Errichtung eines Konzernbetriebsrats - Sparten-Konzernbetriebsrat
Leitsatz
1. Nach § 54 Abs. 1 BetrVG kann für einen Konzern ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Der Senat lässt offen, ob die hierzu erforderliche Abhängigkeit eines beherrschten Unternehmens von einem herrschenden Unternehmen ausnahmsweise auch anders als gesellschaftsrechtlich vermittelt sein kann.
2. Die gesetzliche Betriebsverfassung sieht einen Sparten-Konzernbetriebsrat nicht vor.
Gesetze: § 54 Abs 1 BetrVG, § 18 Abs 1 AktG, § 17 Abs 1 AktG
Instanzenzug: ArbG Mainz Az: 8 BV 44/08 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 3 TaBV 32/09 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der zu 2) beteiligte Landesverband des D in Rheinland-Pfalz (Landesverband) und seine Gliederungen in Rheinland-Pfalz, die Rettungsdienst betreiben, einen Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG bilden, für den ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 seiner Satzung ist der Landesverband „die Gesamtheit seiner Gliederungen (nachgeordnete Verbände, Organisationen und Einrichtungen) sowie deren Mitglieder auf dem Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz“. § 2 der Satzung beschreibt die Aufgaben des Landesverbands. Sein Abs. 2 lautet:
§ 10 der Satzung enthält Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Bezirks- und Kreisverbände sowie der Ortsvereine. Zu den Kreisverbänden heißt es auszugsweise:
4Der Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz wird auf der Grundlage des Landesgesetzes über den Rettungsdienst sowie den Notfall- und Krankentransport Rheinland-Pfalz (Rettungsdienstgesetz - RettDG) betrieben. Träger des Rettungsdienstes sind das Land, die Landkreise und die kreisfreien Städte. Die Verhandlungen zwischen den Kostenträgern und den rettungsdienstlichen Leistungserbringern über die Benutzungsentgelte erfolgen einheitlich auf Landesebene mit den Landesverbänden der Sanitätsorganisationen.
Der Landesverbandsausschuss des Landesverbands beschloss am eine geänderte Organisationsstruktur für den Rettungsdienst. Danach soll der Rettungsdienst des D in Rheinland-Pfalz zukünftig von acht Leistungsanbietern betrieben werden. Die Leistungsanbieter können nach diesem Konzept in der Rechtsform des eingetragenen Vereins oder einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) geführt werden. Die Ausgliederung der Rettungsdienstaufgaben soll auf der Grundlage des Musterübertragungsvertrags vom erfolgen, der unter II. ua. Folgendes regelt:
6Der Landesverband beherrscht gesellschaftsrechtlich die T mbH. Diese ist die Muttergesellschaft der K Rheinland-Pfalz mbH, die wiederum mehrere Betriebe führt. Bei der T mbH ist ein Konzernbetriebsrat, bei der K Rheinland-Pfalz mbH ein Gesamtbetriebsrat gebildet.
7Bei „dem Landesverband“ einschließlich seiner Gliederungen waren - nach dem nicht konkret bestrittenen - Vorbringen des Konzernbetriebsrats am insgesamt 7.689 Arbeitnehmer beschäftigt. Davon entfielen 2.114 Mitarbeiter auf die K Rheinland-Pfalz mbH sowie 237 Mitarbeiter auf die T mbH. Von den danach verbleibenden 5.338 Mitarbeitern waren 3.673 im Rettungsdienst tätig.
8Die ursprünglich am Verfahren zu 3) bis 7), 9), 10), 12) bis 19) beteiligten Betriebsräte fassten in den Monaten Februar bis April 2008 Beschlüsse über die Errichtung eines Konzernbetriebsrats. Dieser konstituierte sich am . Der Landesverband bestritt die wirksame Errichtung.
9Der am errichtete Konzernbetriebsrat hat in dem am von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren im Wesentlichen das Ziel verfolgt, seine wirksame Errichtung gerichtlich feststellen zu lassen. Er hat die Auffassung vertreten, der Landesverband und die am Verfahren beteiligten Kreisverbände und gGmbHs bildeten einen auf den Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz bezogenen und beschränkten Konzern, für den ein Konzernbetriebsrat errichtet werden könne. Dem stehe nicht entgegen, dass der Landesverband die Kreisverbände und die gGmbHs nicht iSv. §§ 17, 18 AktG beherrsche. Für einen Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG genüge es, wenn ein Unternehmen auf ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausübe. Dieser müsse nicht notwendig gesellschaftsrechtlich vermittelt sein, sondern könne sich auch aus vertraglichen oder organisatorischen Bindungen ergeben. Vorliegend gehe der beherrschende Einfluss des Landesverbands auf die Kreisverbände und die gGmbHs weit über eine Abhängigkeit in Form allgemeiner Rechtsbeziehungen hinaus. Die einem faktischen Unterordnungskonzern entsprechende Abhängigkeit und Einflussnahme zeige sich daran, dass der Landesverband die beteiligten Kreisverbände und D-Rettungsdienst gGmbHs zu einem Finanzausgleich zwinge und für die Untergliederungen weitgehend die Personalplanung übernehme.
Der Konzernbetriebsrat hat beantragt,
11Der Landesverband hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er bilde mit seinen Untergliederungen keinen konzernbetriebsratsfähigen Konzern. Es fehle bereits an einem gesellschaftsrechtlich vermittelten Abhängigkeitsverhältnis. Ein solches sei für einen Unterordnungskonzern nach § 18 Abs. 1 AktG erforderlich. Er beherrsche außerdem die D-Kreisverbände und die D-Rettungsdienst gGmbHs nicht. Mit den Verhandlungen über Budgets und Benutzungsentgelte und der Organisation des internen Finanzausgleichs erbringe er typische Dienstleistungsaufgaben für die D-Gliederungen. Die Wahrnehmung seiner Verbandsaufsichtsfunktionen führe nicht zu einem Beherrschungsverhältnis. Die Kreisverbände und gGmbHs könnten ihre Aufgaben im Wesentlichen eigenverantwortlich und selbständig wahrnehmen.
12Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Konzernbetriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seine Anträge weiter. Der Landesverband beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
13B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Anträge des Konzernbetriebsrats zu Recht abgewiesen. Der Antrag zu 2. ist bereits unzulässig. Die Anträge zu 1. und 3. sind unbegründet. Zum einen bildet der Landesverband mit den D-Kreisverbänden, die Rettungsdienst betreiben, und den gGmbHs keinen Unterordnungskonzern. Dabei verlangt das Verfahren keine Entscheidung, ob ein Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG stets ein gesellschaftsrechtlich vermitteltes Abhängigkeitsverhältnis voraussetzt. Auch wenn eine auf andere Weise vermittelte, mit einer gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeit wertungsmäßig vergleichbare Abhängigkeit als ausreichend zu erachten wäre, wären die daran zu stellenden Anforderungen so hoch, dass sie vorliegend nicht erfüllt wären. Zum andern ist der Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz keine betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, für die innerhalb des Landesverbands und der ihm zuzurechnenden Glieder ein Konzernbetriebsrat errichtet werden könnte. Die gesetzliche Betriebsverfassung sieht die Errichtung von Sparten-Konzernbetriebsräten nicht vor.
14I. Neben dem in seiner Eigenschaft als Antragsteller beteiligten Konzernbetriebsrat sind nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren als Arbeitgeber die Rettungsdienst betreibenden D-Kreisverbände und die gGmbHs sowie die in deren Betrieben gebildeten Betriebsräte und der - einzige - zu 37) beteiligte Gesamtbetriebsrat beteiligt. Die Arbeitgeber sind in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen, weil sie im Falle der wirksamen Errichtung des Konzernbetriebsrats dessen Beteiligungsrechte zu beachten haben. Die Betriebsräte und der Gesamtbetriebsrat sind betroffen, weil sie nach § 55 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 BetrVG Mitglieder in den Konzernbetriebsrat entsenden und diesen nach § 58 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beauftragen können.
15II. Der Antrag zu 2. ist unzulässig, die Anträge zu 1. und 3. sind zwar zulässig, aber unbegründet.
161. Der Antrag zu 2. ist unzulässig. Er ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet.
17a) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden richterlichen Entscheidung hat. Ein Rechtsverhältnis ist jede durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen und auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus. Eine solche ist den Gerichten verwehrt ( - Rn. 12 mwN, NZA 2011, 473).
18b) Diesen Voraussetzungen genügt der Antrag zu 2. nicht. Durch eine Entscheidung über den Antrag festzustellen, dass der Landesverband mit allen D-Gliederungen einen konzernbetriebsratsfähigen Konzern bilde, würde nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten festgestellt, sondern nur eine Vorfrage beantwortet. Die Entscheidung liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus. Das ist unzulässig.
192. Der Antrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet.
20a) Der Antrag ist zulässig. Er lässt sich - anders als in dem der Entscheidung des Senats vom (- 7 ABR 51/05 - Rn. 39, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 2) zugrunde liegenden Fall - nicht gegen seinen Wortlaut dahin auslegen, es solle mit ihm nur das gegenwärtige wirksame Bestehen des Konzernbetriebsrats festgestellt werden. Eine solche gegenwartsbezogene Feststellung ist vielmehr Gegenstand des Antrags zu 3. Der Antrag zu 1. ist trotz seines Vergangenheitsbezugs zulässig. Allerdings ist für einen Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO grundsätzlich erforderlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Ein auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichteter Antrag ist aber dann zulässig, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (vgl. - Rn. 10 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 99). Das ist hier der Fall. Die begehrte Feststellung über die wirksame Errichtung des Konzernbetriebsrats entfaltet noch Wirkungen für die Zukunft. Zwischen einem Teil der Beteiligten und zwischen dem Landesverband und einzelnen Mitgliedern des Konzernbetriebsrats sind ausgesetzte oder ruhend gestellte Urteils- und Beschlussverfahren anhängig, in denen es um Fahrtkostenersatz und eine Freistellung von Reisekosten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Konzernbetriebsrat geht und für deren Entscheidung die Frage der wirksamen Errichtung des Konzernbetriebsrats von Bedeutung ist.
21b) Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Der Konzernbetriebsrat ist nicht wirksam errichtet worden. Der Landesverband bildet mit den beteiligten D-Gliederungen keinen Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG. Die D-Gliederungen sind keine vom Landesverband beherrschten, abhängigen Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn. Dabei verlangt der Fall keine abschließende Entscheidung, ob die für ein Konzernverhältnis iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG erforderliche Abhängigkeit stets gesellschaftsrechtlich vermittelt sein muss oder ob sie ausnahmsweise auch anders begründet werden kann. Selbst wenn hiervon auszugehen wäre, wären die dann an die Abhängigkeit zu stellenden Anforderungen hier nicht erfüllt. Außerdem bildet der Rettungsdienst ohnehin keine konzernbetriebsratsfähige Einheit.
22aa) Die D-Gliederungen sind keine vom Landesverband beherrschten, abhängigen Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn.
23(1) Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann für einen Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG) durch Beschlüsse der Gesamtbetriebsräte oder - unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 BetrVG - der Betriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden.
24(a) Das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt nicht selbst, wann ein Konzern besteht und welche Unternehmen ihm angehören. § 54 Abs. 1 BetrVG verweist vielmehr auf § 18 Abs. 1 AktG. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt deshalb kein eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher Konzernbegriff. Maßgeblich sind vielmehr die Regelungen des Aktiengesetzes ( - Rn. 26 mwN, DB 2011, 769; - 7 ABR 63/06 - Rn. 23, AP ArbGG 1979 § 96a Nr. 3; - 7 ABR 26/06 - Rn. 42, BAGE 121, 212). Danach kann ein Konzernbetriebsrat nur in einem sog. Unterordnungskonzern errichtet werden. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG bilden ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen einen sog. Unterordnungskonzern, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Von einem abhängigen Unternehmen wird nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet.
25(b) Auch für das Vorliegen eines Konzerns iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG ist grundsätzlich der gesellschaftsrechtliche Begriff der Abhängigkeit maßgeblich. Der Streitfall verlangt keine Entscheidung, ob die erforderliche Abhängigkeit auch auf andere als gesellschaftsrechtliche Weise vermittelt werden kann.
26(aa) Nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausüben kann. Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Gehört die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen, ist das Unternehmen nach § 16 Abs. 1 AktG ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen. Für die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1 AktG ist es unerheblich, in welcher Rechtsform das herrschende und die abhängigen Unternehmen geführt werden. Der Unternehmensbegriff wird in §§ 15 ff. AktG rechtsformneutral verwendet ( - Rn. 26 mwN, DB 2011, 769). Eine unter 50 vH liegende Beteiligung in Verbindung mit weiteren verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art kann außerdem eine Abhängigkeit iSd. § 17 Abs. 1 AktG begründen, wenn eine mögliche Einflussnahme beständig, umfassend und gesellschaftsrechtlich vermittelt ist ( - zu III 4 der Gründe, BGHZ 135, 107). Das Abhängigkeitsverhältnis als Grundlage des beherrschenden Einflusses kann außer in Fällen der Mehrheitsbeteiligung auch auf andere gesellschaftsrechtlich vermittelte Weise, wie etwa durch Stimmbindungsverträge, begründet werden, mittels derer auf die Willensbildung von Unternehmen Einfluss genommen wird (vgl. - Rn. 47, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 2). Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG sind auch Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§ 319 AktG), als unter einheitlicher Leitung zusammengefasst anzusehen (vgl. - Rn. 44, BAGE 121, 212).
27(bb) Nicht abschließend geklärt ist, ob auch andere als gesellschaftsrechtlich vermittelte Abhängigkeiten das Vorliegen eines Konzerns iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG begründen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 17 AktG erfasst dieser keine rein wirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlich nicht abgesicherten Abhängigkeiten, die allein durch externe Austauschbeziehungen (wie etwa durch Liefer-, Lizenz- oder Kreditverträge) begründet sind und einem Partner einen durch die Marktlage bedingten Einfluss auf das geschäftliche Verhalten der Gesellschaft sichern; die Einbeziehung solcher nichtgesellschaftlicher Einflüsse in die aktienrechtlichen Vorschriften würde bei der Vielzahl und Vielfalt möglicher wirtschaftlicher Abhängigkeiten tief und in kaum mehr zu übersehendem Ausmaß in das Marktgeschehen eingreifen ( - zu II der Gründe, BGHZ 90, 381). Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang allerdings zugleich den spezifisch aktienrechtlichen Zusammenhang betont ( - aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Beschluss vom (- 6 ABR 19/85 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 53, 287) ausgeführt, für das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses sei entscheidend, dass das herrschende Unternehmen über Mittel verfüge, die es ihm ermöglichen, das abhängige Unternehmen seinem Willen zu unterwerfen und diesen bei ihm durchzusetzen; auf das Mittel der Einflussmöglichkeit komme es nicht an; für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft könnten nicht nur vertragliche oder organisatorische Bindungen, sondern auch rechtliche und tatsächliche Umstände sonstiger Art sprechen ( - aaO). Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, der beherrschende Einfluss müsse zumindest gesellschaftsrechtlich vermittelt sein (vgl. etwa Kreutz/Franzen GK-BetrVG 9. Aufl. § 54 Rn. 19 mwN; Windbichler in GroßKomm-AktG 4. Aufl. § 17 Rn. 40). Ein anderer Teil des Schrifttums ist der Ansicht, der beherrschende Einfluss könne auch durch andere (schuld-)rechtliche Vertragsbeziehungen begründet sein (vgl. etwa Fitting 25. Aufl. § 54 Rn. 14; H/S/W/G/N/R-Glock 7. Aufl. § 54 Rn. 13; vgl. ferner DKKW-Trittin 12. Aufl. Vor § 54 Rn. 24, 86 ff.; vgl. auch zu § 5 Abs. 1 MitBestG MüArbR/Wißmann 3. Aufl. Bd. 2 § 279 Rn. 11, nach dem der aktienrechtliche Konzernbegriff nicht in allen Einzelheiten für das MitBestG maßgeblich sei, sondern sich die Auslegung an dem auf die Verwirklichung der Mitbestimmungsmöglichkeiten gerichteten Zweck des Gesetzes zu orientieren habe; ähnlich ErfK/Oetker 11. Aufl. § 15 AktG Rn. 3).
28(cc) Der Streitfall verlangt keine abschließende Beurteilung, ob die für das Vorliegen eines Konzerns erforderliche Abhängigkeit auch anders als gesellschaftsrechtlich vermittelt sein kann.
29(aaa) Für das Erfordernis einer gesellschaftsrechtlich vermittelten Abhängigkeit können Gründe der Rechtssicherheit sprechen. Es liegt im Interesse aller Betriebsparteien, zuverlässig erkennen zu können, ob ein Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG vorliegt, dementsprechend ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann und die nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in dessen Zuständigkeit fallenden Beteiligungsrechte von ihm wahrgenommen werden. Angesichts der Vielfalt und der raschen Veränderbarkeit vertraglicher und wirtschaftlicher Abhängigkeiten von Lieferanten, Abnehmern, Kreditgebern usw. erscheint es bedenklich, diese als ausreichend zu erachten, um daran die weitreichende Folge der Errichtung eines Konzernbetriebsrats beim „Mutterunternehmen“ zu knüpfen.
30(bbb) Andererseits kann das Erfordernis einer wirksamen Mitbestimmung dafür sprechen, ein Unternehmen, das aufgrund anderer als gesellschaftsrechtlicher Mittel in der Lage ist, die Willensbildung eines fremden Unternehmens umfassend und dauerhaft zu bestimmen, als herrschendes Unternehmen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn anzusehen (vgl. zur Rechtsfigur des „Konzerns im Konzern“ - Rn. 49 mwN, BAGE 121, 212; - 7 ABR 63/06 - Rn. 31 mwN, AP ArbGG 1979 § 96a Nr. 3). Nach dem Schutzzweck des § 54 BetrVG soll eine Beteiligung der Arbeitnehmer an den die Einzelunternehmen bindenden Leitungsentscheidungen des Konzerns im sozialen, personellen und wirtschaftlichen Bereich sichergestellt werden. Mitbestimmung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes soll dort ausgeübt werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird. Mit der möglichen Errichtung eines Konzernbetriebsrats wollte der Gesetzgeber einer Beeinträchtigung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte infolge konzernspezifischer Entscheidungsstrukturen und der dadurch eröffneten faktischen und rechtlichen Einflussmöglichkeiten des herrschenden Konzernunternehmens entgegenwirken (vgl. - Rn. 35 mwN, DB 2011, 769; - 7 ABR 56/03 - zu B IV 1 e cc (1) der Gründe mwN, BAGE 112, 166).
31(ccc) Der Senat lässt im Streitfall offen, ob es geboten sein kann, unter bestimmten Voraussetzungen auch eine andere als eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Abhängigkeit für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats nach § 54 Abs. 1 BetrVG genügen zu lassen. Sofern dies überhaupt angenommen würde, müsste die anderweitig begründete Abhängigkeit mit der gesellschaftsrechtlich vermittelten zumindest gleichwertig sein. Das herrschende Unternehmen müsste über die rechtlich verstetigte Möglichkeit verfügen, grundsätzlich alle unternehmensrelevanten Entscheidungen des abhängigen Unternehmens zu steuern. Die Möglichkeit, Teilbereiche des anderen Unternehmens zu beeinflussen, würde ebenso wenig ausreichen wie die Möglichkeit, vorübergehend auftretende Schwierigkeiten des anderen Unternehmens zur Einflussnahme auf dieses zu nutzen.
32(2) Hiernach sind die D-Gliederungen keine vom Landesverband beherrschten, abhängigen Unternehmen iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG.
33(a) Eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Abhängigkeit iSv. §§ 17, 18 AktG liegt nicht vor. Die D-Gliederungen stehen iSv. § 17 Abs. 2 AktG nicht im Mehrheitsbesitz des Landesverbands. Auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG liegen nicht vor. Weder besteht zwischen dem Landesverband und den Kreisverbänden sowie den gGmbHs ein Beherrschungsvertrag iSv. § 291 AktG, noch sind die Gliederungen iSv. § 319 AktG in den Landesverband eingegliedert.
34(b) Der Landesverband ist auch nicht auf andere Weise in der Lage, die Entscheidungen der Kreisverbände und der gGmbHs dauerhaft und umfassend zu steuern. Zwar enthält die Landessatzung auf Dauer ausgerichtete rechtliche Verpflichtungen für D-Gliederungen, die Rettungsdienst nach Maßgabe der Rettungsdienstverträge betreiben. Diese Pflichten treffen auch die zu diesem Zweck nach Maßgabe des Musterübertragungsvertrags vom eigens gegründeten gGmbHs. Die Satzung enthält ferner - wie etwa in § 10 Abschn. Kreisverbände Abs. 7 - Genehmigungsvorbehalte, welche die Kreisverbände in ihrer Selbständigkeit einschränken. Auch kann der Landesverband, wie das Landesarbeitsgericht nicht verkannt hat, in bestimmten Bereichen, wie etwa der Personalausstattung Rahmendaten setzen, an denen die Untergliederungen bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht oder nur schwer vorbeikommen. Dies alles genügt aber nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, die Untergliederungen seien vom Landesverband in derselben Weise grundlegend abhängig, wie dies gesellschaftsrechtlich abhängige Unternehmen sind. Die D-Kreisverbände und die gGmbHs sind vielmehr gerade auch in den beteiligungsrechtlich relevanten Bereichen der personellen, sozialen und wirtschaftlichen Mitbestimmung grundsätzlich in der Lage, ihre Entscheidungen im Wesentlichen eigenständig zu treffen. Das macht § 10 Abschn. Kreisverbände Abs. 3 Satz 2 der Satzung des Landesverbands deutlich, wonach der Kreisverband seine Angelegenheiten vorbehaltlich der in der Satzung vorgesehenen Einschränkungen selbst verwaltet. Die in der Satzung vorgesehenen Einschränkungen gehen nicht so weit, dass der Landesverband in der Lage wäre, das unternehmerische Verhalten der Kreisverbände umfassend zu steuern. Gleiches gilt für die gGmbHs. Auch diese sind - etwa durch die Verpflichtung zur Teilnahme an dem überregionalen Finanzausgleich - in die Gesamttätigkeit der Rettungsdienste eingebunden und - wie II. 8. des Musterübertragungsvertrags zeigt - bei der Bestellung und Abberufung ihrer Geschäftsführer auf ein Einvernehmen mit dem Landesverband angewiesen. Auch diese Abhängigkeiten sind aber nicht derart, dass sie in ihrem Gewicht mit einer etwa durch Mehrheitsbesitz oder Beherrschungsverträge gesellschaftsrechtlich vermittelten Abhängigkeit gleichgesetzt werden könnten.
35bb) Unabhängig vom Fehlen eines für das Vorliegen eines Konzerns iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG erforderlichen Abhängigkeitsverhältnisses ist die Errichtung des Konzernbetriebsrats aber auch deshalb unwirksam, weil er für eine nicht konzernbetriebsratsfähige Einheit gebildet wurde.
36(1) Nach § 54 Abs. 1 BetrVG kann ein Konzernbetriebsrat „für einen Konzern“ gebildet werden. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG, auf welchen § 54 Abs. 1 BetrVG Bezug nimmt, bilden das herrschende sowie ein oder mehrere abhängige Unternehmen den Konzern. Für einen Konzern kann daher grundsätzlich nur ein - beim herrschenden Unternehmen angesiedelter - Konzernbetriebsrat errichtet werden. Die Bildung mehrerer nebeneinander bestehender Konzernbetriebsräte ist gesetzlich ebenso wenig vorgesehen wie die Errichtung eines Konzernbetriebsrats für einen Teil des Konzerns. Die gesetzliche Betriebsverfassung kennt keinen Sparten-Konzernbetriebsrat.
37(2) Hiernach ist die Errichtung eines auf den Bereich des Rettungsdienstes innerhalb des Landesverbands und seiner Untergliederungen beschränkten Konzernbetriebsrats gesetzlich nicht möglich. Sofern der Landesverband und seine Untergliederungen einen Konzern bilden würden, müsste beim Landesverband - im Verhältnis zur T und dem dort gebildeten Konzernbetriebsrat ggf. entsprechend der Rechtsfigur des „Konzerns im Konzern“ - ein einheitlicher Konzernbetriebsrat errichtet werden. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 BetrVG wäre es Sache aller Gesamtbetriebsräte oder - bei deren Fehlen - der Betriebsräte, Mitglieder in den Konzernbetriebsrat zu entsenden. Es liegt nicht in der Gestaltungsmacht einzelner Gesamtbetriebsräte oder Betriebsräte, einen Konzernbetriebsrat für nur einen Teil des Konzerns zu errichten.
383. Der Antrag zu 3. ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
39a) Der Antrag ist zulässig. Mit ihm erstrebt der Konzernbetriebsrat, wie die Auslegung ergibt, der Sache nach auf die Gegenwart bezogen die Feststellung, die er mit dem Antrag zu 1. auf die Vergangenheit bezogen begehrt. Er will festgestellt wissen, dass er weiterhin der wirksam errichtete Konzernbetriebsrat für den Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz ist, der aus den Rettungsdienst betreibenden Kreisverbänden und den gGmbHs besteht.
40aa) In dieser Auslegung ist der Antrag ausreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Konzernbetriebsrat hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten alsbaldigen Feststellung.
41bb) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass während des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufgrund der Betriebsratswahlen 2010 sowie einiger Fusionen Änderungen in tatsächlicher Hinsicht eingetreten sind. Die Änderungen waren nicht derart, dass sie zu einer im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht mehr zulässigen Änderung des - zweigliedrigen - Streitgegenstands geführt hätten.
42(1) Zum einen ist - ohne dass dies von den Beteiligten konkret dargelegt worden wäre - davon auszugehen, dass die Mitgliedschaft der dem Konzernbetriebsrat seit dessen Konstituierung am angehörenden Mitglieder zugleich mit dem Ablauf ihrer Amtszeit in dem sie entsendenden Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat erloschen ist. Dies folgt aus § 57 iVm. § 49 iVm. § 24 BetrVG (vgl. Kreutz/Franzen GK-BetrVG § 54 Rn. 57). Das Amt des Konzernbetriebsrats hat dadurch aber nicht geendet. Der Konzernbetriebsrat hat - anders als der Betriebsrat - keine Amtszeit. Er ist vielmehr - wie der Gesamtbetriebsrat - eine Dauereinrichtung ( - Rn. 47 mwN, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 2). Die von den Gesamtbetriebsräten oder den Betriebsräten nach jeder regelmäßigen Neuwahl erneut vorzunehmende Entsendung von Mitgliedern in den Konzernbetriebsrat ändert daher nichts an dessen kontinuierlichem Fortbestand. Da sich vorliegend die Beteiligten nicht über die konkrete Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats, sondern über dessen rechtliche Existenz streiten, veränderte die Neuentsendung von Mitgliedern in den Konzernbetriebsrat im Frühjahr 2010 den Verfahrensgegenstand nicht in einer Weise, welche eine im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässige Antragsänderung zur Folge hätte. Die veränderte Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats nach einer Neuwahl zum Betriebsrat oder das Ausscheiden einzelner Betriebsräte wirkt sich auf den Bestand eines Konzernbetriebsrats nicht aus. Deshalb ist es für die Identität des Verfahrensgegenstands unschädlich, dass die ursprünglich am Verfahren beteiligten Betriebsräte zu 5), 9), 12) und 15) nicht mehr existieren.
43(2) Gleiches gilt für den Umstand, dass verschiedene D-Kreisverbände den Rettungsdienst nicht mehr selbst betreiben, sondern dieser im Zuge der sog. „Fusionen“ durch gGmbHs weitergeführt wird, die teilweise in der Rechtsbeschwerdeinstanz erstmalig am Verfahren beteiligt sind. Auch dadurch ist für die rechtliche Existenz des Konzernbetriebsrats keine wesentliche Änderung eingetreten. Das Amt des Konzernbetriebsrats endet nur, wenn die Voraussetzungen für seine Errichtung dauerhaft entfallen. So führt nicht jede Änderung der Beteiligungsverhältnisse zum Wegfall des Konzerns. Das Konzernverhältnis endet auch nicht, wenn ein oder mehrere Unternehmen in den Konzern eintreten oder diesen verlassen, sondern erst dann, wenn danach die Voraussetzungen eines Konzerns nicht mehr vorliegen, etwa nachdem eine Mehrheitsbeteiligung zur Minderheitsbeteiligung und das Abhängigkeitsverhältnis nicht anderweitig begründet wird ( - Rn. 47 mwN, AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12 = EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 2). Dementsprechend hatten die „Fusionen“, also die Übertragung der Rettungsdienste auf die D-Rettungsdienst gGmbHs und insbesondere auf die neu gegründete Beteiligte zu 38) keinen Einfluss auf die rechtliche Existenz des Konzernbetriebsrats.
b) Der Antrag zu 3. ist ebenfalls unbegründet. Der Konzernbetriebsrat wurde - wie ausgeführt - schon nicht wirksam errichtet.
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Fundstelle(n):
AG 2011 S. 670 Nr. 18
BB 2011 S. 2043 Nr. 33
DB 2011 S. 10 Nr. 26
DB 2011 S. 1980 Nr. 35
ZIP 2011 S. 1332 Nr. 28
HAAAD-86626