Begründung des Wiedereinsetzungsantrags; Nachweis der rechtzeitigen Aufgabe eines Schriftstückes zur Post; Notwendigkeit zusätzlich objektiver Beweismittel
Leitsatz
Wird der Wiedereinsetzungsantrag mit der fristgerechten Absendung des
beim Adressaten nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist im
Einzelnen darzulegen, wann, von wem und in welcher Weise es zur Post gegeben
wurde.
Soll die rechtzeitige Aufgabe eines Schriftstücks
zur Post nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, reicht die anwaltliche
Versicherung allein hierfür auch dann nicht aus, wenn der
Bevollmächtigte darlegt, er selbst habe das fristwahrende
Schriftstück zur Post gegeben. Vielmehr sind zusätzliche objektive
Beweismittel notwendig. Als solche kommen insbesondere die Eintragung der Frist
in ein Fristenkontrollbuch das Festhalten der Absendung in einem
Postausgangsbuch und die Löschung der Frist auf der Grundlage der
Eintragung im Postausgangsbuch als objektive Beweismittel in
Betracht.
Diese objektiven Beweismittel - vor allem die
Eintragung der Frist im Fristenkontrollbuch und deren Löschung aufgrund
der Eintragung im Postausgangsbuch - müssen im Zeitpunkt der Entscheidung
über den Wiedereinsetzungsantrag präsent sein. Können derartige
objektive Beweismittel nicht vorgelegt werden, muss dargelegt werden, weshalb
die Vorlage nicht möglich
ist.
Gesetze: FGO § 56
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1I. Auf die Beschwerde des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das klageabweisende hat der Senat mit Beschluss vom die Revision zugelassen. Der Zulassungsbeschluss wurde dem als selbstständiger Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft tätigen Kläger am zugestellt. Die bis zum laufende Frist zur Begründung der Revision wurde zwar bis zum verlängert, die Revisionsbegründung ist jedoch binnen dieser Frist nicht eingegangen.
2Auf den Hinweis der Senatsgeschäftsstelle, die Revisionsbegründungsfrist sei versäumt, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom —hier eingegangen am — Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Revision. Hinsichtlich des Wiedereinsetzungsgesuchs führte der Kläger aus, er habe bereits am Donnerstag, den , eine Revisionsbegründung gefertigt und diese nach einer Besprechung mit einer Mandantin, die von 15:00 Uhr bis ca. 15:45 Uhr gedauert habe, in einem frankierten Briefumschlag zu einem etwa 150 m von der Kanzlei entfernten Briefkasten der Deutschen Post AG gebracht und eingeworfen. Die im elektronischen Terminkalender des Anwaltsprogramms „.” vorsorglich auf den eingetragene Frist sei gelöscht worden, da er davon ausgegangen sei, dass der Brief mit Sicherheit spätestens am —gemeint ist offenbar der — beim Gericht eingegangen sein würde. Zwecks Glaubhaftmachung versichere er das anwaltlich. Zur Begründung seines Antrags fügte der Kläger ein Blatt mit der Überschrift „Aufgaben für den ” bei, auf dem unter der Aktennr. . (Akte A ./. Finanzamt B) das Wort „Revisionsbegründung” durchgestrichen ist. Ferner übersandte der Kläger das Kalenderblatt für den , auf dem es unter der Rubrik 15:00 Uhr lautet, „16/2006 Besprechung mit CD in Sachen D ./. D bis: 15:45”.
3Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) erachtet die Revision für unzulässig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht gegeben. Der Kläger habe seinen Vortrag nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger die Revisionsbegründung bereits am verfasst und an diesem Tag zur Post gebracht habe. Die vorgelegten Kalenderausdrucke gäben weder Hinweise darauf, wann die Revisionsbegründung tatsächlich erstellt worden noch ob und wann diese zur Post gegeben worden sei. Zur Glaubhaftmachung seiner Behauptung hätte der Kläger zumindest Auszüge aus dem Postausgangs- und dem Fristenkontrollbuch vorlegen müssen.
4II. Die Revision ist wegen Versäumung der Begründungsfrist durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
51. Der Kläger hat die Revision verspätet begründet. Die Frist zur Begründung der Revision endete am (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Revisionsbegründung vom ging nicht innerhalb der Begründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, sondern wurde vom Kläger erst mit seinem Wiedereinsetzungsantrag vom beim BFH eingereicht.
62. Die von dem Kläger begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Begründungsfrist kann nicht bewilligt werden.
7a) Einem Verfahrensbeteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; innerhalb dieser Frist muss die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO). Wird der Wiedereinsetzungsantrag —wie im Streitfall— mit der fristgerechten Absendung des beim Adressaten nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist im Einzelnen darzulegen, wann, von wem und in welcher Weise es zur Post gegeben wurde. Der Vortrag ist durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 146/96, BFH/NV 1997, 674, m.w.N.; vom X R 42/01, BFH/NV 2002, 533; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 56 Rz 42, m.w.N.).
8b) Die vom Kläger abgegebene Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags nebst Übersendung von Kopien der elektronischen Kalenderblätter vom 6. und reicht zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung der Revisionsbegründung nicht aus. Soll die rechtzeitige Aufgabe eines Schriftstücks zur Post nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, reicht die anwaltliche Versicherung allein hierfür auch dann nicht aus, wenn der Bevollmächtigte darlegt, er selbst habe das fristwahrende Schriftstück zur Post gegeben (vgl. BFH-Beschlüsse vom V R 3/03, BFH/NV 2004, 524; in BFH/NV 2002, 533; vom V R 60/09, BFH/NV 2011, 617; vom VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002). Vielmehr sind nach ständiger Rechtsprechung zusätzliche objektive Beweismittel notwendig. Als solche kommen insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung in einem Postausgangsbuch und die Löschung der Frist auf der Grundlage der Eintragung im Postausgangsbuch als objektive Beweismittel in Betracht (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 1002; in BFH/NV 2002, 533). Diese objektiven Beweismittel —vor allem die Eintragung der Frist im Fristenkontrollbuch und deren Löschung aufgrund der Eintragung im Postausgangsbuch— müssen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag präsent sein (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 533, m.w.N.).
9Können derartige objektive Beweismittel nicht vorgelegt werden, muss dargelegt werden, weshalb die Vorlage nicht möglich ist (vgl. dazu auch , BVerfGE 41, 332).
10Im Streitfall hat der Kläger weder das Postausgangsbuch noch das Fristenkontrollbuch vorgelegt. Gründe für die Nichtvorlage hat er nicht genannt. Die von ihm vorgelegten Kopien elektronischer Kalenderblätter können diese Unterlagen nicht ersetzen und sind nicht geeignet, die Fertigung der Revisionsbegründung sowie deren rechtzeitige Absendung glaubhaft zu machen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1389 Nr. 8
GAAAD-86473