Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - VEB Ingenieurbüro für Melioration Bad Freienwalde - gleichgestellter Betrieb - Forschungsinstitut
Leitsatz
Die Gleichstellung eines Forschungsinstituts mit einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens iS des Zusatzversorgungssystems der technischen Intelligenz erfordert keinen Bezug der wissenschaftlichen Forschung zum Bereich der industriellen Produktion.
Gesetze: § 1 Abs 1 S 1 AAÜG, § 1 Abs 1 S 2 AAÜG, § 5 Abs 1 S 1 AAÜG, § 8 Abs 2 AAÜG, § 8 Abs 3 S 1 AAÜG, § 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG, Anl 1 Nr 1 AAÜG, § 1 ZAVtIV, § 1 Abs 1 ZAVtIVDBest 2, § 1 Abs 2 ZAVtIVDBest 2
Instanzenzug: SG Frankfurt Az: S 1 RA 471/04 Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 22 R 1509/05*17 Urteil
Tatbestand
1Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom bis als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.
2Der im 1940 geborene Kläger ist Maschinen-Ingenieur (Urkunde der Hochschule für Hydromelioration Moskau vom ).
3Er war vom als Maschinenassistent und vom bis als Ingenieur für neue Technik beim VEB M. beschäftigt. Vom bis war der Kläger beim VEB I. tätig, zunächst als Konstruktionsingenieur, ab als Leiter der Arbeitsgruppe Internationale Zusammenarbeit (IZ), ab als Leiter IZ, ab Mai 1983 nach eigenen Angaben als Spezialprojektant sowie ab als Spezialprojektant für F/E und Projektierung. Danach arbeitete er bei der T GmbH
4Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der Zeit vom bis als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem ab. Der Kläger habe weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR erhalten noch habe er am eine versorgungsrechtlich relevante Beschäftigung ausgeübt. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom ; Urteil des SG Frankfurt/Oder vom ).
5Mit Urteil vom hat das LSG Berlin-Brandenburg die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des § 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) vom (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom , BGBl I 3024). Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger sei weder am noch in der Zeit vom bis zu diesem Tag Inhaber einer fiktiven Versorgungsanwartschaft im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG gewesen. Zwar erfülle der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er sei am Stichtag und in der geltend gemachten Zeit zuvor berechtigt gewesen, den Titel eines Ingenieurs zu führen. Auch habe er am und während der Zeit vom bis zu diesem Tag eine seinem Titel entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Der Kläger erfülle jedoch nicht die betriebliche Voraussetzung.
6Am und während der Zeit vom bis sei er beim VEB I. beschäftigt gewesen. Dieser Betrieb sei kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen. Nach dem Vortrag des Klägers seien dort neue Anlagen und Maschinen jeweils nur in Nullserie hergestellt worden. Eine industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung von Sachgütern habe damit nicht stattgefunden. Der VEB I. sei auch kein gleichgestellter Betrieb iS des § 1 Abs 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom (GBl Nr 62 S 487) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom (GBl I Nr 93 S 844). Bei dem VEB habe es sich nach seinem Betriebszweck nicht um ein Konstruktionsbüro oder einen Projektierungsbetrieb gehandelt. Möglicherweise sei der Betrieb ein Rationalisierungsbetrieb oder ein Forschungsinstitut gewesen. Dies könne aber dahinstehen. Ein Rationalisierungsbetrieb rechne schlechthin nicht zu den gleichgestellten Einrichtungen und ein Forschungsinstitut nur unter bestimmten Voraussetzungen, die hier nicht erfüllt seien. Nach dem ) sei durch das - SozR 4-8570 § 5 Nr 5) geklärt, dass ein Forschungsinstitut, dessen zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung sich weder auf die Bereiche der Industrie oder des Bauwesens noch auf die in § 1 Abs 2 2. DB zur VO-AVItech aufgezählten Bereiche/Kategorien bezogen habe, nicht zu den gleichgestellten Betrieben im Sinne der Bestimmung gehöre. Diese einschränkende Auslegung möge zwar nicht mit hinreichender Deutlichkeit aus dem (aaO) hervorgehen. Den dortigen Ausführungen sei aber zu entnehmen, dass nicht jegliche betriebsbezogene Forschung und somit jegliches Forschungsinstitut in den Anwendungsbereich der Vorschrift falle. Eine solch einschränkende Auslegung erweise sich zudem als sachgerecht. Wenn vom Geltungsbereich der 2. DB nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens erfasst würden, fehle eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb Forschungsinstitute, die mit anderen Aufgaben betraut seien, einzubeziehen sein sollten. Um einen Wertungswiderspruch innerhalb der 2. DB zu vermeiden, erscheine eine einschränkende Auslegung des Begriffs Forschungsinstitut im dargelegten Sinn geboten.
7Ebenso wenig habe der Kläger in der Zeit vom bis in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einer gleichgestellten Einrichtung gearbeitet. In dieser Zeit sei der Kläger beim VEB M. beschäftigt gewesen. Aufgabe dieses Betriebes sei es gewesen, als bauausführender Betrieb Be- und Entwässerungssysteme für einzelne Auftraggeber herzustellen bzw zu verändern. Es sei angesichts der unterschiedlichen landschaftlichen Bedingungen nicht ersichtlich, dass dies als serienmäßig wiederkehrende Fertigung oder als Massenproduktion erfolgt sein könnte.
9Unter Zugrundelegung dieser betrieblichen Ausrichtung sei der VEB I. als Forschungsinstitut iS des § 1 Abs 2 2. DB zur VO-AVItech zu qualifizieren. Das LSG habe zu Unrecht den Begriff des Forschungsinstituts im Sinne der Vorschrift als auf die Bereiche Industrie und Bauwesen beschränkt angesehen, um einen Wertungswiderspruch innerhalb der 2. DB zu vermeiden. Das Berufungsgericht habe damit gegen Art 20 Abs 3 GG verstoßen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Prüfung, ob bezogen auf die bundesrechtlich verstandenen Regelungen der Versorgungssysteme am Stichtag eine materiell-rechtliche Anspruchs- oder Anwartschaftsposition bestanden habe, unerheblich, ob die abstrakt-generellen Regelungen der Versorgungsordnungen damals willkürlich gewesen seien. Ein solcher - ggf willkürlicher - Wertungswiderspruch sei aus bundesrechtlicher Sicht hinzunehmen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung habe unter Verkennung des versorgungsrechtlichen Sprachverständnisses den Geltungsbereich der Versorgungsordnung missachtet und damit die Voraussetzungen von § 1 Abs 1 AAÜG verkannt. Die vom LSG vertretene Auslegung ergebe sich auch nicht aus sonstigen Regelungen des Binnenrechts der DDR und sei ebenso wenig unter Berücksichtigung der Entscheidungen des (aaO) bzw vom (aaO) gerechtfertigt.
12Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Gründe
13Die Revision des Klägers ist teilweise im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) und teilweise unbegründet.
14A. Soweit der Kläger begehrt, die Beschäftigungszeit vom bis beim VEB I. als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen, kann der Senat eine Entscheidung in der Sache nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.
15Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
16Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom , BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.
17Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.
18I. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).
19Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem , weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).
20II. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt.
21Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am geltenden Bundesrechts am Stichtag sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom (BGBl II 889) mit dem Beitritt am zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech und die 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.
23Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Maschinen-Ingenieur" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.
24Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.
25Zwar steht nach den auch insoweit bindenden Feststellungen des LSG fest, dass der VEB I. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebes teilt der erkennende Senat nicht (vgl hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom heutigen Tag - B 5 RS 7/10 R). Den Anforderungen an einen Produktionsbetrieb im dargelegten Sinne genügt der genannte VEB nicht. Nach den Feststellungen des LSG wurden in diesem neue Anlagen und Maschinen nur in Nullserie hergestellt.
26Offen bleibt indessen, ob es sich bei dem VEB I. um ein nach § 1 Abs 2 2. DB gleichgestelltes Forschungsinstitut handelt.
27Nach dieser Bestimmung werden den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien. Ausweislich dieses Wortlauts kompensiert die in § 1 Abs 2 2. DB angeordnete "Rechtsfolge" das Fehlen der Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion", sodass sich der Anwendungsbereich der Vorschrift generell von vornherein außerhalb des Grundtatbestands der VO-AVItech bewegt. Unter anderem die angeordnete Gleichstellung wissenschaftlicher Institute, bestimmter (Hoch-)Schulen und Ministerien, bei denen es sich weder um Betriebe handelt noch notwendig ein auch nur lockerer Zusammenhang mit der industriellen Produktion von Sachgütern besteht, verdeutlicht dies nachdrücklich. Hiervon ausgehend besteht auch im Blick auf den Gesamt-Kontext der AVItech kein Anlass, bei einzelnen Institutionen als Voraussetzung ihrer Gleichstellung zusätzlich einen Bezug gerade zum Bereich der industriellen Produktion zu fordern.
28Dies gilt auch für die vorliegend infrage stehenden "Forschungsinstitute". Hierbei handelt es sich, wie der 4. Senat des BSG bereits entschieden hat (Urteil vom - B 4 RA 40/04 R - SozR 4-8570 § 5 Nr 5 RdNr 19), um selbstständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist. Eine Bindung dieses Zweck- bzw Betriebsbezugs an diejenigen Begrenzungen, die sich für den grundsätzlichen Anwendungsbereich der VO-AVItech aus dem Produktionsbegriff ergeben, ist nach dem oben Gesagten nicht erforderlich. Ein solches Verständnis unterstreicht auch die Präambel dieser Verordnung, die die "wissenschaftliche Forschungsarbeit" gerade als eigenständigen Teil des - hier in einem umfassenden Sinne verstandenen - Produktionsprozesses neben der Produktion im engeren Sinne, dh der Produktionsdurchführung, aufführt (so auch der 4. Senat aaO). Die vom LSG befürwortete einschränkende Auslegung der Norm rechtfertigt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung eines Wertungswiderspruchs innerhalb der 2. DB. Der Teil der Versorgungsordnungen, der am zu sekundärem Bundesrecht geworden ist, ist vielmehr unter strikter Beachtung seines Wortlauts anzuwenden, wobei es unerheblich ist, ob die abstrakt-generellen Regelungen ursprünglich willkürlich waren. Jedem Versuch, entgegen der Grundentscheidung des Gesetzgebers eine Korrektur vorzunehmen, steht die Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs 3 GG) entgegen (BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17, RdNr 22).
29Soweit der 13. Senat des ) unter Berufung auf die Rechtsprechung des 4. Senats eine spezifisch auf die Bereiche der Industrie und des Bauwesens gerichtete Forschungstätigkeit von Forschungsinstituten iS von § 1 Abs 2 2. DB fordert, hält der erkennende Senat, der mittlerweile allein für Streitigkeiten nach dem AAÜG zuständig ist, hieran nicht fest. Zudem handelt es sich bei allein auf die Statthaftigkeit der Revision bezogenen Beschlüssen ohnehin nicht um Rechtsprechung zum materiellen Recht.
30Ob der VEB I. ein Forschungsinstitut im dargelegten Sinne ist, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Nach diesen oblag dem VEB I. die Entwicklung und Bauausführung von neuen Be- und Entwässerungssystemen und landwirtschaftlichen Wirtschaftswegen. Ob der Hauptzweck des VEB auf die planmäßige und zielgerichtete Suche nach neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Melioration gerichtet war, hat das LSG - von seinem Standpunkt aus konsequent - offen gelassen. Das Berufungsgericht wird nunmehr insbesondere zu ermitteln haben, ob anwendungsbezogene Forschung dem VEB I. des Gepräge gegeben hat.
31B. Hinsichtlich seiner Beschäftigung in der Zeit vom bis beim VEB M. scheitert ein Anspruch des Klägers auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech unabhängig von der Anwendbarkeit des AAÜG bereits daran, dass es sich bei diesem Betrieb nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht um einen Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech handelt.
32Gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen der Versorgungsberechtigte eine (entgeltliche) Beschäftigung oder Tätigkeit (zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem ) ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet ist (BSG SozR 4-8570 § 5 Nr 1 RdNr 29). Ob die Tatbestandsvoraussetzungen für diese Gleichstellung mit rentenrechtlichen Pflichtbeitragszeiten erfüllt sind, hängt damit davon ab, ob der Betroffene eine "Beschäftigung" ausgeübt hat, die "entgeltlich" war und ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war (BSG aaO; vgl zur Qualität der Versorgungsregelungen als bloße generelle Anknüpfungstatsachen im Rahmen von § 5 AAÜG: BSG SozR 4-8570 § 5 Nr 10 RdNr 20). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der VEB M. als bauausführender Betrieb Be- und Entwässerungssysteme für einzelne Auftraggeber herzustellen bzw zu verändern, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestanden haben, dass dies als serienmäßig wiederkehrende Fertigung oder als Massenproduktion erfolgt ist.
33Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2011:190711UB5RS410R0
Fundstelle(n):
VAAAD-97938