Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: AG Krefeld, 29 XIV 37/09/B vom LG Krefeld, 7 T 289/09 vom
Gründe
I. Die Betroffene ist ukrainische Staatsangehörige. Sie hatte sich mehrere Jahre in Tschechien aufgehalten und war dann nach Deutschland ausgereist. Sie wandte sich am an die Polizei in K. , um den Verlust ihres Rucksacks und Passes zu melden. Dort wurde sie festgenommen. Auf Antrag des Beteiligten zu 2 vom ordnete das Amtsgericht gegen die Betroffene Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an.
Am hat die Betroffene bei dem Amtsgericht beantragt, den aufzuheben und festzustellen, dass die "Inhaftierung in Abschiebungshaft" rechtswidrig gewesen ist. Gegen die Zurückweisung ihres Antrags hat sie sofortige Beschwerde eingelegt, nach ihrer Abschiebung in die Ukraine am mit dem Antrag festzustellen, dass die "Inhaftierung in Abschiebungshaft" rechtswidrig war. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen hat die Betroffene fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt.
II. Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist mit dem gestellten Feststellungsantrag nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Mit dem Antrag verfolgt die Betroffene zwar das Ziel, die Verletzung ihrer Rechte durch die Zurückweisung ihres Antrags auf Haftaufhebung nach § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG festzustellen. Ein solcher Feststellungsantrag kann aber wie entsprechende Anträge nach Erledigung gegen die Haftanordnung eingelegter Beschwerden analog § 62 Abs. 1 FamFG auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden, ohne dass es einer Zulassung des Rechtsmittels bedarf (Senat, Beschluss vom - V ZB 292/10, [...] Rn. 8). Das gilt auch dann, wenn - wie hier - das Beschwerdegericht über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und in dem Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (Senat, Beschluss vom - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4).
2. Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.
a) Die Zurückweisung des Aufhebungsantrags hat von dessen Eingang bei dem Amtsgericht am an die Betroffene in ihren Rechten verletzt, weil sie schon bei der Anordnung der Haft nicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (BGBl. 1969 II S. 1585 - Wiener Konsularübereinkommen, WÜK) belehrt worden ist.
aa) Die Aufhebung der Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Zukunft kann nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur auf neue Umstände, sondern auch auf Einwände gegen ihre Anordnung gestützt werden (Beschluss vom - V ZB 129/08, NJW 2009, 299, 300). Das hat der Senat zwar auch auf den Wortlaut der Regelung in dem seinerzeit maßgeblichen § 10 Abs. 2 FreihEntzG gestützt, die der Gesetzgeber in den jetzt geltenden § 426 FamFG nicht aufgenommen hat. Damit war aber keine Verengung des Prüfungsrahmens des Gerichts bezweckt. Vielmehr soll das Gericht weiterhin von Amts wegen die Aufhebung der Freiheitsentziehung zu prüfen haben, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben. Es soll lediglich im Verfahrensablauf freier sein als zuvor (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 16/6308 S. 293). Deshalb hat das Gericht auch im Rahmen von § 426 Abs. 1 FamFG dem inhaltlich unveränderten Zweck des Aufhebungsverfahrens Rechnung zu tragen und eine rechtswidrige Inhaftierung zur Verwirklichung der Freiheitsgarantien des Art. 104 GG umgehend zu beenden (vgl. Senat, Beschluss vom aaO).
bb) Danach wäre dem Aufhebungsantrag stattzugeben gewesen. Die angeordnete Haft war fehlerhaft, weil die Betroffene nicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b WÜK belehrt worden ist.
(1)
Haft zur Sicherung der Abschiebung darf gegen einen Betroffenen nur angeordnet werden, wenn dieser, soweit vorgeschrieben, darüber belehrt worden ist, dass er eine Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatlandes verlangen und mit dieser Kontakt aufnehmen darf. Unterbleibt diese Belehrung, ist die angeordnete Haft rechtsfehlerhaft. Dieser Fehler kann nicht geheilt werden (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 Rn. 17 f. und vom - V ZB 165/10, InfAuslR 2011, 119,120 Rn. 4). Der Fehler ist dem erstbefassten Amtsgericht bei der Anordnung der Haft am unterlaufen.
(2)
Die Pflicht zur Belehrung des Betroffenen ergibt sich aus Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 WÜK. Danach haben die Behörden des Empfangsstaats, hier also die deutschen Behörden, einen Betroffenen aus einem Vertragsstaat des Wiener Konsularübereinkommens unverzüglich darüber zu unterrichten, dass er eine unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatlandes über seine Inhaftierung verlangen kann (Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 1 WÜK) und dass seine an diese Vertretung gerichteten Mitteilungen unverzüglich an diese weiterzuleiten sind (Art. 36 Abs. 1 Buchstabe b Satz 2 WÜK). Die Belehrungspflicht bestand gegenüber der Betroffenen, weil ihr Heimatland Ukraine Vertragsstaat des Wiener Konsularübereinkommens ist (Bekanntmachung vom , BGBl. II S. 640).
(3)
Dass die vorgeschriebene Belehrung unterblieben ist, ist anzunehmen, weil sie aus den Akten nicht ersichtlich ist. Die Belehrung des Betroffenen, seine Reaktion hierauf und eine von ihm verlangte unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung sind in den Akten zu dokumentieren. Unterbleibt dies, kann nicht festgestellt werden, dass die Verfahrensgarantien des Wiener Übereinkommens gewahrt worden sind. Dies wirkt zugunsten des Betroffenen (Senat, Beschluss vom - V ZB 165/10, InfAuslR 2011, 119, 120 Rn. 5). So liegt es hier. Die Betroffene ist nach dem Inhalt des Protokolls über ihre Anhörung am "besonders belehrt" worden. Diese Belehrung bezog sich aber auf die illegale Einreise und die mögliche Strafbarkeit. Hinweise darauf, dass die Betroffene auch über ihre Rechte nach Art. 36 WÜK belehrt worden ist, ergeben sich weder aus dem Anhörungsprotokoll noch aus dem weiteren Ablauf des Verfahrens oder dem Aktenvermerk der Kreispolizeibehörde V. vom über den Ablauf der Festnahme.
cc) Nach Erledigung des Aufhebungsantrags ist deshalb festzustellen, dass die Fortdauer der Inhaftierung seit dem Eingang des Aufhebungsantrags die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat. Insoweit ist nicht nur die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufzuheben, sondern auch der Beschluss vom , durch welchen das Amtsgericht die Aufhebung der Haftanordnung und den Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung zurückgewiesen hat.
b) Unbegründet ist die Rechtsbeschwerde, soweit es um die Feststellung der Rechtsverletzung durch die Haftanordnung in dem Zeitraum bis zum Eingang des Aufhebungsantrags geht. Dieser Feststellung steht die formelle Rechtskraft der Haftanordnung des entgegen.
aa) Zwar ist ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme regelmäßig gegeben (Senat, Beschluss vom - V ZB 116/10, InfAuslR 2011, 205 f. Rn. 8 mwN). Dieses rechtliche Interesse muss der Betroffene jedoch im Rahmen der gegebenen Rechtschutzmöglichkeiten verfolgen (Senat, Beschluss vom - V ZB 116/10, InfAuslR 2011, 205 f. aaO). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Gegen den Beschluss, mit dem das Amtsgericht die
Haft angeordnet hat, hat die Betroffene kein Rechtsmittel eingelegt, obwohl dies möglich gewesen wäre.
bb) Die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Haftanordnung kann nicht mit einem Antrag auf Aufhebung der Haft nach § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG durchbrochen werden. Zwar darf der Betroffene einen solchen Antrag auch auf Einwände gegen die ursprüngliche Haftanordnung stützen (oben a) aa)). Der Aufhebungsantrag führt dann aber nur zur Aufhebung der Haft für die Zukunft und zur Feststellung der Verletzung seiner Rechte seit dem Eingang seines Aufhebungsantrags, nicht hingegen zur Feststellung einer Rechtsverletzung auch für den Zeitraum davor (Senat, Beschluss vom - V ZB 292/10, [...] Rn. 17).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, den Landkreis V. , dem die beteiligte Behörde angehört, zur Erstattung eines Teils der notwendigen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten. Die Kostenquote entspricht dem Verhältnis des gesamten Haftzeitraums zu dem Zeitraum, für den das Rechtsmittel Erfolg hat. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 Abs. 2, § 128c Abs. 2 KostO.
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WAAAD-87003