BGH Beschluss v. - 3 StR 228/11

Untreue des GmbH-Geschäftsführers: Missbrauch der Verfügungsmacht über ein Gesellschaftskonto trotz Einverständnis der Gesellschafter

Gesetze: § 52 StGB, § 53 StGB, § 266 StGB, § 283b Abs 1 Nr 3 Buchst b StGB, § 283b Abs 3 StGB, § 283b Abs 6 StGB, § 30 GmbHG

Instanzenzug: Az: 14 KLs 14/08 - 120 Js 760/07 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen sowie wegen Untreue in 33 Fällen und wegen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Weiter hat es ausgesprochen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg. Auf die schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Verfahrensbeanstandung, die die Verurteilung in den Fällen II. 4. bis II. 22. der Urteilsgründe betrifft, kommt es - unabhängig von der Frage, ob sie fristgerecht erhoben worden ist - daher nicht an. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten unter anderem auf folgende Feststellungen gestützt:

3Die Ehefrau des Angeklagten war zunächst Mitgesellschafterin und seit Juni 2005 Alleingesellschafterin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, als deren faktischer Geschäftsführer der Angeklagte fungierte.

4In den Jahren 2005 und 2006 - dazu II. 3. der Urteilsgründe - spiegelte der Angeklagte zahlreichen Interessenten, die er als Händler von Waren der Gesellschaft zu gewinnen suchte, vor, er werde eine von den Interessenten geleistete Anzahlung zur Finanzierung von Leasingfahrzeugen an eine Leasinggesellschaft weiterleiten. In 18 vom Landgericht im Einzelnen festgestellten Fällen leisteten die von ihm geworbenen Interessenten Anzahlungen zur Finanzierung eines Leasingfahrzeugs in Höhe von mehreren tausend Euro. In zwei weiteren Fällen zahlten die Interessenten nicht. Der Angeklagte verwendete die Anzahlungen seinem vorgefassten Tatentschluss entsprechend nicht wie gegenüber den Interessenten angekündigt, sondern für eigene und die Zwecke der Gesellschaft, wobei er sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen suchte.

5Zwischen Mai 2005 und September 2006 - Fälle II. 4. bis II. 36. der Urteilsgründe - überwies der verfügungsbefugte Angeklagte verschiedene Beträge vom Geschäftskonto der Gesellschaft an seine Tochter, seine mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Ehefrau und den Vermieter seiner Privatwohnung. Diesen Leistungen standen adäquate Gegenleistungen zugunsten der Gesellschaft nicht gegenüber.

6Schließlich - Fall II. 37. der Urteilsgründe - unterließ es der Angeklagte, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist eine Bilanz der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 2005 aufzustellen.

72. Diese Feststellungen tragen in den Fällen II. 3. bis II. 37. der Urteilsgründe den Schuldspruch nicht.

8a) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen eines Betruges - II. 3. der Urteilsgründe - verurteilt hat, ändert der Senat den Schuldspruch im Sinne einer tatmehrheitlichen Begehungsweise der vom Landgericht im Einzelnen festgestellten Taten (§ 354 Abs. 1 StPO; vgl. , wistra 2001, 217, 218). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den Vorwurf einer tatmehrheitlichen Begehung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einsatzstrafe von vier Jahren und neun Monaten.

9b) Weiter hat die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 33 Fällen - II. 4. bis II. 36. der Urteilsgründe - keinen Bestand.

10aa) Das Landgericht hat zunächst nicht berücksichtigt, dass Überweisungen zugunsten der Tochter nur in 17, nicht in 19 Fällen angeklagt und festgestellt sind.

11bb) Das Landgericht hat zwar im Grundsatz richtig gesehen, dass sich ein Missbrauch der Verfügungsmacht über das Konto der Gesellschaft gegen einen anderen Vermögensträger als die Betrugstaten richtete, so dass Untreuetaten des Angeklagten als deren faktischer Geschäftsführer keine mitbestraften Nachtaten sind (, NStZ 2001, 195 f.). Es hat sich jedoch nicht mit der Frage des Vorliegens und der Wirksamkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses der Gesellschafter bzw. der Alleingesellschafterin als Vermögensinhaber befasst.

12Da die Pflichtwidrigkeit des Handelns Merkmal des Untreuetatbestands ist, schließt das Einverständnis des Inhabers des zu betreuenden Vermögens die Tatbestandsmäßigkeit aus (, BGHSt 50, 331, 342; Beschluss vom - 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 57; Urteil vom - 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 278). Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Vermögensinhabers dessen oberstes Willensorgan für die Regelung der inneren Angelegenheiten, bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Gesamtheit ihrer Gesellschafter.

13Aus dem Einverständnis der Gesellschafter folgt indessen nicht in jedem Fall der Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit. Zwar können der Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Zustimmung ihrer Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (, BGHSt 49, 147, 157 ff.; Beschluss vom - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2227; Beschluss vom - 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 57 ff.). Dazu hat das Landgericht ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zum Einverständnis als solchem. Seine Ausführungen zum "Geschäftsmodell" der Gesellschaft legen einen Verstoß zwar nahe, ergeben ihn aber nicht mit einer die Verurteilung tragenden hinreichenden Deutlichkeit.

14c) Keinen Bestand hat schließlich die Verurteilung des Angeklagten wegen Bankrotts (II. 37. der Urteilsgründe). Das Landgericht hat nicht festgestellt, der Angeklagte habe das Aufstellen der Bilanz für das Geschäftsjahr 2005 bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unterlassen.

15Eine Änderung des Schuldspruchs dahin, der Angeklagte sei der Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB schuldig, kommt nicht in Betracht. Das Landgericht hat keine hinreichenden Feststellungen zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283b Abs. 3, § 283 Abs. 6 StGB getroffen. Der Hinweis, der Geschäftsführer der Gesellschaft habe einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, genügte hierfür ebenso wenig wie die Schilderung einer Vernehmung des Insolvenzverwalters der Gesellschaft im Rahmen der Beweiswürdigung.

163. Im Umfang der Aufhebung entfallen die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen. Dies hat Auswirkung auf die Gesamtstrafe, über die das Landgericht erneut zu befinden haben wird. Ohne Rücksicht auf ihre Angemessenheit bestehen bleibt hingegen die Anordnung des Landgerichts, von der verhängten (Gesamt-) Freiheitsstrafe gelten neun Monate als vollstreckt. Zwar hat das Landgericht, das sich auf die Schilderung der äußeren Abläufe einzelner Verfahrensabschnitte beschränkt hat, die Voraussetzungen der von ihm vorgenommenen Kompensation nicht wie geboten dargelegt (dazu , NStZ-RR 2011, 239, 240). Die Aufhebung des Strafausspruchs auf eine allein vom Angeklagten eingelegte Revision erfasst indessen den Ausspruch über den Ausgleich einer bis dahin eingetretenen (vermeintlich) rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht (, BGHSt 54, 135, 138). Vielmehr verbleibt es zugunsten des Angeklagten bei der vom Landgericht getroffenen Anordnung.

174. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

18a) Sollte das Landgericht erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in (richtig) 17 Fällen wegen der zugunsten seiner Tochter vorgenommenen Überweisungen kommen, wird es seine Annahme, der Angeklagte habe auch insoweit gewerbsmäßig gehandelt, näher zu begründen haben.

19b) Das Landgericht wird sich im Zusammenhang mit den Überweisungen des Angeklagten an seine Tochter, seine Ehefrau und seinen Vermieter mit der Frage zu befassen haben, ob sich der Angeklagte jeweils tateinheitlich mit einer Untreue auch einer Insolvenzstraftat schuldig gemacht hat. Der Senat neigt weiter dazu, die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und der Untreue nach § 266 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen, sondern maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist (, NJW 2009, 2225, 2227 f.; Beschluss vom - 1 StR 301/09, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4). Nach dieser Maßgabe kommt auch eine Strafbarkeit nach §§ 283 ff., 14 Abs. 3 StGB in Betracht.

Becker                                     Pfister                                   Schäfer

                      Mayer                                      Menges

Fundstelle(n):
GmbH-StB 2012 S. 43 Nr. 2
GmbHR 2012 S. 30 Nr. 1
ZIP 2011 S. 2475 Nr. 51
wistra 2011 S. 463 Nr. 12
HAAAD-93459