Übereinstimmende Hauptsache-Erledigungserklärungen der Beteiligten wirken prozessbeendend; Verweisung einer Rechtssache von einem FG an ein anderes; Zusammenführung getrennt begonnener Verfahren durch schlüssiges Verhalten
Gesetze: FGO § 73, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 105 Abs. 3, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 118 Abs. 2, FGO § 138 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
1Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) liegen nicht vor.
21. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügen eine Reihe von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Rügen greifen nicht durch.
3a) Das Urteil leidet nicht unter einem Sachaufklärungsmangel in Bezug auf die von den Klägern verfolgte Fortsetzung eines Verfahrens vor dem Finanzgericht Köln wegen Einkommensteuer für die Jahre 1990 bis 1992 und 1995. Nach einer Einigung der dort Prozessbeteiligten (Kläger und Finanzamt X) über den Inhalt zugesagter Änderungsbescheide hat jenes Verfahren mit übereinstimmenden Erklärungen zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache und einem Kostenbeschluss des Gerichts nach § 138 Abs. 1 FGO geendet. Die übereinstimmende Erklärung der Hauptsachenerledigung hat die prozessualen Wirkungen, die das Finanzgericht (FG) München im angefochtenen Urteil dargestellt hat.
4Aufgrund der Einwendungen der Kläger hat das FG Köln jedoch das Verfahren fortgesetzt, wobei in einem solchen Fall Gegenstand der Fortsetzung nur die Feststellung der (Un-)Wirksamkeit der Erledigungserklärung(en) ist (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 138 Rz 27, m.w.N.). Das FG Köln hat sodann die Sache an das FG München verwiesen, das im Rahmen des angefochtenen Urteils auch über die Wirksamkeit der Hauptsachenerledigungserklärungen befunden hat. Ein Sachaufklärungsmangel des FG in Bezug auf den offenkundigen Verfahrensablauf ist ebenso wenig ersichtlich wie eine diesbezügliche Verletzung des rechtlichen Gehörs.
5b) Dass das FG über die Wirksamkeit der Erklärungen der Hauptsachenerledigung befunden hat, war im Hinblick auf den aufgrund des Antrags der Kläger ergangenen Verweisungsbeschluss des nicht zu beanstanden. Die Verweisung einer Rechtssache von einem FG an ein anderes ist grundsätzlich bindend. Dass gerade im Streitfall ein Ausnahmegrund hierzu bestanden hätte (vgl. dazu , BFH/NV 2009, 780), ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Kläger bedarf es keiner „Annahme“ der verwiesenen Sache durch das Gericht, an das verwiesen worden ist.
6Da die Kläger noch vor dem Verweisungsbeschluss wegen der Einkommensteuerfestsetzung derselben Streitjahre bereits ein anderes Verfahren beim FG anhängig gemacht hatten, war es prozessökonomisch, im Rahmen eines einheitlichen Verfahrens zu entscheiden. Die Fragen nach dem Eintritt der Hauptsachenerledigung und der sachlichen Überprüfbarkeit der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) erlassenen Änderungsbescheide waren miteinander verknüpft. Insofern bestand eine logische Rangfolge; die Beantwortung der zweiten Frage hing ab von der Antwort auf die erste.
7Zwar hat das FG keinen ausdrücklichen Verbindungsbeschluss nach § 73 FGO gefasst, es hat jedoch die getrennt begonnenen Verfahren durch schlüssiges Verhalten zusammengeführt (zur Zulässigkeit konkludenter Verbindung vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 165 VI 75-171 VI 75, BayVbl 1976, 18). Dies zeigt sich etwa darin, dass die Frage der Hauptsachenerledigung ausweislich des Sitzungsprotokolls ausdrücklicher Gegenstand der mündlichen Verhandlung war und sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils dem entsprechend insbesondere mit der Hauptsachenerledigung, aber auch mit den Änderungsbescheiden befassen. Diese Verfahrensweise war im Streitfall im Ergebnis sachgerecht.
8Die Kläger sind dadurch nicht beschwert, da die Entscheidung über die entscheidungserheblichen Rechtsfragen hiervon nicht berührt wird und sich die Entscheidung in nur einem Verfahren hinsichtlich der Kostenfolge nur zu Gunsten der Kläger auswirkt.
9c) Das rechtliche Gehör der Kläger ist nicht dadurch verletzt, dass das FG den Vortrag zur behaupteten fehlenden Zuständigkeit des FA X nicht in seine Überlegungen aufgenommen hätte. Die Kenntnisnahme des klägerischen Vortrags zur Zuständigkeit der Ämter ist hier der (gemäß § 105 Abs. 3 Satz 1 FGO gedrängten) Darstellung im Urteilstatbestand zu entnehmen. Das FG hat sich auch in den Entscheidungsgründen ausführlich mit der Zuständigkeitsfrage befasst; keine Gehörsverletzung liegt darin, dass es sich dabei nicht der Rechtsauffassung der Kläger angeschlossen hat.
10d) Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht dadurch verletzt, dass das FG der Behauptung der Kläger nicht nachgegangen ist, das FA X habe eine der Hauptsachenerledigung für die Streitjahre zugrundeliegende tatsächliche Verständigung in anderen Jahren unzutreffend umgesetzt oder nicht berücksichtigt. Steuerbescheide für jene Jahre sind nicht Streitgegenstand des Klageverfahrens vor dem FG geworden; ihnen etwa anhaftende Fehler könnten im Hinblick auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung (vgl. § 25 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes) auch nur in eben gegen diese Steuerbescheide gerichteten Verfahren geltend gemacht werden.
11e) Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das FG ein Prozessurteil statt des vom Kläger geforderten Sachurteils erlassen hat. Die Klageabweisung stützt sich auf die Unzulässigkeit der Klage gerade im Hinblick auf die eingetretene Hauptsachenerledigung. Unter Hinzuziehung der Entscheidungsgründe des Urteils wird damit ersichtlich, dass das FG tatsächlich die Hauptsachenerledigung festgestellt und damit auch in der Sache entschieden hat. Das Urteil ist auch ohne entsprechende Tenorierung in diesem Sinne zu verstehen.
12f) Unerheblich ist der Vortrag der Kläger, dass die der Hauptsachenerledigung vorausgegangene Einigung mit dem FA X unter Verstoß gegen Verwaltungsverfahrensrecht zustande gekommen und auch materiell rechtswidrig gewesen sei. Sie verkennen, dass das FG maßgeblich auf die prozessuale Wirksamkeit der übereinstimmenden Erledigungserklärungen abstellt, die nach der Rechtsprechung des BFH zur Unanfechtbarkeit der in diesem Zusammenhang zugesagten und —nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG— auch der Zusage entsprechend ergangenen Änderungsbescheide führt (siehe , BFHE 202, 228, BStBl II 2003, 888, m.w.N.).
13g) Unerheblich ist die Rüge unterlassener Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf vermögenswirksame Leistungen. Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren allein die angefochtenen Steuerfestsetzungen. Die Festsetzung einer Arbeitnehmersparzulage ist nicht Teil der Steuerfestsetzung durch Einkommensteuerbescheid. Verwaltungsakte über die Festsetzung vermögenswirksamer Leistungen oder deren Ablehnung sind auch nicht selbständiger Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem FG geworden.
142. Für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und nach Abs. 2 Nr. 2 FGO (grundsätzliche Bedeutung und Erfordernis der Sicherung einheitlicher Rechtsprechung) fehlt es schon an einer hinreichenden Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
153. Soweit die Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend machen, führen diese grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289; vom VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1712 Nr. 10
EAAAD-89809