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Anscheins- und Duldungsvollmacht im Handelsrecht
Dieses Dokument wird nicht mehr aktualisiert und entspricht möglicherweise nicht dem aktuellen Rechtsstand.
I. Definition der Anscheins- und Duldungsvollmachten
Soll nicht in eigenem, sondern in fremdem Namen gehandelt werden, so ist dieses Handeln nur wirksam, wenn der Handelnde Vertretungsmacht besitzt. Die Vertretungsmacht kann auf Rechtsgeschäft, Rechtsschein oder Gesetz beruhen. Handelsrechtliche Vollmachten sind die Prokura , die Handlungsvollmacht sowie die „Vertretungsmacht der Ladenangestellten”. Neben den im HGB gesetzlich geregelten Vollmachten kann der Kaufmann beliebige andere Vollmachten erteilen, wie z. B. eine Einzelvollmacht zu bestimmten Rechtshandlungen oder eine Generalvollmacht.
Neben den Fällen, in denen jemand rechtsgeschäftlich Vertretungsmacht eingeräumt wird, kommen aber auch immer wieder Fälle vor, in denen in fremdem Namen gehandelt wird, ohne dass eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht vorliegt, ebenso wenig wie ein gesetzlicher Vertretungstatbestand. Gleichwohl kann das Handeln des Vertreters auch in diesen Fällen Wirkung für den Vertretenden entfalten. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der Vertragspartner in seinem Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Vertretung des anderen Vertragspartners bei Vertragsabschluss vertrauen durfte, sog. Anscheinsvollmacht. Daneben können auch Situationen entstehen, in denen der Bevollmächtigte schützenswert ist, weil er nach Treu und Glauben annehmen durfte, er sei tatsächlich bevollmächtigt, sog. Duldungsvollmacht.
II. Duldungsvollmacht
Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene wissentlich duldet, dass jemand für ihn wie ein Vertreter auftritt. Ferner muss der Vertretene wissen, dass der Dritte diese Duldung dahingehend versteht, dass eine Vollmacht erteilt worden ist . Das vorbezeichnete Wissen des Vertretenen muss spätestens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch den Vertreter vorliegen . Die Rechtsprechung geht bei der Duldungsvollmacht von einem Rechtsscheintatbestand aus, da dem Vertretenen der Wille zur Bevollmächtigung fehlt . Demgegenüber begründet die Literatur die Duldungsvollmacht mit einer schlüssigen Bevollmächtigung infolge des Duldens des Vertreterhandelns. Im Ergebnis besteht allerdings kein Unterschied. Auf den fehlenden Bevollmächtigungswillen kann sich der Vertretene wegen des Duldens nicht berufen. Bereits ein einziger Fall bewussten Duldens kann genügen .
In den Fällen der gesetzlichen Vertretung lehnt die Rechtsprechung die Anwendung der Duldungsvollmacht ab. So hat der BGH beispielsweise entschieden, dass die Grundsätze der Duldungsvollmacht keine Anwendung finden, wenn ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer bei genereller Duldung des anderen Geschäftsführers allein für die GmbH handelt .
III. Anscheinsvollmacht
Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln seines angeblichen Vertreters zwar nicht kennt, aber bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Ferner muss auch hier für den Dritten der Eindruck entstehen, der Vertretene dulde und billige das Verhalten des Vertreters . Bei der Anscheinsvollmacht liegt somit ein reiner Rechtsscheintatbestand vor. Anders als bei der Duldungsvollmacht begründet hier in aller Regel nur ein Verhalten von einer gewissen Häufigkeit und Dauer einen zurechenbaren Rechtsschein .
Die Anscheinsvollmacht spielt in der Praxis besonders bei laufenden Geschäftsverbindungen eine Rolle.
Anscheinsvollmacht entfällt nicht bereits bei einem Handeln, welches außerhalb des Geschäftsbereichs des Vertretenen liegt. Etwas anders gilt nur bei ungewöhnlichen Geschäften .
Der Vertretene muss alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um das Handeln des Vertretenen zu unterbinden. Eine rein interne Untersagung an den Vertreter genügt hierfür nicht .
Erforderlich ist ferner, dass der Dritte bei Vertragsabschluss gutgläubig gewesen ist und sich tatsächlich auf den Rechtsschein verlassen hat.
Die Rechtsfolge der Anscheinsvollmacht besteht darin, dass die Vollmacht als bestehend angesehen wird. Der Dritte hat somit kein Wahlrecht, ob er das Geschäft gelten lassen will oder nicht.