Mitbestimmung bei Eingruppierung; Stufenzuordnung; förderliche Zeiten einer vorherigen Berufstätigkeit; Deckung des Personalbedarfs; Mitbestimmung bei der Lohngestaltung
Leitsatz
Die Mitbestimmung bei der Eingruppierung in den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-VKA (juris: TVöD) ist nicht davon abhängig, dass der Dienststellenleiter bei der Aufstellung der Grundsätze zur Anerkennung förderlicher Zeiten einer vorherigen Berufstätigkeit zur Deckung des Personalbedarfs den Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat.
Gesetze: § 16 Abs 2 S 3 TVöD, § 77 Abs 1 Nr 2 Buchst b PersVG HE 1988
Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 22 A 819/10.PV Beschlussvorgehend VG Frankfurt Az: 23 K 4011/09.F.PV
Gründe
1Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 111 Abs. 3 Satz 1 HePersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
21. Die Divergenzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch.
3a) Allerdings weicht der angefochtene Beschluss von den Senatsbeschlüssen vom - BVerwG 6 P 15.08 - (Buchholz 251.0 § 76 BaWüPersVG Nr. 8) und vom - BVerwG 6 P 15.10 - (juris) ab. Diese Senatsentscheidungen sind zu den Regelungen in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L bzw. § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund ergangen, die wörtlich und inhaltlich übereinstimmen mit der im vorliegenden Fall anzuwendenden Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-VKA. Nach diesen Bestimmungen kann der Arbeitgeber - unabhängig von den vorangehenden zwingenden Regelungen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 bis 3 TV-L, § 16 Abs. 3 Satz 1 bis 3 TVöD-Bund, § 16 Abs. 2 Satz 1 und 2 TVöD-VKA) - bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.
4Dazu hat der Senat auf der Grundlage des Baden-Württembergischen Personalvertretungsgesetzes bzw. des Bundespersonalvertretungsgesetzes entschieden: Beabsichtigt der Dienststellenleiter, auf der Grundlage von § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L bzw. § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund Grundsätze zur Stufenzuordnung zu erlassen, so muss er den Personalrat im Wege der Mitbestimmung bei der Lohngestaltung beteiligen. Dem kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er zusätzliche Stufen nur im Wege individueller Entscheidung berücksichtigt. Kommt es zur Aufstellung derartiger Grundsätze, so erstreckt sich die Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierung auf die Einhaltung dieser Grundsätze. Diese bilden zusammen mit der Ermächtigung in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L bzw. § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund und der tariflichen Entgeltordnung die Rechtsgrundlagen, für deren richtige Anwendung der Personalrat bei Neueinstellungen im Wege der Mitbeurteilung zu sorgen hat (vgl. Beschlüsse vom a.a.O. Rn. 38 und vom a.a.O. Rn. 47).
5Nach den beiden zitierten Senatsentscheidungen kommt es für die Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierung in den hier in Rede stehenden tariflichen Fallgestaltungen (§ 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L, § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund, § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-VKA) darauf an, ob der Dienststellenleiter zur Ausfüllung der genannten Tarifnormen Grundsätze aufgestellt hat, die er im Verhältnis zu den Arbeitnehmern der Dienststelle anwendet. Ob er bei der Aufstellung dieser Grundsätze seinen Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat, ist dagegen unerheblich. So sind die Ausführungen des Senats in ihrem Gesamtzusammenhang zu verstehen.
6Demgemäß ist die Eingruppierung wie auch die darauf bezogene Mitbestimmung des Personalrats vom Gedanken der Tarifautomatik beherrscht. Danach ergibt sich die richtige Einreihung des Arbeitnehmers durch Subsumtion der auszuübenden Tätigkeit, Qualifikation und beruflichen Erfahrung unter die abstrakt-generellen Merkmale der in der Dienststelle angewandten Entgeltordnung. Soweit die Stufenzuordnung nach den einschlägigen Tarifnormen trotz der Auslegungsspielräume, die durch die dort verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe eröffnet sind, als zwingende Regelung ausgestaltet ist, unterliegt sie in gleicher Weise der Tarifautomatik wie die Einordnung in die Entgeltgruppe. Es ist daher folgerichtig, die Stufenzuordnung ebenfalls zum Zwecke der Richtigkeitskontrolle der Mitbeurteilung des Personalrats zu unterziehen (vgl. Beschlüsse vom a.a.O. Rn. 28 und vom a.a.O. Rn. 31).
7In den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L, des § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund und des § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-VKA ergibt sich wegen des dem Arbeitgeber eingeräumten Ermessensspielraums die richtige Stufenzuordnung nicht bereits aus der Anwendung der genannten Tarifnormen allein. Es bedarf vielmehr der Ergänzung durch weitere abstrakt-generelle Entgeltgrundsätze, welche dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Stufe vermitteln, welche höher ist als diejenige bei Anwendung der zwingenden Tarifnormen. Für die Mitbestimmung bei Eingruppierung ist unerheblich, woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt. Sie kann in einem für den Arbeitgeber geltenden oder auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Dienstvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen in der Dienststelle allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein (vgl. BAG, Beschlüsse vom - 1 ABR 35/02 - BAGE 107, 338 <344>, vom - 1 ABR 37/03 - BAGE 112, 238 <248>, vom - 1 ABR 97/07 - BAGE 131, 286 Rn. 20 und vom - 7 ABR 136/09 - juris Rn. 18). Der Arbeitgeber kann sich daher der Mitbestimmung bei der Eingruppierung eines Arbeitnehmers nicht dadurch entziehen, dass er abstrakt-generelle Regeln zur Anerkennung förderlicher Zeiten einer vorherigen Berufstätigkeit zur Deckung des Personalbedarfs unter Verstoß gegen ein etwa gegebenes Recht des Personalrats auf Mitbestimmung bei der Lohngestaltung einseitig vorgibt. In einem derartigen Fall kommt die Mitbestimmung bei der Eingruppierung vielmehr in der Weise zum Zuge, dass der Personalrat berechtigt ist, die Zustimmung wegen Gesetzesverstoßes zu verweigern. Denn Entgeltgrundsätze, die der Arbeitgeber unter Missachtung von Mitbestimmungsrechten aufgestellt hat, sind rechtsunwirksam (vgl. - AP Nr. 23 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Bl. 534).
8Das vorbezeichnete Verständnis liegt den zitierten Aussagen in den Senatsbeschlüssen vom und zugrunde. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof abgewichen, indem er die Mitbestimmung bei Eingruppierung in den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-VKA davon abhängig macht, dass der Dienststellenleiter bei der Aufstellung der Grundsätze den Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat.
9b) Auf dieser Abweichung beruht der angefochtene Beschluss jedoch nicht. Dieser erweist sich auf der Grundlage der zitierten Senatsrechtsprechung jedenfalls im Ergebnis als richtig. Nach dieser Rechtsprechung setzt die Mitbestimmung bei der Eingruppierung in den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-VKA voraus, dass der Dienststellenleiter Grundsätze aufgestellt hat, aus welchen sich ein Anspruch des betroffenen Arbeitnehmers auf Zuordnung zu einer bestimmten Stufe des tariflichen Entgeltschemas zwingend ergibt. Diese Anforderung erfüllt das in der Beschwerdebegründung zitierte und im Anhörungstermin des Verwaltungsgerichtshofs erörterte Schreiben der Beteiligten vom offensichtlich nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich darin, zu den Tatbestandsmerkmalen der Tarifnorm ("förderliche Zeiten", "zur Deckung des Personalbedarfs") konkretisierende Hinweise zu geben, sowie festzulegen, in welchem Umfang förderliche Zeiten für die Zuerkennung einer Stufe oberhalb Stufe 3 mindestens vorliegen müssen. Eine verbindliche Ausfüllung des Ermessensspielraums, der zu einem Anspruch des Bewerbers führt, ist mit dem Schreiben nach seinem Gesamtinhalt ausdrücklich nicht beabsichtigt.
102. Mit der Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommt der Antragsteller gleichfalls nicht zum Zuge. Dass für die Mitbestimmung bei Eingruppierung in den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD-VKA nicht erforderlich ist, dass der Aufstellung ermessensausfüllender Grundsätze durch den Dienststellenleiter ein ordnungsgemäßes Mitbestimmungsverfahren wegen Lohngestaltung vorausgegangen ist, folgt bereits aus der zitierten Senatsrechtsprechung. Einer Klarstellung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren bedarf es nicht. Dies verkennt letztlich auch der Antragsteller nicht, wie seine Ausführungen zur Begründung der Abweichungsrüge zeigen.
Fundstelle(n):
HAAAD-93699