Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Hannover, 6 O 306/06 vom OLG Celle, 8 U 213/08 vom
Gründe
I. Die Klägerin begehrt aus eigenem und abgetretenem Recht der R. K. GmbH von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von Unternehmen der H . -Gruppe (im Folgenden: H. -Gruppe) mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "Valorenversicherung", deren Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) in der Senatsentscheidung vom heutigen Tag im Parallelverfahren IV ZR 117/09 auszugsweise wiedergegeben sind.
Die Klägerin und die R. K. GmbH sind Versicherte dieses Vertrages. Sie behaupten Schäden aus Bargeldentsorgungen vom 16. und . Hiermit war die H W. GmbH auf Grundlage mit der Klägerin und der R. K. GmbH getroffener - inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmender - Vereinbarungen beauftragt. Der mit der Klägerin im September 2002 geschlossene "Vertrag über den Transport von Schmuck, Uhren, Bargeld und sonstigen Werten sowie über die Bearbeitung von Bargeld" (im Folgenden: Transportvertrag) lautet auszugsweise:
"§ 1 Vertragsgegenstand
1.1 H. erbringt ab dem im Auftrag von C. Dienstleistungen in den Bereichen
1.1.1 Werttransporte/Schmuck ...
1.1.2 Geldtransporte/Bargeld-Versorgung, gemäß nachfolgenden § 2 und § 6 den Transport und die Bearbeitung von Bargeld und sonstigen bargel dgleichen Werten (auch Schecks, Gutscheine etc.). ... ...
§ 2 Transporte von Werten
2.1 H. übernimmt im Rahmen einer Regelversorgung jeder C. -Filiale in Deutschland zweimal wöchentlich Transporte von Werten zu und von diesen Filialen. ...
2.6 Geld- und sonstige Werttransporte erfolgen filialbezogen und gleichzeitig. Soweit es sich um die Geldentsorgung aus der jeweiligen Filiale handelt, erfolgt diese zum jeweils nächst gelegenen Cash-Center von H. . ... ...
2.9 Die Übernahme von Werten durch H. zum Transport ändert nichts an den Eigentumsverhältnissen an den Werten. ...
§ 6 Geldbearbeitung ...
6.8 Die von H. ausgezählten Noten werden am Folgetag der Safebag-Abholung bei der Landeszentralbank zugunsten Konto C. GmbH D. Bank AG, Niederlassung H. , Kontonummer ... , BLZ ... eingezahlt. ...
6.12 Aus Geldlieferungen von H. stammende Falsifikate gehen immer dann zu Lasten von H. , wenn die Falsifikate im nachhinein nicht mehr eindeutig einzelnen Geldeinlieferern zugeordnet werden können. ...
§ 11 Haftung
11.1 H. haftet C. im Rahmen der Geldtransporte für Verluste, Vernichtungen oder Beschädigungen, die in der Zeit von der Übernahme der Geldwerte zur Bearbeitung durch H. bis zur Einzahlung bei der LZB entstehen, ungeachtet der Ursache des Verlustes, der Vernichtung oder der Beschädigung ... . ...
§ 13 Versicherung
13.1 H. ist verpflichtet, jederzeit zur vollständigen Absicherung der Haftung, die sich aus und im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergibt, einen den zu erwartenden Schaden hinreichend abdeckenden Versicherungsschutz zu unterhalten. ... ..."
Die Versicherer der Police Nr. 7509 übersandten eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss einer Versicherung für die H. -Gruppe. Darin angegeben wurden unter anderem die versicherten Interessen, die Haftungshöchstsummen sowie Umfang und Gegenstand der Versicherung.
Im Februar 2006 kam es zum Zusammenbruch der H. -Gruppe. Zahlreichen Auftraggebern, darunter nach ihrer Behauptung auch der Klägerin und der R. K. GmbH, wurde den H. -Gesellschaften Mitte Februar zur Entsorgung überlassenes Bargeld ni cht mehr (vollständig) auf ihren Konten gutgeschrieben. Nachdem im April 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. -Gruppe eröffnet worden war, focht die Beklagte den Versicherungsvertrag im Januar 2007 wegen arglistiger Täuschung an.
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob diese Anfechtung wirksam und die Beklagte schon daher leistungsfrei ist, ferner darüber, ob die H. W. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen versto ßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Kläg erin mit ihrer Beschwerde.
II. Die Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Die von ihr aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind durch das Senatsurteil vom heutigen Tag im Parallelverfahren IV ZR 117/09, dem derselbe Versicherungsvertrag zugrunde lag, geklärt worden.
a) Danach ist durch den Vertrag über eine Valorenversicherung nur das von der H. -Gruppe transportierte Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers; nicht vom Versicherungsschutz erfasst ist dagegen Buch- oder Giralgeld. Lediglich Sachen (z.B. Hartgeld, Banknoten), die sich im körperlichen Gewahrsam des Transporteurs befinden, sind nach Ziffer 2.1.1.1 VB im Sinne einer Allgefahrenversicherung gegen "jegliche Verluste und/oder Schäden gleichviel aus welcher Ursache" versichert. Eingeschlossen werden nur Ve rluste und/oder Schäden, die aus einer Veruntreuung nach § 246 Abs. 2 StGB (veruntreuende Unterschlagung) oder einer "einfachen" Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB folgen. Nicht erfasst sind dagegen Schäden, die lediglich aus einer Untreue nach § 266 StGB resultieren, und die Deckung der vertraglichen Haftung für den gesamten Transportbetrieb der Versicherungsnehmerin im Sinne einer Haftpflichtversicherung.
b) Der Senat hat damit das Verständnis des Berufungsgerichts zu Gegenstand, Umfang und Dauer des hier gewährten Versicherungsschutzes bestätigt. Das hiesige Verfahren gibt insofern keinen Anlass für Abweichungen oder Ergänzungen.
2. Mit Blick darauf, dass die Revision wegen der nunmehr vom Senat anderweitig geklärten Rechtsfragen im Zeitpun kt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hätte zugelassen werden müssen, hat der Senat die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision auch im Übrigen geprüft (vgl. dazu Senatsbeschluss vom - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter II 2 m.w.N.) und verneint, weil das angefochtene Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin enthält.
a) Die Beanstandungen der Beschwerdeführerin zur Reichweite des Versicherungsschutzes und zur Verteilung der Darlegungs - und Beweislast können aus den im Senatsurteil in der Sache IV ZR 117/09 genannten Gründen keinen Erfolg haben. Dabei gründet das Verständnis des Berufungsgerichts insbesondere nicht auf einem Grundrechtsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG), da nichts für die Auslegung des Versicherungsvertrages Relevantes unberücksichtigt geblieben ist.
b) Einen von Ziffer 2.1.1.1 VB vorausgesetzten Verlust von Bargeld innerhalb des nach den Ziffern 3.1 und 3.2 VB versicherten Zeitraums hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
aa) Nach der Behauptung der Beklagten ist das von der Versicherungsnehmerin zum Transport übernommene Geld vollständig auf ein bei der Deutschen Bundesbank geführtes Konto der H . -Gruppe eingezahlt worden. Dem hat die Klägerin nicht substantiiert widersprochen. Sie hat nur dargelegt, dass das betreffende Bargeld an die H. W. GmbH übergeben wurde, sich im Weiteren aber darauf beschränkt, den Vortrag der Beklagten zum Ablauf der Geldentsorgung - zum Teil mit Nichtwissen - zu bestreiten, und lediglich vermutet, das von ihr und der R. K. GmbH an die H. W. GmbH überlassene Bargeld könne bereits vor der Einzahlung auf ein H. -Konto verschwunden sein. Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt. Daher ist der Vortrag der Beklagten zum Ablauf der Geldentsorgung zugrunde zu legen.
bb) Aufgrund der Einzahlung des zu entsorgenden Bargeldes auf ein Konto der H. -Gruppe bei der Deutschen Bundesbank lässt sich ein bedingungsgemäßer Verlust des Tra nsportguts i.S. von Ziffer 2.1.1.1 VB nicht feststellen.
(1) Nach Ziffer 3.2 VB endet die Versicherung, wenn die versicherten Güter bei der vom Auftraggeber vorher bezeichneten Stelle einer autorisierten Person übergeben werden. Hier ist davon auszugehen, dass der Transportvertrag jedenfalls insoweit erfüllt worden ist . Denn der Versicherungsnehmerin war es nicht untersagt, das angelieferte Geld im Rahmen des kontogebundenen Überweisungsverfahrens (Pooling-Verfahrens) zunächst auf ein für sie bei der Deutschen Bundesbank eingerichtetes Kontos verbuchen zu lassen.
Der von der Klägerin behauptete "Verlust" ist erst dadurch eingetreten, dass die nachfolgend anstehende n Überweisungen auf die Konten der Klägerin und der R. K. GmbH pflichtwidrig unterblieben sind. Darin liegt aber kein stofflicher Zugriff auf versicherte - körperliche - Sachen, sondern lediglich ein treuwidriger Umgang mit - nach Ende des Versicherungsschutzes nicht mehr versichertem - Buchgeld.
(2) Das Berufungsgericht geht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die H. W. GmbH aus den hier in Rede stehenden Transportverträgen nicht verpflichtet war, das Geld unmittelbar auf ein Konto der Klägerin oder der R. K. GmbH einzuzahlen.
Seine tatrichterliche Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelass en wurde (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2 a; Urteil vom - XI ZR 366/03, NJW -RR 2005, 581 unter II 2 a bb (2)). Das ist nicht der Fall, insbesondere können die insofern erhobenen Rügen vermeintlicher Grundrechtsverstöße (Artt. 3 Abs. 1, 103 Abs. 1 GG) nicht durchgreifen.
(a) Den Vertragswortlaut und den darin zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen hat das Berufungsgericht hinreichend berücksichtigt (vgl. dazu nur , NJW -RR 2010, 773 Rn. 14; Versäumnisurteil vom - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2 a aa).
Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint, ist in § 6 Ziffer 6.8 des Transportvertrages nicht konkret vorgeschrieben, auf welche Art und Weise die Einzahlung erfolgen muss ; aus der Verwendung der Begriffe "Einzahlung" und "Noten" lässt sich das nicht ableiten. Festgelegt sind lediglich das Ziel-Konto und der Zeitpunkt der dortigen Wertstellung; dagegen findet sich keine Regelung, die die Zwischenschaltung eines Kontos der H. -Gruppe oder eines anderen - etwa treuhänderischen - Kontos untersagt.
Das Berufungsgericht durfte zur Stützung seines Auslegungsergebnisses auch die Regelung zu den Falsifikaten (§ 6 Ziff. 6.12) heranziehen. Seine Erwägung, ein Regelungsbedürfnis hierfür sei nur ersichtlich, wenn Gelder mehrerer Auftraggeber zusammengefasst werden konnten und die Einzahlung nicht nach Auftraggebern getrennt erfolgen musste, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
In § 2 Ziffer 2.9 des Transportvertrages ist bestimmt, dass die "Übernahme von Werten durch H. zum Transport ... nichts an den Eigentumsverhältnissen an den Werten" ändere. Damit wird keine Vorgabe für die Art und Weise der weiteren Geldbearbeitung oder die Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank gemacht. Die H. W. GmbH war nach dem Transportvertrag verpflichtet, das aufbereitete Bargeld der Deutschen Bundesbank zu überlassen. Dadurch verlor der Auftraggeber das Eigentum an Münzen und Geldscheinen ohnehin und ungeachtet der Ausgestaltung des Einzahlungsverfahrens.
Ziffer 20.2 der zwischen den Versicherern und der H. -Gruppe vereinbarten "Auflagen und Sicherheitsvorschriften" , wonach die Geldbestände der Auftraggeber physisch und bestandsmäßig getrennt aufzubewahren waren, spricht ebenfalls nicht gegen das Verständnis des Berufungsgerichts. Denn diese Bestimmung bezieht sich auf die Aufbewahrung in Cash-Centern der H. -Gruppe vor der eigentlichen Geldbearbeitung -also vor Auszählung und bundesbankmäßiger Aufbereitung -und besagt nichts zur Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank .
§ 11 Ziffer 11.1 des Transportvertrages bestimmt lediglich, dass die H. W. GmbH "für Verluste, Vernichtungen oder Beschädigungen ... bis zur Einzahlung bei der LZB" haftet und knüpft damit ausschließlich an Bargeld als Sache und dessen körperliche Übergabe an, ohne diese jedoch mit weiteren Verhaltensanforderungen zu verbinden.
(b) Den Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung hat das Berufungsgericht nicht verletzt. Hiernach ist eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen. Dabei ist maßgeblich der Einfluss zu berücksichtigen, den d as Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (vgl. dazu nur , NJW -RR 2010, 773 Rn. 14 m.w.N.).
Ein Interesse der Klägerin und der R. K. GmbH, gerade auch mittels der Modalitäten der Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank vor dem Insolvenzrisiko der H. -Gruppe geschützt zu werden, findet in den Transportverträgen keinen gesonderten, objektiv feststellbaren Niederschlag. Dass das Berufungsgericht demgegenüber maßgeblich auf das in § 6 Ziffer 6.8 des Transportvertrages ausdrücklich herausg estellte Interesse an einer zeitnahen Wertstellung abstellt, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es fehlt insofern schon an einer fehlerhaften Rechtsanwendung (vgl. zu den Voraussetzungen: , BGHZ 154, 288, 299 f.; vgl. auch BVerfG NJW 1998, 2810).
Allein das mögliche Interesse der Auftraggeber, nach Einzahlung der transportierten Gelder auf ein Konto der H. -Gruppe nicht deren Insolvenzrisiko ausgesetzt zu sein, reicht nicht aus, die Verpflichtung zu einer bestimmten Art der Einzahlung zu begründen. Denn dabei bliebe unbeachtet, dass die Klägerin und die R. K. GmbH selbst diesem Risiko vorbeugend hätten begegnen können. Nachdem sie sich in § 15 Ziffer 15.3 des Transportvertrages umfangreiche Prüfrechte gesichert hatten, hätten sie selbst überprüfen können, ob und inwiefern ihre Interessen gefährdet waren. Ihnen stand das Recht zu, "jederzeit ... auch unangemeldet eine Bestandsaufnahme der bei H . verwahrten Werte" durchzuführen.
c) Da eine Einzahlung im kontogebundenen Verfahren nicht untersagt war, kann offen bleiben, ob ein Versicherungsfall auch deshalb zu verneinen wäre, weil nach der Behauptung der Beklagten die Geldentsorgung über ein H. -Konto längere Zeit hingenommen wurde.
d) Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin und der R. K. GmbH auch nicht aufgrund der von der Beklagten abgegebenen Versicherungsbestätigungen zu. Denn deren Beschreibung von Gegenstand, Umfang und Dauer der Versicherung stimmt mit dem Versicherungsvertrag überein. Auch danach konnte Versicherungsschutz nur für den Fall erwarten werden, dass es zu einem stofflichen Zugriff auf ei ne versicherte Sache auf der Transportstrecke kam. Daran fehlt es.
e) Auf Fragen der Vertragsanfechtung kommt es nach allem nicht mehr an.
Fundstelle(n):
EAAAD-88837