Abgrenzung Lieferung und Restaurationsleistung
Leitsatz
1. Verzehrvorrichtungen dürfen nur als Dienstleistungselement berücksichtigt werden, wenn sie vom Leistenden als Teil einer einheitlichen Leistung zur Verfügung gestellt werden (Änderung der Rechtsprechung).
2. Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes Frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten führt zu einem dem Regelsteuersatz unterliegenden Restaurationsumsatz.
Gesetze: UStG 1999 § 3 Abs. 1 und 9UStG 1999 § 12 Abs. 2 Nr. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 6 Abs. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Anhang H
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
1Streitig ist, ob die Umsätze des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus dem Betrieb eines Imbissstandes dem Regelsteuersatz unterliegen.
2Der Kläger verkaufte in einem vor seinem Ladengeschäft (Fleischerei) aufgebauten Imbissstand Bratwürste, Pommes Frites und täglich wechselnde Gerichte in verzehrfertigem Zustand. Der Stand hatte eine Größe von ca. 3,5 m x 3,8 m und war mit einem über die Außenwände hinausragenden Dach versehen. Umlaufend war in einer Höhe von ca. 1,10 m ein ca. 0,5 m breites Brett angebracht, auf dem Ketchup und Senfbehälter aufgestellt waren. Der Verkauf war nach allen vier Seiten möglich, tatsächlich wurde jedoch maximal zu zwei Seiten hin verkauft. Die jeweils nicht zum Verkauf genutzten Seiten waren durch herabgelassene Fensterläden geschlossen.
3Unmittelbar vor dem Stand befand sich eine fest installierte, allgemein zugängliche städtische Sitzbank. Ab dem stellte der Kläger eine aus zwei Bänken und einem Tisch bestehende „Bierzeltgarnitur” vor seinem Stand auf.
4In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2000 bis 2003) hatte der Kläger die auf den Imbissstand entfallenden Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) davon aus, dass diese Umsätze —mit Ausnahme eines geschätzten Anteils von Außer-Haus-Verkäufen (10 %)— dem Regelsteuersatz unterlägen und setzte die Umsatzsteuer der Streitjahre durch die Änderungsbescheide vom entsprechend höher fest. Den dagegen eingelegten Einsprüchen half das FA mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom aus anderen Gründen teilweise ab, im Übrigen wies es die Einsprüche mit der Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
5Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und begründete sein in „Entscheidungen der Finanzgerichte” 2010, 1837 veröffentlichtes Urteil damit, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle nach § 3 Abs. 9 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) eine sonstige Leistung gewesen sei. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Vorrichtungen in Form eines umlaufenden Brettes am Imbissstand in der angebrachten Höhe und Breite den Kunden typischerweise die Möglichkeit eröffnen sollten, die erworbenen Speisen an Ort und Stelle zu verzehren und von ihnen tatsächlich auch in diesem Sinne genutzt würden. Dem stehe nicht entgegen, dass ein Teil des Tresens dem Verkauf der Waren gedient habe, da der weit überwiegende Teil des Tresens zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle zur Verfügung gestanden habe. Dem Ergebnis entspreche das (BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487), wonach die Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen als Dienstleistung dem Regelsteuersatz unterliege, wenn Kunden eines Imbisswagens ihre Speisen unter Benutzung von Tischen, Stühlen und Bänken der Standnachbarn verzehren könnten.
6Auch unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben habe der Kläger nicht lediglich Lebensmittel geliefert, sondern verzehrfertig zubereitete Speisen verkauft, bei denen in erheblichem Umfang über eine Lieferung hinausgehende Leistungselemente vorlägen: Der Kläger habe alle von ihm verkauften Waren durch Erhitzen in einen verzehrfähigen Zustand gebracht und Vorrichtungen zu deren Verzehr an Ort und Stelle sowie Zutaten wie Ketchup und Senf zur Selbstbedienung zur Verfügung gestellt.
7Mit Beschluss vom hat der erkennende Senat das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in den zum gemeinsamen Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbundenen Rechtssachen C-497/09 und C-501/09 angeordnet. Der , C-499/09, C-501/09, C-502/09 Bog u.a. (Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2011, 272) die ihm vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet:
8„1. Die Art. 5 und 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen (...) eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des genannten Art. 5 ist, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen; (...).
92. Bei Lieferung von Gegenständen ist der Begriff „Nahrungsmittel” in Anhang H Kategorie 1 der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Sechsten Richtlinie 77/388 dahin auszulegen, dass er auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.”
10Hierauf hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen:
11Der EuGH habe in Randziffer 69 dieses Urteils die charakteristischen Dienstleistungsmerkmale eines typischen Restaurationsumsatzes aufgeführt. Ebenso wie in den Verfahren C-497/09 und C-501/09 biete der Kläger an seinem Imbissstand kein einziges der aufgeführten Dienstleistungsbestandteile an.
12Da auf die qualitative Prüfung der Dienstleistungselemente des gesamten Umsatzes abgestellt werde, könne die seit aufgestellte und nicht überdachte Bierzeltgarnitur nicht für alle Umsätze prägend sein. Aus Randziffer 73 des EuGH-Urteils Bog u.a. in UR 2011, 272 ergebe sich, dass selbst umfangreicheres und eigenes Mobiliar nicht ausschließlich dazu bestimmt gewesen sei, den Verzehr solcher Lebensmittel möglicherweise zu erleichtern. Dies müsse erst recht für „Fremdmobiliar” —wie die vom FG berücksichtigte städtische Sitzbank— gelten, auf deren Vorhandensein der Kläger keinen Einfluss habe.
13Im Übrigen habe das FG nicht —wie erforderlich— jeden einzelnen Umsatz für sich betrachtet. Bei den schätzungsweise mit 10 % angesetzten Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz handele es sich um „verpackte Ware”, also um solche Nahrungsmittel, die ohnehin nicht zum „Verzehr an Ort und Stelle” geliefert worden seien. Derartige Umsätze seien nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen.
14Der Kläger beantragt,
das aufzuheben und die Umsatzsteuer 2000 bis 2003 gemäß Klageantrag auf 8.744,42 € (2000), 9.488,43 € (2001), 8.056 € (2002) und 5.758,04 € (2003) herabzusetzen.
15Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
16Nachdem es zunächst die Vorentscheidung verteidigt hatte, trägt es im Anschluss an das EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 vor:
17Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt entspreche im Wesentlichen den Rechtssachen C-497/09 und C-501/09. Nach den darin aufgestellten Grundsätzen lägen auch im Streitfall Lieferungen vor. Sollte der BFH über die Verfahren XI R 37/08 und V R 35/08 ohne Berücksichtigung anderer Kriterien in diesem Sinne entscheiden, erkenne das FA den ermäßigten Steuersatz für den Umsatz von Nahrungsmitteln des Imbissstandes bis zum an.
18Seit dem ständen den Kunden des Imbissstandes jedoch eine Bierzeltgarnitur und ein Stehtisch zur Verfügung. Aus der EuGH-Entscheidung gehe nicht eindeutig hervor, ob Bierzeltgarnitur und Stehtisch bereits als besondere Dienstleistungselemente ausreichten und qualitativ überwiegen. Das FA sei an die derzeitige Verwaltungsauffassung im in BStBl I 2008, 949 (Beispiel 2) gebunden. Danach reichten das Vorhandensein von Stehtisch und Bierzeltgarnitur zur Anwendung des Regelsteuersatzes aus.
19Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom (Kläger) und vom (FA) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
II.
20Die Revision des Klägers ist begründet.
21Sie führt für die Streitjahre 2000 bis 2002 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Umsatzsteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), für das Streitjahr 2003 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Entgegen dem Urteil des FG unterliegen die Umsätze des Klägers in den Streitjahren 2000 bis 2002 in vollem Umfang und im Streitjahr 2003 zum Teil dem ermäßigten Steuersatz.
221. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 in der in den Streitjahren geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die „Lieferung” der in der Anlage bezeichneten Gegenstände. Dazu gehören u.a. „Zubereitungen von Fleisch ...” (Nr. 28), „Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch” (Nr. 31) und „verschiedene Lebensmittelzubereitungen” (Nr. 33). Damit hat der nationale Gesetzgeber von dem ihm in Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3, Anhang H Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) eingeräumten Ermessen hinsichtlich der Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes Gebrauch gemacht. Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Diese ermäßigten Steuersätze „... sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar”. In Anhang H Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG sind genannt: „Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten, üblicherweise als Zusatz oder Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse.”
23a) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Nicht begünstigt sind sonstige Leistungen. Eine sonstige Leistung ist nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden (§ 3 Abs. 9 Satz 5 UStG).
24b) Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes Frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen an einem mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung (vgl. EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 56; , BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673; vom XI R 3/08, BFH/NV 2009, 1469), die eine Lieferung darstellt und die gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 28, 31 und 33 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
25aa) Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist „die qualitative und nicht nur quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Gegenständen zu bestimmen” (EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 62; , BFHE 225, 210, BFH/NV 2009, 1551; in BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487, m.w.N., und vom V R 55/04, BFHE 214, 474, BStBl II 2007, 480, m.w.N.).
26bb) Zu der Frage, ob die einheitliche Leistung bei der Abgabe standardisiert zubereiteter, verzehrfertiger Speisen an mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissständen als Lieferung oder als Dienstleistung einzustufen ist, hat der EuGH im Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 entschieden, dass die Lieferung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr das überwiegende Element der betreffenden Umsätze darstellt, da die Dienstleistungselemente nur in der Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen bestehen, d.h. „ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien zu ermöglichen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen geringfügigen personellen Einsatz. Unter diesen Umständen stellen diese Elemente nur geringfügige Nebenleistungen dar und können am dominierenden Charakter der Hauptleistung, d.h. dem einer Lieferung von Gegenständen, nichts ändern” (Rdnr. 70). „Ob die Kunden die genannten behelfsmäßigen Vorrichtungen benutzen, ist ohne Bedeutung, da der sofortige Verzehr an Ort und Stelle, der kein wesentliches Merkmal des betreffenden Umsatzes darstellt, nicht für dessen Natur bestimmend sein kann” (Rdnr. 74).
27Soweit für den Verzehr Mobiliar (Stehtische, Hocker, Stühle und Bänke) zur Verfügung steht, ist zu berücksichtigen, dass „das bloße Vorhandensein dieses Mobiliars, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr solcher Lebensmittel möglicherweise zu erleichtern, nicht als Dienstleistungselement angesehen werden [kann], das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen” (Rdnr. 73).
28cc) Der Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall steht die Regelung in § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung hat das innerstaatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt (vgl. z.B. Filipiak, Slg. 2009, I-11049, BFH/NV 2010, 136 Rdnrn. 81, 82, m.w.N.; , BFHE 222, 428, BStBl II 2008, 976, unter II.2.a; vom VIII R 101/02, BFHE 222, 453, BStBl II 2010, 265, unter IV.1.). Für die Anwendung des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG bedeutet dies, dass soweit die Vorschrift nicht richtlinienkonform ist, die unionsrechtlichen Grundsätze zur Abgrenzung Lieferung und sonstige Leistung maßgebend sind (BFH-Urteil in BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673, unter II.4.a, m.w.N.) und dabei die vorstehende EuGH-Rechtsprechung zu beachten ist.
292. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei den mit dem Imbissstand erzielten Umsätzen des Klägers in den Streitjahren 2000 bis 2002 um Lieferungen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
30a) Nach den das Gericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG verkaufte der Kläger Bratwürste, Pommes Frites und täglich wechselnde Gerichte. Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich um verzehrfertige Speisen handelte, die keine über die einfache, standardisierte Zubereitung von Lebensmitteln hinausgehenden Leistungen des Klägers erforderten.
31b) Entgegen dem Urteil des FG führen das Vorhandensein und die Nutzung der vor dem Imbissstand installierten städtischen Bank zum Verzehr der zubereiteten Speisen nicht zur Beurteilung als sonstige Leistung.
32aa) Verzehrvorrichtungen sind bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung nur zu berücksichtigen, wenn sie vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt wurden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern (EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 73). Das FG hat sich insoweit auf die Rechtsprechung des Senats gestützt, wonach Verzehrvorrichtungen eines Dritten berücksichtigt werden können, wenn diese auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt waren (vgl. zuletzt Urteil in BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487; , BFHE 214, 480, BStBl II 2007, 482). Im Hinblick auf das EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 hält der Senat daran nicht mehr fest (Änderung der Rechtsprechung).
33bb) Im Streitfall ist daher die Berücksichtigung der Bank ausgeschlossen, weil sie nicht vom Kläger als Verzehrvorrichtung zur Verfügung gestellt, sondern von der Stadt im Rahmen des Gemeingebrauchs der Allgemeinheit überlassen wurde.
34cc) Die streitigen Umsätze des Klägers unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz, weil die von ihm gelieferten Lebensmittel in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG bezeichnet sind (Zubereitungen von Fleisch usw. —Nr. 28—, aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie Backwaren —Nr. 31—, Zubereitungen von Gemüse, Früchten usw. —Nr. 32— oder verschiedene Lebensmittelzubereitungen —Nr. 33—). Aus der Antwort zu 2 des EuGH-Urteils Bog u.a. in UR 2011, 272 ergibt sich, dass dies im Einklang mit Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG steht, weil Anhang H auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.
353. Die im Streitjahr 2003 erzielten Umsätze des Klägers aus dem Betrieb des Imbissstands unterliegen nach den vorstehenden Grundsätzen bis zum in voller Höhe als Lieferungen dem ermäßigten Steuersatz. Seit dem erzielte der Kläger daneben aber auch Umsätze, die als Dienstleistungen anzusehen sind und daher dem Regelsteuersatz unterliegen.
36a) Wie das FG festgestellt hat, hatte der Kläger ab dem vor seinem Imbiss eine Bierzeltgarnitur aufgestellt, die aus einem Tisch und zwei Bänken bestand. Bei den hierauf entfallenden Umsätzen handelt es sich nicht um die Lieferungen von Lebensmitteln, sondern um Dienstleistungen.
37Als für Restaurationsleistungen charakteristische Dienstleistungsbestandteile erwähnt der EuGH im Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 69 zwar Kellnerservice, Beratung und Bedienung der Kunden im eigentlichen Sinne sowie das Vorhandensein geschlossener, temperierter Räume speziell für den Verzehr der abgegebenen Speisen, Garderobe und Toiletten und die Bereitstellung von Geschirr, Mobiliar und Gedeck. Während die Bereitstellung „behelfsmäßiger Vorrichtungen, d.h. ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit” nur als geringfügige Nebenleistung anzusehen sind und am dominierenden Charakter einer Lieferung von Gegenständen nichts ändern (Rdnr. 70 des EuGH-Urteils Bog u.a. in UR 2011, 272), verlangen dem Verzehr dienliche Elemente, wie die Bereitstellung von Geschirr, Besteck oder Mobiliar —im Unterschied zur bloßen Bereitstellung einer behelfsmäßigen Infrastruktur im Fall von Imbissständen, Imbisswagen oder Kinos— einen gewissen personellen Einsatz, um das gestellte Material herbeizuschaffen, zurückzunehmen und gegebenenfalls zu reinigen (EuGH-Urteil Bog u.a in UR 2011, 272 Rdnr. 79).
38Im Unterschied zur lediglich „behelfsmäßigen Infrastruktur” von Imbissständen stellte der Kläger seinen Kunden seit dem zusätzlich „Mobiliar” (Tisch mit Sitzgelegenheit) zur Verfügung, das ausschließlich dazu bestimmt war, den Verzehr der Speisen zu erleichtern. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Auf- und Abbau sowie die Reinigung der Bierzeltgarnitur einen „gewissen personellen Einsatz” erfordern, wird im Streitfall die Schwelle zum Restaurationsumsatz überschritten.
39b) Das FG-Urteil entspricht insoweit nicht den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung, als es die gesamten Imbissstand-Umsätze in 2003 dem Regelsteuersatz unterworfen hat. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat —von seinem Standpunkt aus zutreffend— noch keine Feststellungen zum Umfang der auf die Bierzeltgarnitur entfallenden Restaurationsumsätze getroffen.
40c) Im zweiten Rechtsgang wird das FG eine Aufteilung der Umsätze des Streitjahres 2003 vorzunehmen haben. Sofern der Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 der Abgabenordnung) hierzu keine aussagekräftigen Aufzeichnungen vorlegt, kann die Aufteilung im Wege einer Schätzung erfolgen. Bestehen keine Zweifel daran, dass die Bierzeltgarnitur auch im November und Dezember 2003 aufgestellt wurde, ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG bei der Aufteilung des um 10 % (Außer-Haus-Verkäufe) geminderten Umsatzes vom 1. August bis auch das Verhältnis der (möglichen) Stehplätze am Imbissstand zu den (möglichen) Sitzplätzen auf den beiden Bänken der Bierzeltgarnitur berücksichtigt.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2013 II Seite 246
BB 2011 S. 2133 Nr. 35
BB 2011 S. 2531 Nr. 41
BFH/NV 2011 S. 1813 Nr. 10
BFH/PR 2011 S. 421 Nr. 11
BStBl II 2013 S. 246 Nr. 6
DB 2011 S. 1901 Nr. 34
DStR 2011 S. 1614 Nr. 34
DStRE 2011 S. 1166 Nr. 18
DStZ 2011 S. 695 Nr. 19
GStB 2011 S. 46 Nr. 12
HFR 2011 S. 1345 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2011 S. 2924
StB 2011 S. 339 Nr. 10
UR 2011 S. 699 Nr. 18
JAAAD-89816