BFH Beschluss v. - IX B 102/10

Keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht bei sich nicht aufdrängender Einholung eines psychiatrischen Sachverständigen-Gutachtens wegen der Handlungsfähigkeit/Geschäftsfähigkeit

Gesetze: AO § 79, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 94, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, ZPO § 165, ZPO § 295

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es bleibt dahingestellt, ob ihre Begründung den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht; jedenfalls sind die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht gegeben.

2 a) Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel in Gestalt des Unterlassens einer Amtsermittlung durch (Sachverständigen-)Beweiserhebung rügen, ist dieser Verstoß nicht gegeben. Insbesondere musste sich dem Finanzgericht (FG) aufgrund des vorgelegten ärztlichen Attests („intensive Diagnostik”, „körperlich als auch nervlich eine erhebliche Leistungseinschränkung”) die Einholung eines (psychiatrischen) Sachverständigen-Gutachtens wegen der Handlungsfähigkeit/Geschäftsfähigkeit (§ 79 der Abgabenordnung) nicht aufdrängen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurde „der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert”, ohne dass die Kläger —in der gut vierzigminütigen mündlichen Verhandlung— einen entsprechenden Beweisantrag gestellt oder auf ihn hingewirkt hätten. Zudem war spätestens aufgrund der Ladung erkennbar, dass das FG eine mögliche Beweiserhebung oder weitere Aufklärungsmaßnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht durchzuführen beabsichtigte. Im Übrigen muss ein —fachkundig vertretener— Beteiligter gerade bei umstrittener Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (s. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084; vom IX B 86/09, BFH/NV 2010, 222, m.w.N.). Gleichwohl haben die —in der mündlichen Verhandlung vor dem FG anwaltlich vertretenen— Kläger rügelos zur Sache verhandelt und damit ihr Rügerecht durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 198/09, BFH/NV 2010, 1647; vom IX B 207/07, BFH/NV 2008, 2022, m.w.N.). Gleiches gilt für die Frage der Einkommenslosigkeit der Kläger im fraglichen Zeitraum.

3 b) Letztlich rügen die Kläger mit ihrem Vorbringen eine (angeblich) unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann die Zulassung der Revision jedoch nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 110/08, BFH/NV 2009, 39, und in BFH/NV 2010, 1647).

4 c) Die darüber hinaus in dem nach Ablauf der Begründungsfrist und damit verspätet eingereichten Schriftsatz vom enthaltenen Ausführungen sind, soweit sie nicht nur erläuternder, ergänzender oder vervollständigender Natur sind, unbeachtlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512, unter 4.b; vom VI B 69/05, BFH/NV 2007, 83, unter 3., m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1364 Nr. 8
KAAAD-85760