Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: OVG Rheinland-Pfalz, 7 A 10716/10 vom
Gründe
I
Die Kläger zu 1 und 2 sind türkische Staatsangehörige und kamen 1995 nach Deutschland. Sie sind die Eltern der 1996 geborenen Klägerin zu 4 und des 2003 geborenen Klägers zu 3.
Die Eltern haben jahrelang über ihre und die Identität ihrer Kinder getäuscht und sind deshalb strafgerichtlich verurteilt worden. Wegen der Täuschung haben alle vier Kläger keine gültigen türkischen Pässe, weil die Geburtsregister noch nicht berichtigt worden sind. Die Kläger, die geduldet werden, erstreben die Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen. Wegen der guten schulischen und sozialen Integration der Klägerin zu 4 hat die Beklagte zugesagt, dieser Klägerin - bei Erfüllung der Passpflicht - nach Inkrafttreten des geplanten § 25a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen und die drei anderen Kläger bis zur Volljährigkeit der Klägerin zu 4 zu dulden. Die Kläger haben mitgeteilt, dass gleichwohl über die vorliegende Beschwerde entschieden werden soll.
II
Den Klägern kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil ihre Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde, die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel gestützt ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO), hat keinen Erfolg. Die Beschwerde macht geltend, die Rechtssache habe in dreierlei Hinsicht grundsätzliche Bedeutung. So sei zunächst klärungsbedürftig, ob § 104a Abs. 3 AufenthG - die Zurechnung von Straftaten der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern - mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar sei. Zu diesem Fragenkomplex sind inzwischen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ergangen ( - InfAuslR 2011, 141; BVerwG 1 C 22.09 - InfAuslR 2011, 240). Es ist nicht ersichtlich, dass anlässlich des Entscheidungsfalles weitergehender Klärungsbedarf besteht. Die Beschwerde verkennt im Übrigen, dass es bezüglich der Kinder auf die Zurechnungsnorm des § 104a Abs. 3 AufenthG nicht ankommt, da § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG minderjährigen Kindern, die mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, nur ein akzessorisches Aufenthaltsrecht gewährt, also voraussetzt, dass die Eltern ihrerseits einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift haben (vgl. Urteil vom a.a.O. Rn. 44).
Die Beschwerde hält ferner für klärungsbedürftig, inwieweit die UN-Kinderrechtskonvention im Rahmen "der Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei Prüfungen der Zumutbarkeit der Ausreise bei § 25 Abs. 5 AufenthG anzuwenden" sei. In dieser Allgemeinheit würde sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Eine Eingrenzung der Fragestellung nimmt die Beschwerde - von einem pauschalen Verweis auf Art. 3 Abs. 1 der Konvention abgesehen - auch in ihrer weiteren Begründung nicht vor. Soweit sich die Beschwerde auf Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren bezieht, das seinerseits auf einen 26-seitigen Fachaufsatz verweist, genügt sie damit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Schließlich sieht die Beschwerde Klärungsbedarf dahingehend, "ob die positive Integration eines ausländischen minderjährigen Kindes in die deutschen Lebensverhältnisse im Einzelfall im Licht des ihm zukommenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und seinen entsprechenden Rechten aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ein solches Gewicht hat, dass die Ausreise für einen solchen Minderjährigen unzumutbar im Sinne von unverhältnismäßig wäre, mit der Folge, dass einem Minderjährigen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG zugesprochen werden müsste und - daran anknüpfend - ebenso den mit diesem Kind in häuslicher Lebensgemeinschaft lebenden Mitgliedern der Kernfamilie (Eltern und minderjährige Geschwister), selbst wenn in deren Person ggf. Ausschlussgründe für einen Aufenthaltstitel vorliegen". Auch mit dieser Fragestellung und dem weiteren Vorbringen zu diesem Komplex verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Berufungsgericht ist bei der Prüfung eines sich aus Art. 8 EMRK bzw. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden inlandsbezogenen Ausreisehindernisses zugunsten der Klägerin zu 4 davon ausgegangen, dass der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht nur bei einem formell legalisierten Aufenthalt in Betracht zu ziehen ist. Im Ergebnis hat es einen unverhältnismäßigen Eingriff aber aufgrund einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung abgelehnt. Einen grundsätzlichen, über den Fall der Klägerin zu 4 hinausgehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht dar.
Die von der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Soweit die Beschwerde sich auf Ausführungen des Verwaltungsgerichts bzw. der Kläger im Berufungszulassungsverfahren bezieht, ist ein Revisionszulassungsgrund nicht dargetan. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Berufungsgericht weder den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs noch seine Aufklärungspflicht verletzt. Das Vorbringen der Beschwerde nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf die Bewertung des Berufungsgerichts hinsichtlich der "Nachteile", die für die Klägerin zu 4 mit einer Ausreise in die Türkei verbunden wären. So beanstandet die Beschwerde, das Berufungsgericht habe ohne vorherigen Hinweis "unterstellt", dass die Kläger in den Westen der Türkei zurückkehren würden. Tatsächlich hat das Berufungsgericht nur ausgeführt, eine "Rückkehr" der Eltern bzw. ein Wegzug der Eltern mit den beiden minderjährigen Kindern in den westlichen Teil der Türkei sei, so habe sich dies in der mündlichen Verhandlung "gezeigt", aufgrund der Familiengeschichte und der dort lebenden Verwandtschaft naheliegend (UA S. 14).
Ins Leere geht auch der Vorwurf der Beschwerde hinsichtlich der weiteren Schulausbildung der Klägerin zu 4 in der Türkei. Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte hierzu weiter aufklären müssen, wobei sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergeben ... hätte, dass die nicht türkisch sprechende Klägerin zu 4 keinerlei Möglichkeiten hätte, in zumutbarer Zeit die schulische Ausbildung fortzusetzen". Tatsächlich hat das Berufungsgericht eine Ausreise der Klägerin zu 4 in die Türkei auch dann für zumutbar gehalten, wenn sie ohne weitere schulische Ausbildung bliebe, es ihr aber aufgrund der noch zu erlernenden sprachlichen Fähigkeiten und der aus Deutschland mitgebrachten Bildung mit Kenntnis der Fremdsprachen Deutsch und Englisch durchaus gelingen könne, sich gleichwohl in beruflicher Hinsicht zu qualifizieren und eine noch angemessene persönliche Entwicklung zu nehmen (UA S. 14).
Schließlich moniert die Beschwerde, das Berufungsgericht "setze voraus", dass die volljährigen Kinder in Deutschland im Beruf stünden, was nahelege, dass sie die restliche Familie in der Türkei finanziell unterstützen würden. Auch dieser Vorwurf erschließt sich nicht. Der Niederschrift über die Berufungsverhandlung ist zu entnehmen, dass zwei der vier volljährigen Kinder in Deutschland berufstätig sind. Und es entspricht dem eigenen Vorbringen der Kläger, dass sie keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen würden, weil sie von einem der volljährigen Kinder unterhalten würden.
Im Zusammenhang mit ihren Verfahrensrügen übersieht die Beschwerde im Übrigen auch, dass das Berufungsgericht einen Verbleib der Klägerin zu 4 in Deutschland für rechtlich möglich gehalten hat, sofern einer Bezugsperson aus dem näheren Familienkreis - also etwa dem 1987 geborenen Bruder - die Sorge für sie überantwortet würde (UA S. 15).
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstelle(n):
XAAAD-87114