Grundstücksverkehrsrecht: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Grundstückswerts bei Berechnung des Nachabfindungsanspruchs der weichenden Erben bei Veräußerung des Grundstücks durch den Zuweisungsempfänger
Gesetze: § 17 Abs 1 S 1 GrdstVG
Instanzenzug: Az: 23 WLw 8/10 Beschlussvorgehend Az: 44 Lw 17/08
Gründe
I.
1Den Eltern der Beteiligten gehörte ein landwirtschaftlicher Betrieb in Engelskirchen. Nach dem Tod der Mutter im Jahre 1987 - der Vater war bereits 1965 verstorben - erzielten die Beteiligten in einem im August 1991 vor dem Landwirtschaftsgericht geschlossenen Vergleich darüber Einigkeit, dass der Betrieb dem Antragsgegner von dem Gericht nach § 13 GrdstVG zugewiesen werden sollte und die Antragsteller eine auf der Grundlage eines von dem Gericht einzuholenden Gutachtens nach § 16 GrdstVG zu berechnende Abfindung erhalten sollten. Die gerichtliche Zuweisung erfolgte im März 1994; die an die drei Antragsteller zu zahlende Abfindung wurde auf jeweils 71.250 DM festgesetzt.
2Im Juni 2006 veräußerte der Antragsgegner den größten Teil der Betriebsfläche für 236.439,40 Euro. Das Landwirtschaftsgericht hat dem auf Zahlung einer Nachabfindung in Höhe von jeweils 118.505,70 Euro gerichteten Antrag der Antragsteller in Höhe von je 56.013,99 Euro stattgegeben. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde beider Seiten ist, soweit hier von Interesse, ohne Erfolg geblieben. Mit der zugunsten des Antragsgegners zugelassenen Rechtsbeschwerde will dieser die vollständige Zurückweisung des Antrags erreichen.
II.
3Das Beschwerdegericht bejaht einen Nachabfindungsanspruch nach § 17 GrdstVG. Zwar wäre die Zuweisungsentscheidung ins Leere gegangen, wenn der Antragsgegner - wie von ihm nunmehr vorgetragen - bereits als Hoferbe Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebs gewesen sein sollte. Im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner das Zuweisungsverfahren selbst beantragt und in diesem einen Vergleich über die Zuweisung des Betriebs geschlossen habe, stelle es jedoch ein mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unzulässiges widersprüchliches Verhalten dar, wenn der Antragsgegner sich gegenüber dem Nachabfindungsverlangen nunmehr darauf berufe, dass er als Hoferbe keiner Ausgleichspflicht nach den Bestimmungen des Grundstücksverkehrsgesetzes unterliege.
4Maßgeblich für den durch die Veräußerung der betriebszugehörigen Grundstücke ausgelösten Nachabfindungsanspruch nach § 17 GrdstVG sei der für das Jahr 1994 ermittelte Verkehrswert der veräußerten Flächen in Höhe von 297.682 Euro. Dass der von dem Antragsgegner erzielte Kaufpreis aufgrund eines Preisverfalls für landwirtschaftliche Grundstücke in dem betreffenden Gebiet dahinter zurück bleibe, sei für die Ausgleichspflicht ohne Bedeutung.
III.
51. Die unbeschränkt erhobene Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Grund des den Antragstellern zuerkannten Nachabfindungsanspruchs wendet, weil das Beschwerdegericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde wirksam auf die Höhe des Anspruchs beschränkt hat. Zwar ist dem Tenor des angegriffenen Beschlusses eine solche Beschränkung nicht zu entnehmen. Sie folgt indes - was zulässig ist (vgl. , BGHZ 153, 358, 360; Urteil vom - VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426 mwN - jew. zur Revision) - aus den Gründen der Entscheidung. Dort wird die Zulassung der Rechtsbeschwerde darauf gestützt, dass die umstrittene Frage, ob es im Fall eines Wertverfalls landwirtschaftlicher Grundstücke regelmäßig nicht mehr der Billigkeit entspreche, vom fiktiven Verkaufswert im Zeitpunkt der Zuweisungsentscheidung auszugehen, grundsätzlich klärungsbedürftig sei. Diese Rechtsfrage betrifft indes alleine die Höhe des Nachabfindungsanspruchs, nicht den Anspruchsgrund, da es für die Entstehung des Anspruchs nicht auf Billigkeitserwägungen ankommt (vgl. Pikalo/Bendel, GrdstVG, § 17 Anm. E 1 7 a, S. 906 f.). Dass die Zulassung eines Rechtsmittels auf die Höhe des Anspruchs beschränkt werden kann, ist für die Revision anerkannt (vgl. , BGHZ 76, 397, 399). Nichts anderes gilt für die Rechtsbeschwerde nach § 24 Abs. 1 LwVG aF, da die für die Zulässigkeit einer auf die Anspruchshöhe beschränkten Revision maßgebliche Vorschrift in § 304 ZPO, auf Grund deren der Rechtsstreit in ein jeweils rechtlich selbständiges Grund- und Höheverfahren zerlegt werden kann, auch in den so genannten echten Streitverfahren vor den Landwirtschaftsgerichten Anwendung findet (vgl. Senat, Beschluss vom - V BLw 54/55, MDR 1956, 404, 406).
62. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.
7a) Das Beschwerdegericht hat zutreffend den Nachabfindungsanspruch auf der Grundlage des Verkehrswerts in dem Zeitpunkt der Zuweisungsentscheidung berechnet.
8aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG hat der Zuweisungserwerber die weichenden Miterben, soweit es der Billigkeit entspricht, so zu stellen, wie wenn der in Betracht kommende Gegenstand im Zeitpunkt des Erwerbs verkauft und der Kaufpreis unter den Miterben entsprechend ihren Erbteilen verteilt worden wäre. Der hypothetische Verkaufserlös ist der damalige Verkehrswert, der sich nach dem Preis bestimmt, der im Zeitpunkt der Zuweisung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen gewesen wäre (vgl. , RdL 1956, 272; Beschluss vom - IV ZR 124/09, WM 2011, 377, 378 Rn. 5 mwN; Pikalo/Bendel, aaO, § 17 Anm. E II 2 b, S. 915).
9Auszugehen ist folglich von dem von dem Beschwerdegericht aufgrund sachverständiger Beratung für 1994 festgestellten Verkehrswert der veräußerten Flächen von (umgerechnet) 297.682 Euro. Soweit der Antragsgegner geltend macht, diesen fiktiven Erlös hätten die Flächen im Jahre 1994 bei einem Verkauf nicht erbracht, wendet er sich gegen die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen, dessen Aufgabe gerade darin bestand, den Wert zu ermitteln, nämlich den Verkehrswert, zu dem die Flächen damals hätten verkauft werden können. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht dem nicht weiter nachgegangen ist, weil sich der Antragsgegner darauf beschränkt hat zu behaupten, dass der ermittelte Verkehrswert nicht den Tatsachen entspreche. Ohne Darlegung, aus welchen Gründen das Gutachten des Sachverständigen falsch sein sollte, bestand für das Beschwerdegericht kein Anlass, dem Antrag auf Einholung eines - weiteren - Sachverständigengutachtens stattzugeben. Unter Abzug der bereits gezahlten Abfindung, die das Beschwerdegericht bezogen auf diese Flächen mit einem Betrag von (umgerechnet) 73.626,03 Euro angenommen hat, ergibt sich für jeden der drei Antragsteller die von dem Beschwerdegericht zugesprochene Nachabfindung in Höhe von 56.013,99 Euro.
10bb) Auf den (hier niedrigeren) Verkehrswert in dem Zeitpunkt der Veräußerung kommt es für die Berechnung des Nachabfindungsanspruchs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht an. Eine Berücksichtigung von nach der Zuweisungsentscheidung eintretenden Wertänderungen ist zwar unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit nicht generell ausgeschlossen, kommt indes nur in Betracht, wenn anderenfalls eine sachlich nicht gerechtfertigte Belastung des Zuweisungserwerbers die Folge wäre.
11(1) Das ist bei einem Rückgang der Grundstückspreise im Regelfall zu verneinen. Durch die Regelung des § 17 GrdstVG soll das Opfer ausgeglichen werden, das die weichenden Miterben dadurch erbracht haben, dass sie im Interesse der geschlossenen und lebensfähigen Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs (vgl. BVerfGE 91, 346, 356; ebenso bereits die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 3/119, S. 15) mit einer Abfindung auf der Grundlage des - im Vergleich zu dem Verkaufswert regelmäßig niedrigeren - Ertragswerts vorlieb nehmen mussten. Dieses Opfer, dessen Rechtfertigung nachträglich entfällt, wenn der Erwerber innerhalb der durch das Gesetz bestimmten Frist den Betrieb (vollständig oder teilweise) an einen Dritten veräußert, soll durch den Anspruch auf Nachabfindung eine Kompensation erfahren (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 3/119, S. 26; Pikalo/Bendel, aaO, § 17 Anm. E II 1, S. 914; ebenso bereits Senat, Beschluss vom - V BLw 23/77, WM 1979, 1189, 1190 zu § 13 HöfeO).
12Dessen Maßstab ist der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Zuweisung. Eine Beteiligung der weichenden Miterben an einer Wertsteigerung der betriebszugehörigen Grundstücke ist nicht vorgesehen; ein darauf beruhender Veräußerungserlös verbleibt insgesamt dem Zuweisungserwerber. Diese gesetzliche Wertung beansprucht auch für den umgekehrten Fall Geltung. Sie führt dazu, dass eine rückläufige Wertentwicklung zu Lasten des Erwerbers geht.
13(2) Die von dem Antragsgegner für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Äußerungen im Schrifttum stehen dazu nicht in Widerspruch. Zwar wird befürwortet, den Nachabfindungsanspruch nach dem Kaufpreis auszurichten, sofern dieser niedriger als der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Zuweisung ist. Das soll jedoch nicht allgemein, sondern nur für den Fall gelten, dass der Kaufpreis nicht ausreicht, um die weichenden Miterben nach Maßgabe des (früheren) Verkehrswerts abzufinden (so bereits der Bericht des Ernährungsausschusses, BT-Drs. 3/2635, S. 11; Netz, GrdstVG, 5. Aufl., Anm. 7.3.2.1.6; Pikalo/Bendel, aaO, § 17 Anm. E I 7 c, S. 907 f.; Vorwerk/von Spreckelsen, GrdstVG, § 17 Rn. 20; Graß, AUR 2010, 228, 231; ebenso Rötelmann, DNotZ 1961, 346, 356 zu § 13 HöfeO; wohl auch Lukanow, RdL 1962, 193, 195 f.; unklar Lange, GrdstVG, 2. Aufl., § 17 Anm. 15, S. 284). Diese zusätzliche Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
14b) Die Berechnung der Höhe des zuerkannten Ausgleichs ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
15aa) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sind Verbindlichkeiten, die dieser anlässlich der Zuweisung eingehen musste, um die damals an die Antragsteller zu erbringenden Abfindungszahlungen zu finanzieren, und die bei der Veräußerung der Betriebsflächen im Jahr 2006 noch nicht (vollständig) zurückgeführt waren, nicht anrechnungsfähig. Eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen widerspräche dem in §§ 16 und 17 GrdstVG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, wonach den weichenden Miterben zumindest der ihrem Erbteil entsprechende Anteil am Ertragswert des Betriebs zustehen soll. Ob ausnahmsweise eine andere Betrachtung gerechtfertigt erscheint, wenn die Veräußerung einzelner Betriebsgegenstände zur Reduzierung einer drückenden Schuldenlast erforderlich war und diese - auch im Interesse der weichenden Miterben - der Aufrechterhaltung des Betriebs diente (vgl. O. Wöhrmann, GrdstVG, § 17 Rn. 14; Netz, aaO, 5. Aufl., Anm. 7.3.), bedarf keiner Beantwortung. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, weil der Antragsgegner nach seinem eigenen Vorbringen den Betrieb bereits vor längerer Zeit aufgegeben hat.
16bb) Sonstige Verbindlichkeiten sind ebenfalls nicht anzurechnen. Der Antragsgegner räumt in der Rechtsbeschwerdebegründung ein, dass es sich bei seinen Zahlungsverpflichtungen "zum wesentlichen Teil" um Erwerbsschulden handele. Die Feststellung des Beschwerdegerichts, wonach die zum Zeitpunkt der Zuweisung vorhandenen Nachlassschulden im Zuge eines in einem anderen Rechtsstreit zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleichs reguliert worden seien, greift er nicht an. Soweit er sich allgemein auf die Abzugsfähigkeit der für die Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs aufgenommenen Schulden beruft, fehlt es schon an einer Bezugnahme auf Vorbringen in den Tatsacheninstanzen, in denen das Bestehen derartiger Verbindlichkeiten behauptet worden sein soll.
17cc) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann der in dem Zeitraum zwischen 1994 und 2006 eingetretene Kaufkraftschwund nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, da die Nachabfindung auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Zuweisung geltenden Preisniveaus stattfindet. Die in der Rechtsbeschwerdebegründung in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer Einbeziehung des Kaufkraftschwunds bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs nach §§ 1372 ff. BGB (vgl. , BGHZ 61, 385 ff.) und der Anrechnung von Vorempfängen auf den Pflichtteil gemäß § 2315 BGB (vgl. , BGHZ 65, 75, 77) ist auf die Nachabfindung nach § 17 GrdstVG nicht übertragbar.
18dd) Der Antragsgegner kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine im Vergleich zu § 17 GrdstVG für den Schuldner günstigere Ausgestaltung der Abfindung in § 13 HöfeO und in § 2049 BGB berufen. Der höferechtliche Abfindungsergänzungsanspruch unterscheidet sich seit der Neufassung durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Höfeordnung vom (BGBl. I, S. 881) in seinen Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundlegend von demjenigen nach dem Grundstücksverkehrsgesetz. Davon, den Anspruch nach § 17 GrdstVG an die geänderte höferechtliche Regelung anzupassen, hat der Gesetzgeber entgegen früheren Überlegungen (vgl. BT-Drs. 3/2635, S. 11) abgesehen. Dem Umstand, dass die Vorschrift des § 2049 BGB keine ergänzende Abfindung der weichenden Miterben vorsieht, kommt angesichts der in § 17 GrdstVG getroffenen Regelung keine Bedeutung zu.
19ee) Der Ausgleichspflicht des Antragsgegners steht schließlich nicht entgegen, dass dieser den Betrieb bereits vor der Zuweisung im Jahr 1994 - nach eigenen Angaben seit dem Tod des Vaters der Beteiligten im Jahr 1965 - bewirtschaftet hat. Der Nachabfindungsanspruch nach § 17 GrdstVG beruht nicht auf einer fehlenden Befähigung des Zuweisungserwerbers zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Betriebs, sondern darauf, dass dieser entgegen dem mit der Zuweisung verfolgten Zweck verwendet wird. Das schließt die Berücksichtigung einer bereits zuvor erfolgten, unter Umständen auch langjährigen, Bewirtschaftung zugunsten des Zuweisungserwerbers grundsätzlich aus.
IV.
20Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 36 a Abs. 3 Satz 1 LwVG i.V.m. § 30 Abs. 1 KostO.
Krüger Lemke Stresemann
Fundstelle(n):
JAAAD-99870