Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens; grundsätzliche Bedeutung; Benennungsverlangen gegenüber dem leistenden Steuerpflichtigen
Gesetze: AO § 160 Abs. 1 Satz 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.
2 Eines vorherigen Hinweises des beschließenden Senats an die Kläger, wonach ihre Beschwerdebegründung nicht ausreichend ist, bedurfte es nicht (, Monatsschrift für Deutsches Recht 1994, 319; ebenso Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 116 FGO Rz 252). Die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—) verlangt lediglich, dass das beschließende Gericht eine den Beteiligten selbst gesetzte Frist zur Äußerung abwartet und, sofern es eine solche Frist zur Stellungnahme zum Vorbringen des anderen Beteiligten nicht setzt, die Entscheidung bis zum Ablauf einer solchen Frist zurückstellt, innerhalb derer eine eventuell beabsichtigte Stellungnahme unter normalen Umständen eingehen kann (, BFH/NV 2007, 957). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gewahrt.
3 1. Die Kläger haben die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht in der gebotenen Weise dargelegt.
4 Für die zu fordernde Darlegung muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage im allgemeinen Interesse liegt (, BFH/NV 2011, 601, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
5 a) Die Kläger machen in erster Linie geltend, der Sache komme deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich das Finanzgericht (FG) in seinem Urteil auf das Gutachten der Firma X gestützt habe. Dieses Gutachten sei nicht repräsentativ und führe in der Sache zu unzutreffenden Ergebnissen.
6 Dieser Vortrag der Kläger betrifft keine in grundsätzlicher Hinsicht zu klärende Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, sondern die Verwertung eines Gutachtens im Rahmen der im konkreten Einzelfall zu treffenden tatsächlichen Feststellungen sowie die vom FG vorgenommene Beweiswürdigung. Im Übrigen bleibt es jedem betroffenen Steuerpflichtigen unbenommen, in seinem Verfahren die Richtigkeit des Gutachtens der Firma X zu bestreiten und (ggf. durch Stellung von Beweisanträgen) vom FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu verlangen.
7 b) Soweit die Kläger sinngemäß die Frage aufwerfen, ob der Grundsatz, wonach eine Schätzung realitätsnah sein müsse, durch ein Benennungsverlangen (§ 160 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung —AO—) umgangen werden dürfe, indem bei Nichtbeantwortung mit geschätzten Betriebseinnahmen im Zusammenhang stehende Betriebsausgaben unberücksichtigt blieben, fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der zu § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ergangenen Rechtsprechung und Literatur.
8 Ein Benennungsverlangen gegenüber dem leistenden Steuerpflichtigen (hier dem Kläger) ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich gerechtfertigt, wenn die Vermutung nahe liegt, dass der Zahlungsempfänger die erlangten Einnahmen nicht versteuert hat (, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995). Den Finanzbehörden und den FG kommt hierbei ein Ermessen zu, von dem sie in doppelter Weise Gebrauch machen. Zunächst wird darüber entschieden, ob ein Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen gerichtet wird. Sodann wird eine Entscheidung darüber getroffen, ob und inwieweit Ausgaben, bei denen der Empfänger nicht benannt worden ist, zum Abzug zuzulassen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFHE 188, 280, BStBl II 1999, 434).
9 Ein solches Benennungsverlangen kann auch gerechtfertigt sein, wenn dem Steuerpflichtigen die in Frage stehenden Betriebsausgaben mit Sicherheit entstanden sind (BFH-Urteil in BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995). Denn durch die (ganz oder teilweise) Verweigerung des Betriebsausgabenabzugs im Falle der unterbliebenen Empfängerbenennung wird der Steuerpflichtige gleichsam als „Haftender” für die Steuerschuld des Zahlungsempfängers in Anspruch genommen (, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).
10 Allerdings steht ein solches Benennungsverlangen in besonderem Maß unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (, BFH/NV 1987, 689). Entscheidend ist, ob es dem Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der von ihm geleisteten Zahlungen zumutbar war, sich der Identität seines jeweiligen Geschäftspartners zu versichern, um so in der Lage zu sein, ihn als Empfänger der Zahlungen zu bezeichnen (, BFHE 132, 211, BStBl II 1981, 333). Der Einwand der Kläger, ein Steuerpflichtiger, dem die in Frage stehenden Betriebsausgaben nicht entstanden seien, könne ein insoweit an ihn gestelltes Benennungsverlangen nicht beantworten, ist zutreffend und bedarf keiner weiteren Erörterung. Es geht den Klägern jedoch in Wirklichkeit darum, die Unrichtigkeit der vom FG vorgenommenen Zuschätzung von Betriebseinnahmen und damit im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben aufzuzeigen. Hierdurch greifen sie aber lediglich die vom FG vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung an. Eine (etwaige) unzutreffende Würdigung solcher tatsächlicher Umstände rechtfertigt aber grundsätzlich keine Zulassung der Revision (siehe dazu auch unten bei 2.b).
11 2. Die Kläger haben auch den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht in ausreichender Weise gerügt.
12 a) Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz im Sinne der vorstehend genannten Vorschrift gehört die genaue Bezeichnung der Entscheidung (z.B. eines anderen FG oder des BFH), von der im Streitfall angeblich abgewichen worden ist. Die tragenden Rechtssätze dieser Entscheidung und derjenigen in dem angefochtenen Urteil sind in der Beschwerdebegründung so gegenüberzustellen, dass eine Abweichung beider Entscheidungen im grundsätzlichen Ansatz erkennbar wird. Ferner ist auch darzulegen, dass es sich in beiden Fällen um vergleichbare Sachverhalte und um eine identische Rechtsfrage handelt (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 72/10, BFH/NV 2011, 273).
13 Die Kläger machen geltend, der 6. Senat des FG Hamburg habe im Verfahren 6 K 90/08 ein Benennungsverlangen nicht gestellt. Dieser Vortrag genügt den vorstehend dargestellten Darlegungsanforderungen ersichtlich nicht. Nichts anderes gilt für den klägerischen Vortrag im (lange nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 FGO eingereichten) Schriftsatz vom . In diesem wird lediglich ausgeführt, in den mündlichen Verhandlungen vor dem FG Hamburg in den Verfahren 1 K 40/10 und 1 K 41/10 habe der Senatsvorsitzende geäußert, im Falle einer Hinzuschätzung von Umsätzen bei einem Taxiunternehmen sei davon auszugehen, dass die Mehrerlöse mit einem höheren Kraftstoffverbrauch verbunden und auch eine höhere Vorsteuer zu berücksichtigen sei.
14 b) Die Kläger machen auch nicht schlüssig einen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend.
15 Ein solcher Fehler ist bei einer „greifbaren Gesetzwidrigkeit” gegeben. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 113). Diese Voraussetzung kann etwa vorliegen, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat oder wenn das Urteil jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht. Unterhalb dieser Schwelle liegende erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (Senatsbeschluss vom X B 178/09, BFH/NV 2010, 2010, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
16 Der Vortrag der Kläger, das FG habe die klägerischen Einwendungen gegen das Gutachten der Firma X ignoriert, lässt den Inhalt des angefochtenen Urteils unberücksichtigt. Aus diesem ergibt sich, dass das FG nicht nur im Tatbestand des Urteils die klägerischen Einwendungen gegen dieses Gutachten wiedergegeben hat (Urteil S. 17-19). Auch in den Entscheidungsgründen setzt sich das FG ausführlich mit den klägerischen Argumenten auseinander (Urteil S. 26-34). Auch aus der nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist mit Schriftsatz vom eingereichten kritischen Äußerung eines anderen Taxiunternehmers zu dem Gutachten der Firma X ergibt sich keine greifbare Gesetzwidrigkeit des hier angefochtenen Urteils des FG.
17 Soweit sich die Beschwerde gegen das vom FG gestellte Benennungsverlangen nach § 160 Abs. 1 Satz 1 FGO und dagegen richtet, dass die hiervon betroffenen Betriebsausgaben wegen Nichtbeantwortung dieses Verlangens unberücksichtigt geblieben sind, ist eine greifbare Gesetzwidrigkeit ebenfalls nicht gegeben.
18 Das FG hat in seinem Urteil die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Anwendung der vorstehend genannten Vorschrift zutreffend wiedergegeben und dargelegt, dass sie im Streitfall anwendbar ist (vgl. auch oben bei 1.b). Auch hat das FG zutreffend erkannt, dass die Nichtbeantwortung des Benennungsverlangens nicht zwingend die vollständige Versagung des Abzugs der betroffenen Betriebsausgaben zur Folge hat. Das FG hat zu Recht ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung die steuerlichen Verhältnisse der Zahlungsempfänger (soweit diese nach den Gesamtumständen in ihrer Zusammensetzung bekannt sind) zu berücksichtigen sind. Dass das FG diese Verhältnisse unberücksichtigt gelassen hat, weil die Empfänger und ihre steuerlichen Verhältnisse nicht einzugrenzen waren, ist eine jedenfalls nicht völlig unvertretbare Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten.
19 3. Die Kläger rügen auch nicht schlüssig die Verletzung eines Verfahrensfehlers i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Ihr Vortrag, das FG habe sich im Rahmen der Schätzung nicht allein auf das Gutachten der Firma X stützen, sondern z.B. die beim Kläger beschäftigten Fahrer als Zeugen zu den tatsächlichen Gegebenheiten im klägerischen Betrieb vernehmen müssen, zeigt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch das FG nicht in ausreichender Weise auf. Da die gerichtliche Sachaufklärungspflicht durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455), hätten die Kläger darlegen müssen, dass sie entsprechende Beweisanträge gestellt haben oder aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Sachaufklärung auch von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1899 Nr. 11
UAAAD-92610