OFD Koblenz - S 2246 A - St 31 4 Kurzinfo ESt Nr. ST 3_2011K111

Aufgabe der Vervielfältigungstheorie bei einer Tätigkeit i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG

Aufgabe der Vervielfältigungstheorie bei einer Tätigkeit i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG

Mit BStBl 2011 II S. 506; Az: , BFH/NV 2011 S. 1303 – 1306) hat der BFH die Vervielfältigungstheorie bei Steuerpflichtigen, die eine sonstige selbständige Tätigkeit i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausüben, aufgegeben.

Der vom BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung angewandten Vervielfältigungstheorie liegt zugrunde, dass eine solche Tätigkeit ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ausgeübt werden muss ( BStBl 1966 III S. 489, u. v. a.). Nunmehr hält der BFH nicht mehr daran fest, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter für Berufe i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG in einer nach Art der Tätigkeit unterschiedlichen Weise beurteilt sehen wollte.

Die Tätigkeit eines Insolvenz- oder Zwangsverwalters i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG setzt aber bei zulässiger Mitarbeit fachlich Vorgebildeter voraus, dass der Berufsträger trotz solcher Mitarbeiter weiterhin seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich (Stempeltheorie) i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ausübt. Eine solche Berufsausübung ist nur erfüllt, wenn diese über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist ( BStBl 2011 II S. 506).

Dies bedeutet, dass der Insolvenz- oder Zwangsverwalter die höchstpersönlichen Entscheidungen über das „Ob” bestimmter Einzelakte im Rahmen des Insolvenzverfahrens treffen muss (s. a. FG-Urteil Rheinland-Pfalz vom , EFG 2007 S. 1523 – 1526). Die höchstpersönliche Arbeitsleistung wird aber auch dann noch vom Berufsträger ausgeübt, wenn er ausnahmsweise in einzelnen Routinefällen nicht mitgearbeitet hat. Hat er die Entscheidungen höchstpersönlich getroffen, ist die kaufmännisch-technische Umsetzung dieser Entscheidung („Wie”) für die Beurteilung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG unbeachtlich, wenn diese auf Angestellte oder fremdbetrieblich tätige Dritte übertragen wird.

Die neue BFH-Rechtsprechung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden und entspricht nunmehr inhaltlich der entsprechenden Abgrenzung zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Hinweis:

Mit der Aufgabe der Vervielfältigungstheorie ( a. a. O.) entfällt nicht die Einstiegsprüfung, ob ein Steuerpflichtiger eine Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt. Im zweiten Prüfungsschritt ist das Vorliegen einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit zu betrachten, die nur noch in seltenen Ausnahmefällen verneint werden kann.

OFD Koblenz v. - S 2246 A - St 31 4Kurzinfo ESt Nr. ST 3_2011K111

Fundstelle(n):
DStR 2012 S. 188 Nr. 4
Ubg 2012 S. 127 Nr. 2
EAAAD-95605