BFH Beschluss v. - IX B 108/11

Verzicht auf mündliche Verhandlung nicht wegen Irrtums anfechtbar und auch nicht widerrufbar; Unentgeltlichkeit einer Wohnungsüberlassung i. S. des § 4 Satz 2 EigZulG

Gesetze: EigZulG § 4 Satz 2, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 90 Abs. 1, FGO § 90 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug: EZ

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe (Verfahrensmängel) sind nicht gegeben.

2 1. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entscheidet das Gericht im Urteilsverfahren auf Grund mündlicher Verhandlung. Mit Einverständnis der Beteiligten kann es ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO). Im Streitfall durfte das Finanzgericht (FG) ohne mündliche Verhandlung, also im schriftlichen Verfahren, entscheiden, weil wirksame Verzichts-Erklärungen der Beteiligten —neben den Einverständnis-Erklärungen mit einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter (§ 79a Abs. 3, 4 FGO)— vorlagen. Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung haben sowohl der Beklagte und Beschwerdegegner („... verzichte ich auf mündliche Verhandlung”) wie auch die Klägerin („Auch ich bin mit einer schriftlichen Entscheidung des Gerichts einverstanden.”) den Verzicht auf mündliche Verhandlung dem FG gegenüber erklärt.

3 Zwar hat die Klägerin ihren Verzicht auf mündliche Verhandlung widerrufen. Indes ist ein solcher Verzicht als Prozesshandlung nicht wegen Irrtums (auch über die Tragweite des Verzichts) anfechtbar und auch nicht frei widerrufbar (vgl. , BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126; , BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556); er kann daher auch nur ausnahmsweise widerrufen werden, wenn sich die Prozesslage nach Abgabe der Einverständniserklärung wesentlich geändert hat (z.B. BFH-Beschlüsse vom IX S 2/11 —PKH—, BFH/NV 2011, 1383; vom I B 39/03, BFH/NV 2004, 350, m.w.N.). Eine solche wesentliche Änderung liegt im Streitfall jedoch nicht vor.

4 2. Soweit die Klägerin mit der „unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung” eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) durch Unterlassen einer Amtsermittlung (zu den Darlegungsanforderungen vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43; vom VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74) rügt, berücksichtigt sie bei ihren —auf einer anderen Tatsachen- und Beweiswürdigung basierenden— Ausführungen nicht den maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 13/04, BFH/NV 2005, 1065; vom IX B 105/09, BFH/NV 2010, 443, unter 2. b). Zudem kann mit dem Einwand einer (vermeintlich) unzutreffenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung und damit der Unrichtigkeit des FG-Urteils, also materiell-rechtlichen Fehlern, die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 83/10, BFH/NV 2011, 61; vom IX B 198/09, BFH/NV 2010, 1647).

5 3. Im Übrigen ist „unentgeltlich” i.S. des § 4 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes nur eine Wohnungsüberlassung, für die keinerlei Entgelt gezahlt wird; eine Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe ist förderungsschädlich. Ob eine Gegenleistung vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Gegebenheiten und obliegt im Wege der Würdigung der Umstände des Einzelfalls dem FG als Tatsacheninstanz (, BFHE 196, 481, BStBl II 2002, 77; vom IX R 32/07, BFH/NV 2008, 531; , BFH/NV 2007, 2081).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 245 Nr. 2
XAAAD-97972