wenn für beide Elternteile im Veranlagungszeitraum eine Unterhaltspflicht bestanden hat. Ist ein Elternteil nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet (mangels Leistungsfähigkeit), können die ihm zustehenden Freibeträge nicht auf den anderen Elternteil übertragen werden.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2012 ist eine Übertragung der Kinderfreibeträge zusätzlich zu den bisherigen Voraussetzungen auch möglich, wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig ist (Änderung des § 32 Abs. 6 S. 6 und 7 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom ).
Bei der Prüfung, ob ein Elternteil seine Unterhaltspflicht im Kalenderjahr im Wesentlichen erfüllt hat, ist zwischen Betreuungs- und Barunterhalt zu unterscheiden:
Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel im Wesentlichen durch die Pflege und Erziehung des Kindes (Betreuungsunterhalt).
Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind nicht befindet, ist bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sowie bei Eltern eines nichtehelichen Kindes grundsätzlich zur Leistung von Barunterhalt verpflichtet. Ein Elternteil kommt seiner Barunterhaltsverpflichtung im Wesentlichen nach, wenn er sie mindestens zu 75 % erfüllt. Auf die Höhe der Unterhaltspflicht im Vergleich zum anderen Elternteil sowie die unbeschränkte Steuerpflicht des Elternteils kommt es dabei nicht an. Wenn die Höhe der Barunterhaltsverpflichtung nicht durch gerichtliche Entscheidung, Verpflichtungserklärung, Vergleich oder anderweitig durch Vertrag festgelegt ist, können die von den Oberlandesgerichten als Leitlinien aufgestellten Unterhaltstabellen einen Anhalt geben, z. B. die „Düsseldorfer Tabelle”:
Stand
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Düsseldorfer Tabelle | |||
Düsseldorfer Tabelle | |||
Düsseldorfer TabelleAnlage zu Teil A Anmerkung 10 | |||
(Kindergeldanrechnung) | |||
Düsseldorfer TabelleAnlage zu Teil A Anmerkung 10 | Berliner Tabelle | Leitlinien zum
Unterhalt | |
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Düsseldorfer Tabelle | Berliner Tabelle | Leitlinien zum
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Maßgeblicher Zeitraum für die Prüfung, ob ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachgekommen ist, ist immer der Zeitraum, für den zivilrechtlich eine Unterhaltspflicht bestanden hat.
Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt immer auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (R 32.13 Abs. 4 S. 2 EStR) sowie zum Verlust aller anderen kindbedingten Steuerentlastungen, z. B. bei der zumutbaren Eigenbelastung.
II. Verfahren
Beantragt ein Elternteil die Übertragung des Kinderfreibetrags, muss er die Voraussetzungen dafür darlegen. Das bloße Ausfüllen der Kennzahl 36 auf der Anlage Kind ist insoweit nicht ausreichend. In Zweifelsfällen ist dem anderen Elternteil Gelegenheit zu geben, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Werden die Freibeträge für Kinder im Rahmen der Veranlagung auf den Steuerpflichtigen übertragen, ist dies dem Finanzamt des anderen Elternteils mitzuteilen (Wordvorlage „25 1024 0 KFB Übertragung-Mitteilung an FA des anderen Elternteil”). Weist der andere Elternteil allerdings im Rahmen seines Veranlagungsverfahrens nach, dass er seine Unterhaltspflicht im Wesentlichen erfüllt hat, ist dies wiederum dem Finanzamt des Elternteils mitzuteilen, der ursprünglich die Übertragung beantragt hatte. Wegen der einschlägigen Änderungsvorschriften verweise ich auf R 32.13 Abs. 4 EStR.
Zu einem sich anschließenden Einspruchsverfahren ist der jeweils andere Elternteil hinzuzuziehen (Wordvorlage „25 1022 0 KFB Übertragung – Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren”). Die Hinzuziehung kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn der Einspruch offensichtlich unzulässig ist, z. B. wegen Fristversäumnis. Die beabsichtigte Hinzuziehung ist zunächst dem Einspruchsführer mitzuteilen und erst auszusprechen, wenn dieser daraufhin den Einspruch nicht zurücknimmt.
Im Schriftverkehr mit dem Hinzugezogenen und bei Zustellung der Einspruchsentscheidung an diesen ist darauf zu achten, dass dem Hinzugezogenen nur solche Angaben über die steuerlichen Verhältnisse des Einspruchsführers mitgeteilt werden, die unmittelbar mit der Übertragung der Freibeträge für Kinder zusammenhängen. Insbesondere darf die für den Hinzugezogenen bestimmte Ausfertigung der Einspruchsentscheidung weder Steuerbeträge noch Hinweise auf etwaige andere Streitpunkte des Einspruchsverfahrens enthalten.
III. Übertragung der Freibeträge für Kinder auf Groß- und Stiefeltern
Bei Haushaltsaufnahme des Kindes durch die Groß- oder Stiefeltern können die Freibeträge für Kinder mit Zustimmung des berechtigten Elternteils (Anlage K) nach § 32 Abs. 6 S. 7 EStG auf diese übertragen werden. Der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf können jedoch nur einheitlich übertragen werden.
Ab dem VZ 2012 können die Kinderfreibeträge unabhängig von der Aufnahme des Kindes in den Haushalt auch auf die Stief- oder Großeltern übertragen werden, wenn diese einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegen. (Änderung des § 32 Abs. 6 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom ).
Die Übertragung der Kinderfreibeträge auf Stief- oder Großeltern kann demnach in folgenden Fällen erfolgen:
Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Stief- oder Großeltern (wie bisher)
oder
Unterhaltspflicht der Stief- oder Großeltern gegenüber dem Kind (ab VZ 2012).
IV. Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
Bis VZ 2011
Der einem Elternteil zustehende Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf kann auf Antrag nach § 32 Abs. 6 S. 6 EStG unabhängig vom Kinderfreibetrag auf den anderen Elternteil übertragen werden, wenn das minderjährige Kind nur bei diesem Elternteil gemeldet ist. Die Übertragung hängt nicht davon ab, dass der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht verletzt oder der Übertragung zugestimmt hat (für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2001: ).
Für Veranlagungszeiträume ab 2002 ist gegen die Übertragungsmöglichkeit des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes auf alleinigen Antrag des Elternteils, in dessen Haushalt das Kind gemeldet ist, ein Revisionsverfahren beim BFH unter dem Az. III R 49/10 anhängig. Das FG Baden-Württemberg hat im Vorfahren (Az. 13 K 299/04) unter Bezugnahme auf das keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG geäußert.
Einsprüche, die sich auf das BFH-Verfahren mit dem Az. III R 49/10 stützen, ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. AdV ist nicht zu gewähren.
Ab VZ 2012
Aufgrund der Änderung des § 32 Abs. 6 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom scheidet eine Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf unter den bisherigen Voraussetzungen ab dem VZ 2012 jedoch aus, wenn:
der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder
der Übertragung widersprochen wird, weil dieser Elternteil das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.
OFD Frankfurt/M. v. - S
2282 A - 8 - St
223
Fundstelle(n):
ESt-Kartei
HE § 32
EStG Karte 4
UAAAE-02359