Revision im Strafverfahren: Unzutreffender Sachvortrag zu Verfahrenstatsachen in der Revisionsbegründung
Gesetze: § 344 Abs 2 S 2 StPO
Instanzenzug: LG Neubrandenburg Az: 8 KLs 34/09 - 832 Js 24681/08 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 35 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Soweit der Angeklagte wegen zwei im Oktober 1990 und im September 1993 begangener Missbrauchstaten verurteilt worden ist, ist das Verfahren jeweils wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen. Während hinsichtlich der möglicherweise vor dem begangenen Tat Verfolgungsverjährung eingetreten ist, wird die im September 1993 - nicht ausschließbar - vor Ende des kalendarischen Sommers verübte Tat von der Eröffnungsentscheidung der Strafkammer nicht erfasst.
3a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im Zeitraum von Oktober 1990 bis einschließlich April 1993 sowie vom September 1993 bis Ende des Jahres 1993 jeden Monat eine Missbrauchstat zum Nachteil seiner Tochter J. R. beging. Nähere Feststellungen zu den jeweiligen Tatzeitpunkten waren nicht möglich. Bei der Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ist daher zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Tat im Oktober 1990 vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland und der im September 1993 verübte Missbrauch während des kalendarischen Sommers begangen wurde.
4b) Die im Oktober 1990 vor dem Wirksamwerden des Beitritts verübte Tat, auf welche gemäß Art. 315 Abs. 1 EGStGB i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB die Strafvorschrift des § 148 Abs. 1 StGB-DDR mit einer Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe Anwendung findet, ist verjährt. Die nach der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung in Folge des Beitritts gemäß § 315a Abs. 1 Satz 3 EGStGB maßgebliche fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, die nach der auch Missbrauchstaten nach dem Recht der ehemaligen DDR erfassenden Regelung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Tatopfers am ruhte, war bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bereits abgelaufen.
5c) Hinsichtlich der im September 1993 vor Ende des kalendarischen Sommers begangenen Tat fehlt es an einer wirksamen Eröffnungsentscheidung (§ 203 StPO), da die Strafkammer in ihrem Eröffnungsbeschluss vom im Sommer 1993 begangene Taten von der Eröffnung des Hauptverfahrens ausdrücklich ausgenommen hat.
6d) Durch den Wegfall von zwei Einzelstrafen von jeweils einem Jahr in Folge der Teileinstellung des Verfahrens wird der Bestand des Gesamtstrafenausspruchs nicht in Frage gestellt. Mit Blick auf die verbleibenden 33 Einzelstrafen von je einem Jahr kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer ohne die eingestellten Fälle auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
72. Die weiter gehende Revision des Angeklagten ist unbegründet. Insoweit hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
8Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, die Hauptverhandlung im Fortsetzungstermin am sei unter Verletzung des § 231 Abs. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt worden, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision zu den Verfahrenstatsachen in einem maßgeblichen Punkt objektiv falsch vorgetragen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 312/10; vom - 1 StR 202/05, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweisantragsrecht 8). Während die Revision behauptet, der Vorsitzende habe in der Hauptverhandlung am den Beginn des Fortsetzungstermins am auf 15.00 Uhr festgesetzt, die im Protokoll vermerkte Uhrzeit von 14.00 Uhr sei dem Angeklagten und seinem Verteidiger "so" nicht mitgeteilt worden, ergibt sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll, der vom Senat eingeholten dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden sowie aus der Gegenerklärung der Nebenklägerin, dass der Beginn des am vorgesehenen Fortsetzungstermins vom Vorsitzenden der Strafkammer in der Hauptverhandlung am auf 14.00 Uhr bestimmt wurde. Auf einen Irrtum in Folge eines Fehlverständnisses der mündlichen Anordnung des Vorsitzenden hat sich der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Verfahrensrüge nicht berufen. Auf Grund des unzutreffenden Sachvortrags bietet die Revisionsrechtfertigung keine ausreichende Grundlage für die Prüfung der Eigenmächtigkeit der Abwesenheit des Angeklagten durch das Revisionsgericht (vgl. , StV 1984, 326; Beschluss vom - 3 StR 236/80, StV 1981, 393).
93. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
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Fundstelle(n):
EAAAD-85603