Sexueller Missbrauch eines Kindes: Voraussetzungen eines Versuchs
Gesetze: § 22 StGB, § 176 Abs 1 Alt 2 StGB, § 176 Abs 6 StGB
Instanzenzug: LG Rostock Az: 12 KLs 36/11 - 1 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts begleitete der Angeklagte die ihm unbekannte neun Jahre alte Grundschülerin C. auf ihrem Schulweg. Dabei erzählte er ihr, dass zwei etwa 12 Jahre alte Freundinnen seiner Tochter bei ihm zuhause gebadet hätten. Eine von ihnen habe auf seine Aufforderung hin seinen Penis angefasst und sei anschließend von ihm von hinten „gefickt“ worden. Im Anschluss daran forderte er C. auf, ebenfalls seinen Penis anzufassen. Diese weigerte sich, ging aber weiter neben dem Angeklagten her. Kurz darauf kam ihr Vater hinzugeeilt und stellte den Angeklagten zur Rede. Ob C. die Bedeutung des Wortes „Ficken“ geläufig war, vermochte das Landgericht nicht sicher festzustellen. Sie war jedoch in der Lage, sowohl den sexuellen Bezug der Erzählungen, als auch den Inhalt der an sie gerichteten Aufforderung zu erfassen. Noch am Folgetag wirkte sie deshalb peinlich berührt.
3Das Landgericht hat in den Erzählungen des Angeklagten einen sexuellen Missbrauch von Kindern im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB und in der sich anschließenden Aufforderung seinen Penis anzufassen einen hierzu in Tateinheit stehenden versuchten sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 Fall 2, Abs. 6 Halbsatz 1; § 23 Abs. 1, § 22 StGB gesehen.
II.
4Ein versuchter sexueller Missbrauch eines Kindes wird durch die Feststellungen nicht belegt.
5Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen erfüllen diese Voraussetzungen nur dann, wenn sie nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht vorgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weiteren Zwischenakt in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (, BGHSt 37, 294, 297 f.; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Danach kann in der Aufforderung des Angeklagten, seinen Penis anzufassen, nur dann ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 176 Abs. 1 Fall 2 StGB gesehen werden, wenn der Angeklagte dabei angenommen hat, dass es im unmittelbaren Anschluss – also auf offener Straße – zur Vornahme der angestrebten sexuellen Handlung kommt. Ausdrückliche Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen. Obgleich der Angeklagte in der Vergangenheit mehrfach wegen exhibitionistischer Handlungen und Vornahme sexueller Handlungen in der Öffentlichkeit verurteilt werden musste, versteht sich ein solcher Tatplan hier nicht von selbst.
6Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das Landgericht von Tateinheit (§ 52 StGB) ausgegangen ist, betrifft die Aufhebung auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB.
Ernemann Roggenbuck Franke
Bender Quentin
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HAAAD-94726