Zeitpunkt der Verwirklichung von grunderwerbsteuerlichen Tatbeständen
Durch das Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer vom (Gesetz- und Verordnungsblatt NRW, GV.NRW.2011 S. 389) wurde der Grunderwerbsteuersatz in NRW von 3,5% auf 5% erhöht (vgl. § 1 des Gesetzes). Diese Erhöhung gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem verwirklicht werden (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 des o.g. Gesetzes).
Zur Erleichterung der Entscheidung, wann ein Erwerbsvorgang verwirklicht worden ist, möchten wir auf die nachstehenden Ausführungen und die Anlage verweisen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es immer auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt, die hier nicht abgebildet werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) ist ein grunderwerbsteuerlicher Erwerbsvorgang verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser verwirklichte Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht (, BStBl 1987 II S. 35; vom II R 31/88, BStBl 1990 II S. 234; vom II R 67/89, BStBl 1993 II S. 308; vom II R 16/98, BStBl 1999 II S. 606; vom II R 51/98, BStBl 2000 II S. 318; vom II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137 und vom II R 23/04, BStBl 2006 II S. 137).
Zeitliche Rückbeziehungen nach dem Zivilrecht (vgl. § 184 BGB und § 17 Abs. 2 UmwG) wie Steuerrecht (vgl. § 2 Abs. 1 UmwStG i.V.m. § 17 Abs. 2 UmwG) bleiben für Zwecke der Grunderwerbsteuer unberücksichtigt.
Auch der Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Lasten, der Zahlung des Kaufpreises und der Eintragung in Grundbuch haben keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes.
1. Bedingte bzw. genehmigungsbedürftige Erwerbsvorgänge i.S.v. § 14 GrEStG
Aufschiebend bedingte (§ 14 Nr. 1 GrEStG) oder genehmigungsbedürftige (§ 14 Nr. 2 GrEStG) Rechtsgeschäfte sind grds. bereits mit Abschluss des jeweiligen Vertrages und damit bereits vor Eintritt der Bedingung bzw. vor Erteilung der Genehmigung verwirklicht, da das bedingte bzw. genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft bereits mit Abschluss des Vertrages vollendet und voll gültig ist und sich nur die Rechtswirkungen des Vertrages bis zum Eintritt der Bedingung oder der Erteilung der Genehmigung in der Schwebe befinden. Hiervon sind bspw. die Genehmigung
des Grundstückseigentümers (Erbbauberechtigten) bei der Veräußerung des Erbbaurechtes durch den Erbbauberechtigten (§§ 5, 6 ErbbauRG);
der anderen Wohnungseigentümer oder eines Dritten (bspw. des Hausverwalters) bei der Veräußerung einer Eigentumswohnung bzw. Teileigentumseinheit (§ 12 WEG);
bei der Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken (§ 2 GrdstVG);
des Bundeskartellamtes aus Wettbewerbsgründen;
betroffen, d.h. nur der Zeitpunkt der Steuerentstehung wird für den im Übrigen verwirklichten Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG bis zur Erteilung der Genehmigung bzw. Eintritt der Bedingung gem. § 14 GrEStG hinausgeschoben.
Dies gilt aber nur, soweit die Bedingung bzw. Genehmigung nicht die Willenserklärung eines Vertragsteils betrifft. Im letzteren Fall wird der Tatbestand erst dann verwirklicht, wenn die bisher aufschiebend bedingte bzw. genehmigungsbedürftige Willenserklärung zivilrechtlich gültig wird. Hierzu zählen z.B.
Handeln ohne Vertretungsmacht (, BFH/NV 2001, 642)
Fehlen einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (, BStBl 2000 II S. 318)
2. Aufschiebend bedingte und nachträglich vereinbarte Gegenleistung
Ist das Rechtsgeschäft als solches wirksam, beinhaltet dieses aber eine aufschiebend bedingte Gegenleistung oder wird die vereinbarte Gegenleistung nachträglich i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erhöht, so wird mit Eintritt der Bedingung bzw. im Zeitpunkt der nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ein eigenständiger (neuer) Erwerbsvorgang verwirklicht (vgl. Erlass des FM NRW vom S 4521 - 3 - V A 2 sowie , BStBl 1996 II S. 162 und vom II R 3/05, BStBl 2006 II S. 604).
Bei weiteren Zweifelsfragen und Problemen zum Zeitpunkt der Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes wird auf die Kommentierung und Rechtsprechung zu §§ 14, 23 GrEStG verwiesen.
Übersicht zum Zeitpunkt der Verwirklichung
Die Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs hängt von der jeweiligen Art des Rechtsgeschäftes ab, an den das GrEStG den Tatbestand knüpft. Die folgende Auflistung ist ohne Berücksichtigung des § 14 GrEStG erstellt.
Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung | Besonderheit/Fundstelle |
Kaufvertrag | mit wirksamen Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes | grds. mit Beurkundung gem.
§ 311b
BGB |
Erwerb von Erbbaurechten | mit wirksamen Abschluss des Erbbaurechtsvertrages | grds. mit Beurkundung gem.
§ 311b
BGB |
Erwerb von Gebäuden auf fremden Grund und
Boden | mit wirksamen Abschluss des
schuldrechtlichen Übertragungs- oder Nutzungsvertrages | |
Ausübung eines Vorkaufsrechtes | mit wirksamer Ausübung des Vorkaufsrechtes | ,
BFH/NV 2001,
937 |
aufschiebend bedingte Gegenleistung | mit Eintritt der Bedingung | Erlass
des FM NRW vom S 4521 – 3 – V A 2
,
BStBl 1996 II S. 162 |
nachträglich vereinbarte/zusätzliche
Gegenleistung | mit wirksamer Vereinbarung
(insoweit) | ,
BStBl 2006 II S. 604 |
Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung |
Auflassung | mit wirksamer Erklärung der
Auflassung |
Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung |
Formwechsel | grds. nicht steuerbarer Rechtsvorgang ansonsten mit Eintragung in
das Handelsregister des Rechtsträgers neuer Rechtsform
(§ 198 Abs. 2
UmwG) |
Verschmelzung | mit Eintragung in das
Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr.1 UmwG) Erlass des FM
NRW vom S 4520 – 1 – V A 2, Punkt A. I. 2. |
Aufspaltung | mit Eintragung in das Handelsregister des übertragenden
Rechtsträgers (§ 131
UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1
– V A 2, Punkt A. II. 1.2. |
Abspaltung | mit Eintragung in das
Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers (§ 131 UmwG) Erlass des FM NRW vom
S 4520 – 1 – V A 2, Punkt A. II. 2.2. |
Ausgliederung | mit Eintragung in das Handelsregister des übertragenden
Rechtsträgers (§ 131
UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1
– V A 2, Punkt A. II. 3.2. |
Vermögensübertragung | mit
Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers
(§ 176 Abs. 3
UmwG) Erlass des FM NRW vom S 4520 – 1
– V A 2, Punkt A. III. 2. |
Anwachsung | grds. im Zeitpunkt der
Vereinbarung über das Ausscheiden der (des) anderen
Gesamthänder(s) |
Umlegungen | mit Unanfechtbarkeit
bzw. Bekanntgabe des Umlegungsplans |
Flurbereinigung | Zeitpunkt lt. Ausführungsanordnung |
Enteignung | mit Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes |
Erbfall | Zeitpunkt des Erbanfalls |
Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung |
Meistgebot | mit wirksamer Abgabe des Meistgebotes |
Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 5 – 7 GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung |
Zwischengeschäfte | mit wirksamer Abtretung des
Übereignungsanspruches |
Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung |
Verwertungsbefugnis | mit wirksamer Verschaffung der rechtlichen oder
wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis |
Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung |
Gesellschafterwechsel | mit Erlangung der Gesellschafterstellung, d.h.
dingliche Wirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung, welche frühestens
mit Vertragsabschluss eintritt Erlass des FM NRW vom S 4501 –
10 – V A 6, Tz. 1.3 |
Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG
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Rechtsgeschäft | Verwirklichung |
mit wirksamen Abschluss des Vertrages bzgl. der
übertragenden Anteile | |
mit Eintritt der
Tatbestandsvoraussetzungen
|
Inhaltlich gleichlautend
OFD Münster v. - S
4430 - 28 - St 24 - 35
OFD Rheinland v. - S
4430 - 1000 - St
235
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2011 S. 2063 Nr. 37
MAAAD-89063