Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Kaiserslautern vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen besonders schwerer Vergewaltigung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Hinblick auf eine der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung hat es drei Monate für vollstreckt erklärt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und hinsichtlich des Falles II. 4 der Urteilsgründe das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung behauptet.
Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im Umfang der Verurteilung; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
1. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es im Fall II. 4 der Urteilsgründe nicht an der Verfahrensvoraussetzung der Erhebung einer ordnungsgemäßen Anklage; insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift Bezug.
2. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht stützt die Verurteilung des Angeklagten, der die ihm zur Last gelegten Taten zum Nachteil der Zeugin M. bestreitet, auf die Bekundungen dieser Zeugin. Diese unterhielt im Zeitraum von Juni/Juli 2006 bis März 2007 eine sexuelle Beziehung mit dem Angeklagten. Obwohl die Zeugin Dritten - wie ihrem damaligen Arbeitgeber (UA 31) und ihrer Ärztin (UA 26) - von Misshandlungen durch den Angeklagten berichtete, hielt sie an der Beziehung fest und brachte dies mehrfach in an den Angeklagten gerichteten SMS-Nachrichten zum Ausdruck. Erst nachdem es am zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen war, an der mehrere Personen beteiligt waren (UA 8), erstattete sie Anzeige wegen mehrerer körperlicher und sexueller Übergriffe des Angeklagten. Wegen vier der angeklagten acht Taten wurde der bestreitende Angeklagte verurteilt; im Übrigen wurde er freigesprochen.
a) In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht, muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass die Aussage des einzigen Belastungszeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist, zumal der Angeklagte in solchen Fällen wenig Verteidigungsmöglichkeiten durch eigene Äußerungen besitzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dies gilt besonders, wenn der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung seine Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr aufrechterhält oder der anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird (vgl. nur , BGHSt 44, 153, 158/159; Beschluss vom - 5 StR 136/02; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 11a; jeweils m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht.
aa) Die Zeugin M. ist in der Hauptverhandlung in mehreren wesentlichen Punkten von ihrer polizeilichen Aussage abgewichen. So hat sie sich im Fall II. 1 der Urteilsgründe - anders als bei ihrer polizeilichen Vernehmung vom - nicht mehr daran erinnern können, von dem Angeklagten nach den ihr zugefügten Misshandlungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden zu sein. Auch im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat die Zeugin in der Hauptverhandlung zunächst nicht angeben können, ob sie vom Angeklagten, nachdem ihr dieser eine tiefe Schnittverletzung am Oberschenkel zugefügt hatte, zum Oralverkehr gezwungen wurde (UA 12). Erst auf Nachfrage hat sie diesen wesentlichen Geschehensteil wie in ihrer polizeilichen Vernehmung bestätigt.
Die mangelnde Konstanz hat das Landgericht zwar erkannt; es hat diese aber nicht nur mit natürlichen Vergessens- und Verdrängungsprozessen zu erklären versucht, sondern auch damit, dass für die Geschädigte die erlittenen Gewalttätigkeiten das weitaus größere Übel waren als der erzwungene Geschlechtsverkehr (UA 20-22). Letzteres steht im Widerspruch dazu, dass die Zeugin zu Fall 8 der Anklageschrift ebenfalls nicht konstant ausgesagt hat: In ihrer polizeilichen Vernehmung hatte sie eine massive Bedrohungssituation in einem Wald geschildert (UA 20), in der Hauptverhandlung konnte sie sich an eine Bedrohung mit einem Messer nicht mehr erinnern, sodass der Angeklagte von diesem Vorwurf freigesprochen wurde.
Darüber hinaus bestehen - worauf auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die vom Landgericht bei der Konstanzanalyse vorgenommene Trennung zwischen körperlichen Misshandlungen und sexuellen Übergriffen, wenn - wie hier in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe - dem Angeklagten Taten zur Last gelegt werden, die von Misshandlungen und sexueller Gewalt gleichermaßen geprägt sind.
bb) Die Beweiswürdigung zu Fall II. 4 der Urteilsgründe erweist sich als widersprüchlich und lückenhaft.
Das Landgericht hat es als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte der Zeugin M. im September 2006 durch einen Faustschlag ein Hämatom am rechten Augapfel beigebracht hat. Es stützt sich auf die Aussage der Zeugin, wonach sie auf Grund von Schlägen des Angeklagten dreimal ein "blaues Auge" gehabt habe (UA 12). Diese Aussage sieht es bestätigt durch die Zeugenaussage der behandelnden Ärztin, diese habe bekundet, "dass die Geschädigte von sich aus, spontan und unter Tränen offenbart hat, dass das blaue Auge von ihrem Freund stammt" (UA 27). Auf UA 26 ist die Aussage der sachverständigen Zeugin zu dem von dieser am festgestellten Monokel-Hämatom anders wiedergegeben. Dort heißt es, dass die Geschädigte, auch auf Nachfrage, zu der Verletzung nichts gesagt habe. Diesen Widerspruch löst das Landgericht nicht auf.
Die Beweiswürdigung ist zudem auch lückenhaft. Das Landgericht hält die Bekundungen zweier Zeugen für glaubhaft, die angegeben haben, die Zeugin M. habe ihnen gegenüber in Gegenwart des Angeklagten ihren Bruder als Verursacher des "blauen Auges" benannt; es meint jedoch, dass die Zeugin zu jenem Zeitpunkt unter großem Druck gestanden und deshalb einen falschen Verursacher benannt habe (UA 28). Im Urteil wird nicht mitgeteilt, was die Zeugin selbst dazu bekundet hat.
cc) Lückenhaft sind schließlich auch die Feststellungen zur Aussageentstehung. Das Landgericht teilt nur mit, dass die Anzeige nach einer tätlichen Auseinandersetzung erfolgte, an der die Zeugin M., ihr Bruder und der Zeuge W. auf der einen sowie der Angeklagte und sein Vater auf der anderen Seite beteiligt waren. Nähere Umstände zum Kampfgeschehen und zu etwaigen Verletzten enthält das Urteil nicht, allerdings ist ihm zu entnehmen, dass sich der Angeklagte dabei nicht ausschließbar in einer Notwehrsituation befunden hat (UA 38/39). Für eine mögliche Falschbelastungsmotivation ist eine eingehende Auseinandersetzung mit den Umständen und Folgen der Schlägerei erforderlich.
3. Die Sache bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung, da nicht auszuschließen ist, dass sich ergänzende Feststellungen treffen lassen, die eine Verurteilung des Angeklagten tragen.
a) Der neu entscheidende Tatrichter wird sich bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin M. auch mit den Anklagevorwürfen zu befassen haben, von denen der Angeklagte freigesprochen worden ist. Zwar sind die in dem angefochtenen Urteil dazu getroffenen Feststellungen bindend, es besteht aber keine Bindung an die vom Landgericht vorgenommene Bewertung der Bekundungen der Zeugin.
b) Sollte sich im Fall II. 3 der Urteilsgründe eine Körperverletzungshandlung feststellen lassen, wird das Gericht genauere Feststellungen zu dem dabei benutzten Gegenstand zu treffen haben. Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt nur dann vor, wenn der Gegenstand nach seiner Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 224 Rn. 9 m.w.N.).
c) Mit Blick auf die Ausführungen UA 43 bemerkt der Senat, dass ein Härteausgleich nicht veranlasst ist, wenn eine Geldstrafe wegen vollständiger Bezahlung nicht mehr in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden kann (vgl. , BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 13).
Fundstelle(n):
IAAAD-85081