BFH Beschluss v. - VI B 146/10

Vorliegen eines Verfahrensfehlers bei unzutreffender Bezugnahme auf Urteil einer Strafkammer

Gesetze: FGO § 96 Abs. 1 Satz 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 6

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

2 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat das FG nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO seine Überzeugung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen. Es muss insbesondere den Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Beteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, der einen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet, liegt dann vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 80; zuletzt , BFH/NV 2011, 1005, m.w.N).

3 2. Gemessen daran liegt ein Verfahrensverstoß vor, weil das FG im angefochtenen Urteil nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat.

4 Zu Recht rügt der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), dass sich das FG im angefochtenen Urteil zur Begründung seiner Entscheidung nicht darauf stützen konnte, dass der Kläger „wegen Beihilfe zu einer Verkürzung der einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in den Unternehmen der X-Gruppe” verurteilt worden sei. Denn eine solche Verurteilung lässt sich aus den Feststellungen und der rechtlichen Würdigung des dem finanzgerichtlichen Verfahren zugrunde iegenden und vom FG zu dessen Begründung auch herangezogenen strafgerichtlichen Urteil des Landgerichts (LG) Y nicht hinreichend sicher entnehmen. Das Urteil des LG spricht zwar einerseits stets von der Abgabe unrichtiger Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte, das LG hat daraus aber nur den konkreten Schluss gezogen, dass in der Zeit von Anfang 1997 bis März 2001 Umsatzsteuern in Höhe von rund . DM hinterzogen worden seien. Das gleiche gilt für die Feststellungen des LG zu der Buchung unrichtiger Rechnungen der A und der Abgabe entsprechend unrichtiger Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte. Denn auch auf Grundlage dieser Feststellungen gelangt das LG nur zu der rechtlichen Würdigung, dass Z Umsatzsteuern in Höhe von rund . DM hinterzogen habe. An diese Feststellungen knüpft das LG in seiner rechtlichen Würdigung des dem Kläger zur Last gelegten strafrechtlich erheblichen Verhaltens an, wonach er sich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Betrug in zwei Fällen strafbar gemacht habe. Wenn das LG zur weiteren Begründung der strafrechtlichen Entscheidung die Haupttat wie folgt umschreibt:

5 "Indem Z bei der Abgabe unrichtiger Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte zu den Steuerjahren 1997 bis 2001 und bei den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis November 2002 gegenüber dem Finanzamt die Umsatzsteuerbeträge aus den Scheinrechnungen…geltend machte, verkürzte er Steuern durch unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen und machte sich jeweils der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar.”,

6 lässt sich daraus indessen nicht der Schluss ziehen, dass der Kläger wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Einkommensteuern durch eine Verkürzung der einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb verurteilt worden war. Denn das LG hatte lediglich festgestellt, dass der Haupttäter auch im Rahmen der Erklärungen zu den einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünften unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht hatte. Die nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO aber ebenfalls erforderliche Feststellung, dass dadurch Steuern verkürzt worden sind, hatte das LG nicht getroffen.

7 3. Der auch geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der Erforderlichkeit der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) liegt nicht vor. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach der vom FG zutreffend zugrunde gelegten Rechtsprechung des BFH Strafverteidigungskosten nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen war, indem etwa die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden war und die vorgeworfene Tat ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein muss. Ob dieser entsprechende Veranlassungszusammenhang vorliegt, ist in erster Linie durch das FG als Tatsacheninstanz im Rahmen einer revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbaren Gesamtwürdigung zu entscheiden (, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223, m.w.N.).

8 Der Senat hält es für sachgerecht, die Vorentscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
AO-StB 2011 S. 273 Nr. 9
BFH/NV 2011 S. 1530 Nr. 9
QAAAD-87485