Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses
Gesetze: § 39 Abs 2 S 2 HSchulG NW 2006 vom , § 43 S 3 HSchulG NW 2006 vom , § 44 HSchulG NW 2006 vom , § 53 Abs 1 HRG, § 44 Abs 1 VwVfG NW 1999
Instanzenzug: Az: 2 Ca 2402/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 11 Sa 446/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger zu der beklagten Universität in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.
2Der Kläger ist Gymnasiallehrer mit der Lehrbefähigung in den Fächern Mathematik und Physik. Mit Schreiben vom bewarb er sich bei der Beklagten um eine unter dem für den Fachbereich 10 - Mathematik und Informatik - ausgeschriebene Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis (Studienkoordinator mit Lehrverpflichtung). In der Folge übermittelte die Beklagte dem Kläger zum Zwecke der beabsichtigten Einstellung ein zweiseitiges Formular („Antrag auf Beschäftigung als wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in im Angestelltenverhältnis“), das dieser ausgefüllt an die Beklagte zurückgab. Im Rahmen des Konkurrentenklageverfahrens eines anderen Bewerbers verpflichtete sich die Beklagte, die ausgeschriebene Stelle bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens nicht zu besetzen.
Daraufhin übersandte die Beklagte dem Kläger folgendes Schreiben vom :
4Die Beauftragung wurde für die Zeiträume vom bis zum und vom bis mit entsprechenden Schreiben vom und verlängert. Der Kläger erhielt Bezüge nach der Entgeltgruppe (EG) 13 TV-L, von denen die Beklagte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführte. Ferner führte die Beklagte Beiträge zur Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ab und gewährte dem Kläger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub wie einem Tarifbeschäftigten.
5Der Kläger hat geltend gemacht, er stehe zur Beklagten in einem Arbeitsverhältnis, das mangels einer dem Schriftformerfordernis genügenden Befristungsabrede auf unbestimmte Zeit geschlossen sei. Für eine Tätigkeit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bestehe keine Rechtsgrundlage. Seinem wahren und von den Parteien übereinstimmend gewollten Inhalt nach sei das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Dass die Parteien nicht auch der äußeren Form nach ein Arbeitsverhältnis begründet hätten, sei auf die erhobene Konkurrentenklage zurückzuführen gewesen. Die Beauftragung „in der scheinbaren Form des öffentlichen Rechts“ sei rechtsmissbräuchlich.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Der Kläger sei durch Verwaltungsakt in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art berufen worden. Dieses sei zeitlich befristet gewesen und habe zum geendet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Gründe
9Die zulässige Revision ist unbegründet.
10I. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.
111. Das Schreiben vom enthielt ebenso wie die folgenden Verlängerungsschreiben kein Angebot der Beklagten auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags.
12a) Aus der Sicht eines verständigen Empfängers sind diese Schreiben dahin zu verstehen, dass die Beklagte dem Kläger die Tätigkeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters einseitig per Verwaltungsakt übertragen und damit ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis begründen wollte. Aus der Formulierung „… beauftrage ich Sie … mit der Wahrnehmung folgender Aufgaben: …“ wird deutlich, dass die Beklagte einseitig handeln und keinen Vertrag schließen wollte (vgl. - Rn. 13, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11). Der weitere Inhalt des Schreibens, insbesondere die enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung, verdeutlichen dies. Auch die mögliche öffentlich-rechtliche Unzulässigkeit der im Schreiben vom und den folgenden Verlängerungsschreiben gewählten Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eigener Art lassen für sich genommen nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ein Arbeitsverhältnis begründen wollen (vgl. - Rn. 15, aaO).
13b) Zwar wird aus der Vorgeschichte, insbesondere der Ausschreibung der Stelle und dem Einstellungsformular deutlich, dass die Beklagte zunächst ein Arbeitsverhältnis begründen wollte. Davon hat sie aber - für den Kläger erkennbar - im Hinblick auf die im Konkurrentenklageverfahren eingegangene Verpflichtung wieder Abstand genommen und ihm kein Vertragsangebot unterbreitet. Die sozialversicherungsrechtliche Abwicklung des Dienstverhältnisses ist für die Frage der Rechtsnatur ohne Belang ( - Rn. 16, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11). Ebenso wenig ist entscheidend, dass das Dienstverhältnis hinsichtlich der materiellen Bedingungen wie ein Arbeitsverhältnis abgewickelt wurde.
142. Die beklagte Hochschule hat mit dem Kläger ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art begründet.
15a) Die beklagte Universität ist als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts Träger öffentlicher Verwaltung und damit in der Lage, öffentlich-rechtlich zu handeln (vgl. - Rn. 18, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11).
16b) An Hochschulen können neben Beamtenverhältnissen und Arbeitsverhältnissen grundsätzlich auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse eigener Art begründet werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um die zeitweise Übertragung öffentlicher Aufgaben geht (st. Rspr., - Rn. 19, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11; - 5 AZR 435/04 - zu I 2 a der Gründe mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 5). Auch das nordrhein-westfälische Landesrecht kennt öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse eigener Art. Nach § 39 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom (GV NRW S. 474) idF vom (GV NRW S. 516) - HG NRW - ist die Professurvertretung ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis eigener Art; sie begründet kein Dienstverhältnis. Entsprechendes gilt gemäß § 43 Satz 3 HG NRW für Lehrbeauftragte.
17c) Ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis ist gegeben, wenn es durch einseitige Maßnahme, dh. durch einen Verwaltungsakt, begründet ist ( - zu I 2 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 5). Der Verwaltungsakt ist die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts typische Handlungsform der öffentlichen Verwaltung ( - Rn. 21, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11; - 5 AZR 435/04 - zu I 2 b dd der Gründe, aaO). Solche Verwaltungsakte liegen nach dem klaren Inhalt der Schreiben vom , und vor.
18d) Diese Verwaltungsakte sind bestandskräftig und nicht nichtig; an deren Tatbestandswirkung sind auch die Arbeitsgerichte gebunden.
19aa) Die Gerichte aller Rechtszweige sind an das Bestehen und den Inhalt von wirksamen Verwaltungsakten, selbst wenn sie rechtswidrig sind, gebunden, soweit ihnen nicht die Kontrollkompetenz eingeräumt ist. Diese Bindung entfällt nur, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist ( - Rn. 25, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11; - 5 AZB 19/95 - zu II 2 b der Gründe mwN, RzK I 10a Nr. 21).
20bb) Die dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zugrunde liegenden Verwaltungsakte sind vom Kläger nicht im Wege des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage angegriffen worden. Sie sind damit bestandskräftig.
21cc) Die Verwaltungsakte sind nicht nichtig.
22(1) Ein Fall der Nichtigkeit des Verwaltungsakts liegt nach § 44 Abs. 1 VwVfG NRW nur dann vor, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist ( - Rn. 25, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 11). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings unerträglich, dh. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen ( 11 B 26.00 - NVwZ 2000, 1039 mwN).
23(2) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
24Allerdings spricht vieles dafür, dass die Tätigkeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters im Anwendungsbereich des HG NRW nur in einem Beamten- oder in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden kann. Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Bereits die rahmengesetzliche Bundesnorm des § 53 Abs. 1 HRG legt diese Auslegung nahe. Danach sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Beamtinnen, Beamten und Angestellten, denen wissenschaftliche Dienstleistungen obliegen. Die Möglichkeit, wissenschaftliche Mitarbeiter im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu beschäftigen, sieht das HRG nicht vor. Eine entsprechende Regelung enthält § 44 Abs. 1 HG NRW. Danach sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten die den Fachbereichen, den wissenschaftlichen Einrichtungen oder den Betriebseinheiten der Universitäten zugeordneten Beamtinnen, Beamten und Angestellte, denen nach Maßgabe ihres Dienstverhältnisses wissenschaftliche Dienstleistungen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung obliegen. § 44 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 HG NRW konkretisieren die dienstrechtliche Stellung der wissenschaftlichen Mitarbeiter dahingehend, dass diese im Beamtenverhältnis oder im privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt werden können, und bestimmen die jeweiligen Einstellungsvoraussetzungen. Für wissenschaftliche Mitarbeiter, denen Aufgaben übertragen werden, die für das Vorbereiten einer Promotion förderlich sind, ordnet § 44 Abs. 5 HG NRW an, dass diese in einem befristeten privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt werden. Wissenschaftliche Mitarbeiter, denen Aufgaben übertragen werden, die auch der Erbringung zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen förderlich sind, können demgegenüber nach § 44 Abs. 6 HG NRW in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen oder in einem befristeten privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt werden. Auch die weiteren Bestimmungen des § 44 HG NRW beziehen sich ausschließlich auf Beschäftigungen im Beamten- oder Angestelltenverhältnis. Dies zeigt, dass der Landesgesetzgeber die Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen nicht vorgesehen hat. Andernfalls hätte er für diese eine § 39 Abs. 2 Satz 2 oder § 43 Satz 3 HG NRW vergleichbare Regelung geschaffen.
25Auch wenn damit der Ausschluss der Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eigener Art verbunden sein sollte, ist dieser jedenfalls in der vorliegenden besonderen Konstellation nicht so offensichtlich, dass von einer Nichtigkeit der statusbegründenden Verwaltungsakte ausgegangen werden könnte.
26dd) Deshalb kann auch dahinstehen, ob im Fall der Nichtigkeit der Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, das im Übrigen nach den Regeln eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt wurde, eine Umdeutung in ein Arbeitsverhältnis in Betracht kommt. Dies erscheint insbesondere dann denkbar, wenn die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses dazu geeignet ist, sich zwingenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu entziehen (ablehnend für die Umdeutung eines nichtigen Beamtenverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis: - zu I 2 b ee der Gründe, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 5).
27II. Die Frage der Wirksamkeit der Befristung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2011 S. 2782 Nr. 49
YAAAD-97201