OFD Frankfurt/M. - S 2118a A - 1 - St 514

Vereinbarkeit des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 1987 mit der Niederlassungs- und Verkehrsfreiheit der Art. 43 und 56 EGV n. F. (jetzt Art. 49, Art. 63 AEUV);

Erledigtes EuGH-Verfahren C-152/03 (Ritter-Coulais) und die Folgen für den § 2a EStG

Bei der Ermittlung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage dürfen nach § 2a Abs. 1 Satz 1 EStG die dort abschließend aufgeführten negativen ausländischen Einkünfte nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art und – mit Ausnahme der Fälle der Nr. 6 Buchstabe b – aus demselben Staat ausgeglichen werden.

Zudem finden diese Verluste auch im Rahmen des sog. negativen Progressionsvorbehalts keine Berücksichtigung, vgl.   BStBl 2000 Teil II S. 605; H 185 „Ausländische Verluste” EStH 2002.

Dies hat zur Folge, dass Steuerpflichtige, die negative ausländische Einkünfte i. S. d. § 2a Abs. 1 EStG erzielen, anders behandelt werden als solche, die entsprechende Einkünfte aus dem Inland beziehen. Negative inländische Einkünfte werden im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt, mindern grundsätzlich den Gesamtbetrag der Einkünfte und damit die festzusetzende Einkommensteuer.

Der DB 2003 S. 857 – dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 1987 mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit nach dem EG-Vertrag zu vereinbaren sei.

Dem vom BFH zu entscheidenden Fall liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Kläger wurden 1987 als gem. § 1 Abs. 3 EStG 1987 unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten in Deutschland Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (als Lehrer an einem Gymnasium), wohnten aber in einem in Frankreich belegenen eigenen Einfamilienhaus. Die Kläger begehren die Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wegen der Selbstnutzung des Einfamilienhauses (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG 1987) im Weg des sog. negativen Progressionsvorbehalts gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG 1987. Das Finanzamt lehnte das unter Hinweis auf § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 1987 ab.

Die negativen Einkünfte der Kläger aus der Eigennutzung ihres in Frankreich belegenen Hausgrundstücks gem. § 21 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG 1987 gehören zu den Einkünften aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens nach Art. 3 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich. Sie sind deswegen nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Frankreich im Inland steuerfrei und gehen insoweit nicht in die Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage zum Ausgleich steuerpflichtiger Einkünfte ein.

Die negativen ausländischen Einkünfte können auch nicht im Wege des sog. negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden, da § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 1987 den steuermindernden Ausgleich der von der Vorschrift erfassten negativen Einkünfte auch mit Wirkung für diesen ausschließt.

Die danach bestehende unterschiedliche Behandlung ausländischer negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einerseits und inländischer negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung andererseits bei der Ermittlung der Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage bzw. des zu versteuernden Einkommens zur Berechnung des besonderen Steuersatzes gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 EStG 1987 erachtet der BFH als gemeinschaftsrechtswidrig.

Der EuGH hat mit (Ritter-Coulais) entschieden, dass der Art. 48 EWG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 45 AEUV – Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer) dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren betroffenen entgegensteht, wonach natürliche Personen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in einem Mitgliedstaat beziehen und dort unbeschränkt steuerpflichtig sind, keinen Anspruch darauf haben, dass bei der Festsetzung des Steuersatzes für diese Einkünfte in diesem Staat Verluste aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, die sich auf ein von ihnen selbst zu Wohnzwecken genutztes Wohnhaus in einem anderen Mitgliedstaat beziehen, während positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezüglich eines solchen Hauses berücksichtigt würden.

In einem weiteren (Rewe-Zentralfinanz) hat der EuGH entschieden, dass die Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 49 AEUV EG) und 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft die Möglichkeiten einschränkt, Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften steuerlich auszugleichen, an denen sie eine Beteiligung hält, die es ihr ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser ausländischen Tochtergesellschaften auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, während es eine solche Einschränkung für Beteiligungen an gebietsansässigen Tochtergesellschaften nicht gibt.

Mit (BStBl 2008 I S. 810) wurde der Anwendungsbereich des § 2a EStG daher auf Drittstaaten begrenzt.

Die gesetzliche Neuregelung durch das JStG 2009 ändert § 2a EStG dahingehend, dass dieser nur noch in Verbindung mit Drittstaaten auf alle noch offenen Fälle (§ 52 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG i. d. F. JStG 2009) anzuwenden ist.

Für Verluste, die vor dem nach § 2a Abs. 1 Satz 5 EStG bestandskräftig gesondert festgestellt wurden, gilt § 2a EStG a. F., weiter.

BStBl 2008 I S. 810 § 52 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG i. d. F. JStG 2009

OFD Frankfurt/M. v. - S 2118a A - 1 - St 514

Fundstelle(n):
ESt-Kartei HE § 2a EStG Karte 7
SAAAD-99627