OFD Münster - S 4430 - 28 - St 24 - 35

Zeitpunkt der Verwirklichung von grunderwerbsteuerlichen Tatbeständen

Durch das Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer vom (Gesetz- und Verordnungsblatt NRW, GV.NRW.2011 S. 389) wurde der Grunderwerbsteuersatz in NRW von 3,5% auf 5% erhöht (vgl. § 1 des Gesetzes). Diese Erhöhung gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem verwirklicht werden (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 des o.g. Gesetzes).

Zur Erleichterung der Entscheidung, wann ein Erwerbsvorgang verwirklicht worden ist, möchten wir auf die nachstehenden Ausführungen und die Anlage verweisen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es immer auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt, die hier nicht abgebildet werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) ist ein grunderwerbsteuerlicher Erwerbsvorgang verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser verwirklichte Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht (, BStBl 1987 II S. 35; vom II R 31/88, BStBl 1990 II S. 234; vom II R 67/89, BStBl 1993 II S. 308; vom II R 16/98, BStBl 1999 II S. 606; vom II R 51/98, BStBl 2000 II S. 318; vom II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137 und vom II R 23/04, BStBl 2006 II S. 137).

Zeitliche Rückbeziehungen nach dem Zivilrecht (vgl. § 184 BGB und § 17 Abs. 2 UmwG) wie Steuerrecht (vgl. § 2 Abs. 1 UmwStG i.V.m. § 17 Abs. 2 UmwG) bleiben für Zwecke der Grunderwerbsteuer unberücksichtigt.

Auch der Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Lasten, der Zahlung des Kaufpreises und der Eintragung in Grundbuch haben keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes.

1. Bedingte bzw. genehmigungsbedürftige Erwerbsvorgänge i.S.v. § 14 GrEStG

Aufschiebend bedingte (§ 14 Nr. 1 GrEStG) oder genehmigungsbedürftige (§ 14 Nr. 2 GrEStG) Rechtsgeschäfte sind grds. bereits mit Abschluss des jeweiligen Vertrages und damit bereits vor Eintritt der Bedingung bzw. vor Erteilung der Genehmigung verwirklicht, da das bedingte bzw. genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft bereits mit Abschluss des Vertrages vollendet und voll gültig ist und sich nur die Rechtswirkungen des Vertrages bis zum Eintritt der Bedingung oder der Erteilung der Genehmigung in der Schwebe befinden. Hiervon sind bspw. die Genehmigung

  • des Grundstückseigentümers (Erbbauberechtigten) bei der Veräußerung des Erbbaurechtes durch den Erbbauberechtigten (§§ 5, 6 ErbbauRG);

  • der anderen Wohnungseigentümer oder eines Dritten (bspw. des Hausverwalters) bei der Veräußerung einer Eigentumswohnung bzw. Teileigentumseinheit (§ 12 WEG);

  • bei der Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken (§ 2 GrdstVG);

  • des Bundeskartellamtes aus Wettbewerbsgründen;

betroffen, d.h. nur der Zeitpunkt der Steuerentstehung wird für den im Übrigen verwirklichten Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG bis zur Erteilung der Genehmigung bzw. Eintritt der Bedingung gem. § 14 GrEStG hinausgeschoben.

Dies gilt aber nur, soweit die Bedingung bzw. Genehmigung nicht die Willenserklärung eines Vertragsteils betrifft. Im letzteren Fall wird der Tatbestand erst dann verwirklicht, wenn die bisher aufschiebend bedingte bzw. genehmigungsbedürftige Willenserklärung zivilrechtlich gültig wird. Hierzu zählen z.B.

2. Aufschiebend bedingte und nachträglich vereinbarte Gegenleistung

Ist das Rechtsgeschäft als solches wirksam, beinhaltet dieses aber eine aufschiebend bedingte Gegenleistung oder wird die vereinbarte Gegenleistung nachträglich i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erhöht, so wird mit Eintritt der Bedingung bzw. im Zeitpunkt der nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ein eigenständiger (neuer) Erwerbsvorgang verwirklicht (vgl. Erlass des FM NRW vom S 4521 - 3 - V A 2 sowie , BStBl 1996 II S. 162 und vom II R 3/05, BStBl 2006 II S. 604).

Bei weiteren Zweifelsfragen und Problemen zum Zeitpunkt der Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes wird auf die Kommentierung und Rechtsprechung zu §§ 14, 23 GrEStG verwiesen.

Übersicht zum Zeitpunkt der Verwirklichung

Die Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs hängt von der jeweiligen Art des Rechtsgeschäftes ab, an den das GrEStG den Tatbestand knüpft. Die folgende Auflistung ist ohne Berücksichtigung des § 14 GrEStG erstellt.

Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
Besonderheit/Fundstelle
Kaufvertrag
mit wirksamen Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes
grds. mit Beurkundung gem. § 311b BGB
Erwerb von Erbbaurechten
mit wirksamen Abschluss des Erbbaurechtsvertrages
grds. mit Beurkundung gem. § 311b BGB
Erwerb von Gebäuden auf fremden Grund und Boden
mit wirksamen Abschluss des schuldrechtlichen Übertragungs- oder Nutzungsvertrages
Ausübung eines Vorkaufsrechtes
mit wirksamer Ausübung des Vorkaufsrechtes
aufschiebend bedingte Gegenleistung
mit Eintritt der Bedingung
Erlass des FM NRW vom S 4521 – 3 – V A 2 , BStBl 1996 II S. 162
nachträglich vereinbarte/zusätzliche Gegenleistung
mit wirksamer Vereinbarung (insoweit)

Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
Auflassung
mit wirksamer Erklärung der Auflassung

Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
Formwechsel
grds. nicht steuerbarer Rechtsvorgang ansonsten mit Eintragung in das Handelsregister des Rechtsträgers neuer Rechtsform (§ 198 Abs. 2 UmwG)
Verschmelzung
mit Eintragung in das Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr.1 UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1 – V A 2, Punkt A. I. 2.
Aufspaltung
mit Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers (§ 131 UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1 – V A 2, Punkt A. II. 1.2.
Abspaltung
mit Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers (§ 131 UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1 – V A 2, Punkt A. II. 2.2.
Ausgliederung
mit Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers (§ 131 UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1 – V A 2, Punkt A. II. 3.2.
Vermögensübertragung
mit Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers (§ 176 Abs. 3 UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1 – V A 2, Punkt A. III. 2.
Anwachsung
grds. im Zeitpunkt der Vereinbarung über das Ausscheiden der (des) anderen Gesamthänder(s)
Umlegungen
mit Unanfechtbarkeit bzw. Bekanntgabe des Umlegungsplans
Flurbereinigung
Zeitpunkt lt. Ausführungsanordnung
Enteignung
mit Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes
Erbfall
Zeitpunkt des Erbanfalls

Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
Meistgebot
mit wirksamer Abgabe des Meistgebotes

Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 5 – 7 GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
Zwischengeschäfte
mit wirksamer Abtretung des Übereignungsanspruches

Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
Verwertungsbefugnis
mit wirksamer Verschaffung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis

Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
Gesellschafterwechsel
mit Erlangung der Gesellschafterstellung, d.h. dingliche Wirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung, welche frühestens mit Vertragsabschluss eintritt Erlass des FM NRW vom S 4501 – 10 – V A 6, Tz. 1.3

Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG


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Rechtsgeschäft
Verwirklichung
mit wirksamen Abschluss des Vertrages bzgl. der übertragenden Anteile
mit Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen
  • aufgrund Umwandlung: mit Eintragung im maßgeblichen Handelsregister
  • von Todes wegen: Zeitpunkt des Erbanfalls

Inhaltlich gleichlautend
OFD Münster v. - S 4430 - 28 - St 24 - 35
OFD Rheinland v. - S 4430 - 1000 - St 235

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
DB 2011 S. 2063 Nr. 37
MAAAD-89063