BGH Urteil v. - III ZR 84/10

Haftung aus Kapitalanlageberatung: Pflicht des bankexternen Anlageberaters zur ungefragten Aufklärung über Provisionen

Gesetze: § 280 Abs 1 BGB, § 31d WpHG

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 11 U 138/08 Urteilvorgehend Az: 322 O 189/07

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt von dem Beklagten zu 2 unter dem Vorwurf fehlerhafter Kapitalanlageberatung Schadensersatz.

2Aufgrund eines am geführten Gesprächs mit dem Zeugen F.      H.      , einem (damaligen) Mitarbeiter des Beklagten zu 2, zeichnete die Klägerin zwei - jeweils über Treuhänder gehaltene - Kommanditbeteiligungen an geschlossenen Fonds, nämlich zum einen an der D.      Renditefonds GmbH & Co. E.      R.     KG (im Folgenden: D.     -Fonds) mit einer durch Bankdarlehen finanzierten Einlage von 30.000 € zuzüglich 5 % Agio und zum anderen an der SHB Innovative Fondskonzepte AG & Co. B.      S.      KG (im Folgenden: S.     -Fonds) mit einer - in monatlichen Ratenzahlungen zu je 82,50 € aufzubringenden - Beteiligungssumme von 15.000 € zuzüglich 5 % Abwicklungsgebühr. Der Inhalt des Gesprächs vom und die Frage, ob der Klägerin hierbei die jeweiligen Emissionsprospekte übergeben wurden, sind zwischen den Parteien streitig.

3Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte zu 2 habe die ihm aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrag erwachsenen Pflichten zur anleger- und objektgerechten Beratung verletzt. Sie habe von dem Zeugen H.       keine an ihren individuellen Verhältnissen und Anlagezielen orientierte Beratung und insbesondere auch keine ordnungsgemäße Aufklärung über die personellen Verflechtungen zwischen den Fondsbetreibern und den Verantwortlichen der finanzierenden Bank, über die Werthaltigkeit, Sicherheit und die realistischen Renditeaussichten der Kapitalanlage erhalten. Darüber hinaus habe der Zeuge H.    es pflichtwidrig unterlassen, sie über die Höhe der Provisionen aufzuklären, die dem Beklagten zu 2 im Falle der erfolgreichen Empfehlung der Kapitalanlage von Seiten der Fondsgesellschaften zufließen.

4Nach - inzwischen rechtskräftiger, insoweit auf das Fehlen der Passivlegitimation gestützter - Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1 durch Teilurteil und Vernehmung der Zeugen N.     K.      und F.       H.      hat das Landgericht in seinem Schlussurteil festgestellt, dass der Beklagte zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1 entstehen, und die weitergehende Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten zu 2 demgegenüber antragsgemäß in vollem Umfange zum Schadensersatz verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte zu 2 die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Schlussurteils.

Gründe

5Die Revision des Beklagten zu 2 hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7Es könne dahinstehen, ob die Klägerin die in erster Instanz behauptete fehlerhafte Aufklärung habe beweisen können, denn ihr stehe ein Schadensersatzanspruch mit Rücksicht darauf zu, dass der Beklagte zu 2 über die von ihm erhaltene Provision in Höhe von 11 % der Beteiligungssumme nicht aufgeklärt habe. Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Aus diesem Verhältnis sei der Beklagte zu 2 verpflichtet gewesen, die Klägerin unaufgefordert über die Höhe der ihm zufließenden Provision für die erfolgreiche Empfehlung der Fondsanlagen aufzuklären. Insoweit gelte nichts anderes als für die entsprechende Aufklärungspflicht einer Bank gegenüber ihrem Kunden. Der Anlageberater sei ebenso wie eine Bank zur Wahrung der Interessen seines eine Kapitalanlage suchenden Auftraggebers verpflichtet und daher gehalten, vertragswidrige Interessenkonflikte in ihrem konkreten Ausmaß aufzudecken. Dies sei jedenfalls dann geboten, wenn die Provision - wie hier - einen Umfang von immerhin 11 % der Beteiligungssumme erreiche. Diese Aufklärungspflicht habe der Beklagte zu 2 schuldhaft verletzt; insbesondere könne er sich nicht mit Erfolg auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Die Pflichtverletzung sei für die Anlageentscheidung der Klägerin kausal geworden. Auch wenn die Klägerin ihrer Mitteilung nach davon ausgegangen sei, dass der Beklagte zu 2 eine Provision erhalten werde, da er ja "von etwas leben" müsse, sei ihr nicht klar gewesen, welchen Umfang die Provision ausmache; dies habe sie auch den Emissionsprospekten nicht entnehmen können. Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt und im geltend gemachten Umfange berechtigt.

II.

8Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

91. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 2 verpflichtet gewesen sei, die Klägerin unaufgefordert über die genaue Höhe der ihm zufließenden Provision für die erfolgreiche Empfehlung der Beteiligungen an dem D.     -Fonds und an dem S.     -Fonds aufzuklären. Dabei bedarf es insoweit keiner abschließenden Beurteilung, ob der Beklagte als Anlageberater, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, oder, wie dies die Revision für richtig hält, nur als Anlagevermittler tätig geworden ist. Denn auch nach Abschluss eines Anlageberatungsvertrags wäre der Beklagte zu 2 nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin ungefragt über die von ihm erwarteten Provisionen aufzuklären.

10a) In seinen - nach Erlass der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen - Urteilen vom (III ZR 196/09, BGHZ 185, 185) und vom (III ZR 170/10, ZIP 2011, 607) hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass wegen der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und einem freien, nicht bankmäßig gebundenen Anlageberater - soweit nicht § 31d des Wertpapierhandelsgesetzes eingreift - jedenfalls dann keine Verpflichtung für den Berater besteht, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wenn der Anleger selbst keine Provision an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden. Der Senat hat in diesen Entscheidungen des Näheren ausgeführt, dass sich die vorerwähnte Gestaltung der Anlageberatung durch einen freien Anlageberater - bei gebotener typisierender Betrachtungsweise - grundlegend von der Anlageberatung durch eine Bank unterscheidet ( aaO Rn. 11 ff und vom aaO Rn. 18 ff). Für den Anleger besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass der freie, von ihm selbst nicht vergütete Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der gerade dem Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des Anlegers - dem das generelle Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -, dieserhalb bei dem Anlageberater nachzufragen ( aaO Rn. 13 und vom aaO Rn. 21). Hiervon unberührt bleibt die generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten, und etwaige irreführende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen zu unterlassen beziehungsweise rechtzeitig richtigzustellen (s. Senatsurteil vom aaO Rn. 16, 22 mwN).

11An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

12b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte zu 2 seine Aufklärungspflicht verletzt habe, weil sein Mitarbeiter keine Mitteilungen zur Provision gemacht habe und die Anlageprospekte keine Angaben über die genaue Höhe der dem jeweiligen, den Anleger zum Abschluss der Beteiligung bewegenden Anlageberater zufließenden Provisionen enthalten.

13Der nicht bankmäßig gebundene Beklagte zu 2 erhielt von der Klägerin selbst kein Entgelt und keine Provision. In den Zeichnungsformularen sind offen ein Agio beziehungsweise eine "Abwicklungsgebühr" für die Fondsbeteiligungen ausgewiesen, und die Klägerin war ihrem eigenen Bekunden nach davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2 von der Vertriebsseite eine Provision erhalten werde, da er ja "von etwas leben" müsse. Bei dieser Lage war der Beklagte zu 2 nach den vorstehend beschriebenen Rechtsprechungsgrundsätzen nicht gehalten, die Klägerin unaufgefordert über die (genaue) Höhe der ihm zufließenden Provisionen in Kenntnis zu setzen. Dabei ist es unerheblich, dass die Provision für den Beklagten zu 2 insgesamt 11 % der Beteiligungssumme betragen und damit das Agio beziehungsweise die "Abwicklungsgebühr" in Höhe von jeweils 5 % des Einlagebetrages überstiegen hat. Anhaltspunkte für irreführende oder unrichtige Angaben zu Vertriebsprovisionen oder für ein Überschreiten der 15%-Grenze hat die Klägerin in den Vorinstanzen nicht vorgetragen.

142. Das Berufungsurteil ist mithin aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO); hiervon ausgenommen bleibt der unangefochtene Feststellungsausspruch des Landgerichts, dass der Beklagte zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten zu erstatten, die ihr durch die Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1 entstehen. Der Senat kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der weiteren, von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzungen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat und die Sache daher nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15a) Das Berufungsgericht hat es ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die Klägerin die von ihr in erster Instanz behauptete fehlerhafte Aufklärung hat beweisen können; insoweit fehlen eigene Feststellungen des Berufungsgerichts. Gleiches gilt für die Frage der anlegergerechten Beratung der Klägerin; hierzu hat das Berufungsgericht lediglich "Bedenken" geäußert, aber keine (abschließende) tatrichterliche Würdigung vorgenommen.

16b) Das Berufungsgericht hat Gelegenheit, sich mit dem weiteren Vorbringen der Parteien im Revisionsrechtszug auseinanderzusetzen. Hierzu weist der Senat auf Folgendes hin:

17aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, hierfür die Darlegungs- und Beweislast; die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im einzelnen beraten beziehungsweise aufgeklärt worden sein soll; dem Anspruchsteller obliegt sodann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (s. , BGHZ 166, 56, 60 Rn. 15 und vom - XI ZR 152/08, NJW 2009, 3429, 3432 Rn. 38, jeweils mwN sowie Beschluss vom - XI ZR 264/08, BKR 2009, 471 Rn. 4; Senat, Urteil vom - III ZR 205/05, NJW-RR 2006, 1345, 1346 Rn. 7 sowie Beschluss vom - III ZR 93/96, NJW-RR 2007, 775, 776 Rn. 5). Diese Grundsätze gelten nach dieser Rechtsprechung auch für behauptete Aufklärungs- und Beratungsmängel im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage.

18Nach diesen Maßgaben wird das Berufungsgericht zu würdigen haben, ob die Parteien ihren jeweiligen Darlegungslasten Genüge getan haben und die Klägerin gegebenenfalls den ihr obliegenden Beweis erbringen kann.

19bb) Soweit das Berufungsgericht zur Annahme einer dem Beklagten zu 2 anzulastenden Pflichtverletzung gelangen sollte, ist ihm darin beizupflichten, dass der Umstand, dass der Anleger den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, für sich allein genommen nicht genügt, um im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von Auskunfts- oder Beratungsfehlern zu begründen; dies hat der erkennende Senat nach Erlass des angefochtenen Berufungsurteils inzwischen mehrfach so entschieden (, BGHZ 186, 152, 162 ff Rn. 29 ff; vom - III ZR 99/09, NZG 2011, 68 Rn. 13 und S. 69 Rn. 17 ff und vom - III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623, 1624 f Rn. 15 ff).

Schlick                                     Dörr                                    Wöstmann

                     Seiters                                    Tombrink

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Fundstelle(n):
EAAAD-85120