BFH Beschluss v. - V S 10/11

Kein Wiedereinsetzungsantrag nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 FGO

Gesetze: FGO § 56, FGO § 133a

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Rügeführerin (Klägerin) wendet sich mit ihrer Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom V R 60/09 (BFH/NV 2011, 617), mit dem der Senat die Revision der Klägerin als unzulässig verworfen und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgelehnt hat und auf den der Senat Bezug nimmt.

2 II. 1. Die Anhörungsrüge der Klägerin ist unbegründet.

3 a) Nach § 133a Abs. 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge muss das Vorliegen der genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 5 FGO).

4 Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 96 Abs. 2 FGO) verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614; vom V S 24/06, BFH/NV 2007, 1667; vom XI S 4/09, juris).

5 b) Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist durch die Entscheidung über die Unzulässigkeit der Revision nicht verletzt worden.

6 aa) Die Klägerin rügt zu Unrecht, dass sie ihren Vortrag zur Wiedereinsetzung auch noch durch den Schriftsatz vom , der erst nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO erstellt wurde, habe ergänzen können. Sie berücksichtigt dabei nicht hinreichend, dass nach der Rechtsprechung des BFH die Wiedereinsetzung in formeller Hinsicht eine in sich schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO erfordert und hierfür zumindest der Kern der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vorgebracht werden muss. Nach Ablauf der Frist können Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben, sondern nur noch unklare und unvollständige Angaben erläutert oder ergänzt werden (, BFH/NV 1995, 989, und , BFH/NV 2005, 1591). Dabei ist die Aufgabe zur Post vollständig zu schildern, d.h. es sind die Personen namentlich zu benennen, die mit der weiteren Bearbeitung der Postausgänge an diesem Tag betraut waren (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 197/88, BFH/NV 1990, 298; vom VIII R 64/88, BFH/NV 1990, 577, und vom X R 82/92, BFH/NV 1993, 611). Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens können nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 FGO nicht mehr geschlossen werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 1993, 611).

7 Dem genügte der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht, da sie sich bei ihrem Wiedereinsetzungsantrag vom innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist auf die Mitteilung beschränkt hatte, dass die Sekretariatsleiterin des Prozessbevollmächtigten, Frau W., den Brief, der das Schreiben mit der Revisionsbegründung enthielt, am Montag, den , „in die Mittagspost” gegeben habe, „damit der Brief am gleichen Tag noch der Post zugeführt wurde”, ohne aber innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die eigentliche Aufgabe zur Post zu schildern, die nach dem verspäteten Schriftsatz vom darin bestanden habe, dass die Ausgangspost „in einem Postrundgang von dem Mitarbeiter der Poststelle ab ca. 13.30 Uhr eingesammelt und dann ab 14.15 Uhr in der Poststelle bearbeitet” werde, dass ausgehende Briefe dort mit einer verbandseigenen Frankiermaschine frankiert und gegen 15:30 Uhr „zur Abholung durch einen Abholdienst” (Firma X) „an einer verabredeten Stelle in der Tiefgarage” des Verbandsgebäudes „deponiert” würde, dass der Abholdienst „die gegen 16.30 Uhr abgeholte Post bis 20.00 Uhr (Annahmeschluss für Großkunden)” in ein Postverteilzentrum einliefere, dass die Mitarbeiter der Poststelle Herr W und Herr Z bestätigt hätten, dass es sich bei der Firma X um einen „außergewöhnlich zuverlässigen, pünktlichen und korrekten Abholdienst” handele und dass entsprechend dem üblichen „Prozedere” auch am verfahren worden sei.

8 Die Klägerin beruft sich für ihre Auffassung, der Senat hätte diesen Vortrag berücksichtigen müssen, ohne Erfolg auf das (BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 568), nach dem der Vortrag zur Aufgabe zur Post auch noch nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist ergänzt werden kann. Denn die Klägerin hat im Streitfall innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist keine Ausführungen zur Aufgabe zur Post, sondern nur zu Vorbereitungshandlungen für die Postaufgabe gemacht.

9 bb) Die Klägerin macht geltend, der Senat habe ihren fristgerechten Vortrag zur Vorlage des Postausgangsbuchs nicht beachtet. In ihrem Schriftsatz vom verwies sie auf die Kopie eines Fristenbuchs, hat als Anlage zu diesem Schriftsatz tatsächlich aber eine Kopie aus ihrem Postausgangsbuch beigefügt. Hierauf bezieht sich der nicht entscheidungserhebliche Hinweis des Senats. Dass sie nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist einen Auszug ihres Terminsbuchs in Kopie eingereicht hat, ändert hieran nichts.

10 cc) Zur konkret anwendbaren Frist des § 56 Abs. 2 FGO hat sich der Senat in seinem Beschluss vom nicht geäußert, da der Schriftsatz der Klägerin vom in jedem Fall verspätet war.

11 2. Die Gegenvorstellung der Klägerin ist nicht statthaft. Nach der neueren Rechtsprechung des , BVerfGE 122, 190) und des BFH (Beschlüsse vom V S 10/07, BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824; vom III S 43/09, BFH/NV 2010, 453; vom III S 11/10, BFH/NV 2010, 1651; vom X S 19/10, BFH/NV 2011, 62) kann eine Gegenvorstellung nur noch gegen eine abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Revision wird hingegen materiell rechtskräftig und ist daher nicht mehr änderbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1526 Nr. 9
JAAAD-86728