BGH Beschluss v. - VIII ZR 103/11

Zwangsverwaltung und Zwangsvollstreckung auf Betreiben eines Grundpfandgläubigers: Wirksamkeit einer Vorausverfügung über die Miete zur Sicherung der lebenslangen Nutzung der Mietwohnung

Gesetze: § 1123 BGB, § 1124 BGB, § 20 ZVG, § 146 ZVG

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 12 S 536/10vorgehend AG Osnabrück Az: 7 C 434/09 (4)nachgehend Az: VIII ZR 103/11 Revision zurückgewiesen

Gründe

11. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO ohne nähere Begründung und ohne Benennung einer der beiden in dieser Vorschrift genannten Alternativen zugelassen. Eine Zulassung der Revision ist jedoch weder zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) erforderlich.

2a) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass sich im Rahmen einer Zwangsverwaltung die Wirksamkeit von Vorausverfügungen des Vollstreckungsschuldners allein nach den Vorschriften der §§ 1124, 1125 BGB richtet, wenn - wie hier - ein Grundpfandgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt; dies ergibt sich aus § 146 ZVG in Verbindung mit § 20 ZVG (, WuM 2003, 510 unter II 3 a; vom - VIII ZR 234/06, NJW 2007, 2919 Rn. 21; vom - XII ZR 86/09, NJW-RR 2011, 371 Rn. 15).

3b) Durch die Rechtsprechung des Senats ist überdies sowohl für den Fall des Erwerbs eines Grundstücks als auch für den Fall der Zwangsverwaltung, wenn ein Grundpfandgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, geklärt, welche rechtlichen Auswirkungen eine gemäß dem Mietvertrag als Einmalbetrag geleistete Mietvorauszahlung hat, je nachdem, ob diese Einmalzahlung auf der Grundlage periodischer Zeitabschnitte bemessen ist oder nicht (, BGHZ 37, 346; vom - VIII ZR 55/97, BGHZ 137, 106; vom - VIII ZR 234/06, NJW 2007, 2919). Auch hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass die Regelungen in § 1124 Abs. 2 BGB, § 566b BGB, § 56 Satz 2 und § 57b ZVG eine einander entsprechende Handhabung erfordern, da ihnen dieselbe Wertung zugrunde liegt (Senatsurteil vom - VIII ZR 234/06, aaO Rn. 27; , BGHZ 163, 201, 204 ff.). Hiervon ausgehend ist dem Senatsurteil vom (VIII ZR 55/97, aaO S. 115 - zu § 574 BGB aF) insbesondere zu entnehmen, dass die Unanwendbarkeit (auch) des § 1124 Abs. 2 BGB - zum Zwecke der Missbrauchsverhinderung - auf Fälle beschränkt ist, in denen die nicht nach periodischen Zeitabschnitten berechnete Vorauszahlung einer Gesamtmiete bereits im ursprünglichen Mietvertrag vereinbart wurde. Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die eine weitere höchstrichterliche Leitentscheidung erforderlich machten.

42. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung anhand der oben genannten Rechtsprechung des Senats stand. Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von den durch die Rechtsprechung des Senats aufgezeigten Grundsätzen ausgegangen und im Wege rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Auslegung (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 55/97, aaO S. 113 f.) der nach den Feststellungen zwischen der Beklagten und ihren Eltern, den Zwangsvollstreckungsschuldnern, am (Mietvertrag) und (Nachtrag zum Mietvertrag) getroffenen Vereinbarungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der gemäß dem Nachtrag zu zahlende, nicht nach periodischen Zeitabschnitten bemessene Gesamtbetrag von 450.000 € für das lebenslange Nutzungsrecht hier nicht im ursprünglichen Mietvertrag ausgewiesen und vereinbart worden sei und daher eine gegenüber dem Grundpfandgläubiger und dem Zwangsverwalter unwirksame Vorausverfügung vorliege (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 55/97, aaO S. 115). Gegen diese rechtsfehlerfreie tatrichterliche Beurteilung wendet sich die Revision vergeblich.

5Erfolglos bleibt auch die von der Revision vorsorglich erhobene Rüge, bei der vom Kläger ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung handele es sich um eine unzulässige Teilkündigung. Denn jedenfalls hat der Kläger - aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers der Kündigungserklärung - keine Teilkündigung ausgesprochen. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, sind dem Kläger sowohl der Mietvertrag vom als auch der Nachtrag vom erst nach dem Ausspruch der Kündigung übersandt worden. Vor diesem Hintergrund betrachtet war die vom Kläger ausgesprochene Kündigung (eines "vermeintlichen Mietvertrages") für die Beklagte bei objektiver Betrachtung so zu verstehen, dass der Kläger als Zwangsverwalter ein etwaiges Mietverhältnis mit ihr vollständig beenden wollte. Dass der Kläger auch nach Erhalt des Mietvertrages seine Klage lediglich auf die Räumung und Herausgabe der Wohnung und nicht auf weitere Räumlichkeiten und Flächen des unter seiner Zwangsverwaltung stehenden Anwesens gerichtet hat, begegnet angesichts der Dispositionsmaxime keinen rechtlichen Bedenken (vgl. OLG Düsseldorf, WuM 2002, 481, 482).

63. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Dr. Frellesen                                        Dr. Milger                                        Dr. Hessel

                               Dr. Fetzer                                         Dr. Bünger

Fundstelle(n):
BAAAE-00608