Wiedereinsetzung in Familienstreitsache: Beschwerdebegründungsfristbeginn mit Verkündung der Entscheidungen
Leitsatz
In Familienstreitsachen findet nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG keine Anwendung. Daher sind Entscheidungen in Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 311 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verkünden .
Gesetze: § 41 Abs 1 S 2 FamFG, § 113 Abs 1 S 1 FamFG, § 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 117 Abs 1 S 3 FamFG, § 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 311 Abs 2 S 1 ZPO, § 329 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: Az: II-5 UF 201/10 Beschlussvorgehend AG Hagen (Westfalen) Az: 134 F 233/09
Gründe
I.
1Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Unterhaltsurteils.
2Das Amtsgericht hat dem Antrag nur teilweise stattgegeben. Der am verkündete Beschluss ist dem Antragsteller am zugestellt worden. Am ist seine Beschwerde beim Amtsgericht eingegangen.
3Mit einem am per Fax beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete der Antragsteller seine Beschwerde. Nach einem Hinweis des dass die Beschwerdebegründung nicht fristgerecht eingegangen sei, hat der Antragsteller am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt.
4Das Oberlandesgericht hat dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.
II.
5Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
6Das Oberlandesgericht hat zu Recht dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als unzulässig verworfen. Die Beschwerdebegründung ist verspätet bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingegangen und die Säumnis ist auf ein dem Antragsteller zurechenbares Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurückzuführen.
71. Die Beschwerde war gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Antragsteller sie entgegen § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG nicht innerhalb von zwei Monaten nach der schriftlichen Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses begründet hat. Dem Antragsteller wurde der Beschluss am zugestellt. Die Beschwerdebegründung ist jedoch erst am und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG beim Oberlandesgericht eingegangen.
82. Ebenfalls zu Recht hat das Oberlandesgericht dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil auf der Grundlage seines Vortrags ein ihm nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
9a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 263/03- FamRZ 2004, 696 und vom - XII ZB 164/03 - FamRZ 2005, 435, 436 jeweils mwN; zuletzt Senatsbeschluss vom - XII ZB 88/11 - juris Rn. 9). In diesem Fall muss der Rechtsanwalt eigenverantwortlich stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen. Für die Beschwerdebegründungsfrist nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG ist ihm das schon ab der Zustellung des Beschlusses möglich und zumutbar, weil die zweimonatige Begründungsfrist mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt.
10Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die Akte jedenfalls mit Ablauf der notierten Vorfrist am zur Fertigung der Beschwerdebegründung vorgelegt. Er hätte zu diesem Zeitpunkt die Begründungsfrist auf ihre Richtigkeit überprüfen müssen. Wäre der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte er den fehlerhaft für den notierten Fristablauf feststellen und die Beschwerdebegründung fristgemäß bis zum beim Oberlandesgericht einreichen können. Dieses Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss sich der Antragsteller zurechnen lassen.
11b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Beschwerdebegründungsfrist auch mit der schriftlichen Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses an den Antragsteller in Gang gesetzt worden.
12Die Rechtsbeschwerde geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass bei Fehlen einer wirksamen Verkündung des Beschlusses der Lauf der Rechtsmittelfristen nicht hätte beginnen können (vgl. BGHZ - GSZ - 14, 39, 44; Senatsurteil vom - XII ZR 131/09 - NJW 2011, 1741 Rn. 8). Der angegriffene Beschluss ist jedoch am ordnungsgemäß verkündet worden.
13Da nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Familienstreitsachen die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG, wonach die Bekanntgabe eines Beschlusses mit der Zustellung bewirkt wird, keine Anwendung findet, sind Entscheidungen in Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 311 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verkünden (MünchKommZPO/Fischer 3. Aufl. §116 FamFG Rn. 4; Musielak/Borth FamFG 2. Aufl. § 116 Rn. 3). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Ausweislich des Protokolls vom ist eine förmliche Verkündung des angegriffenen Beschlusses erfolgt.
14Soweit die Rechtsbeschwerde die Verkündung des Beschlusses für unwirksam hält, weil die Richterin das Verkündungsprotokoll nur mit einer Paraphe unterzeichnet habe, kann dem nicht gefolgt werden. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt als Unterschrift ein Schriftzug, der individuellen Charakter aufweist und einem Dritten, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ermöglicht, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauszulesen, der Unterzeichnende also erkennbar bleibt. Die Unterschrift muss zwar nicht unbedingt lesbar sein, mindestens einzelne Buchstaben müssen aber - wenn auch nur andeutungsweise - zu erkennen sein, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift fehlt. Anzulegen ist ein großzügiger Maßstab, wenn im Übrigen an der Autorenschaft und der Absicht, eine volle Unterschrift zu leisten, keine Zweifel bestehen ( - NZI 2011, 59 Rn. 5 mwN). Dagegen stellt ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), keine formgültige Unterschrift dar ( - NJW 1997, 3380, 3381).
15Gemessen an diesen Grundsätzen reicht die Unterschrift der Richterin unter dem Verkündungsprotokoll aus, um von einer hinreichenden Individualisierbarkeit auszugehen. Im Gegensatz zu dem angegriffenen Beschluss, der eine gut lesbare Unterschrift trägt, hat die Richterin das Verkündungsprotokoll zwar undeutlicher unterzeichnet. Ein objektiver Betrachter kann den Schriftzug aufgrund des klar erkennbaren Anfangsbuchstabens jedoch als Unterschrift der Richterin identifizieren. Eine Lesbarkeit der Unterschrift ist nicht erforderlich. Das Erscheinungsbild macht auch deutlich, dass eine volle Unterschriftsleistung gewollt war.
163. Weil der Antragsteller die Frist zur Begründung seiner Beschwerde nicht schuldlos versäumt hat, hat das Oberlandesgericht ihm die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.
Hahne Weber-Monecke Dose
Schilling Günter
Fundstelle(n):
NJW-RR 2012 S. 1 Nr. 1
JAAAD-96503