BFH Urteil v. - III R 58/09

Nachweis des ernsthaften Bemühens um einen Ausbildungsplatz durch Kindergeldberechtigten; Bescheinigung der Agentur für Arbeit als Nachweis für das ernsthafte Bemühen

Leitsatz

Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit eines volljährigen Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen.
Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B .durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Eine solche Registrierung gilt allerdings nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis, sondern ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt. Um seinen kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten nachzukommen, muss sich das Kind nach Ablauf dieser Frist erneut als Ausbildungsuchender melden.

Gesetze: EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c, EStG § 62 Abs. 1, EStG § 63 Abs. 1 Satz 2, SGB III § 38 Abs. 3, SGB III § 58 Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt Kindergeld für ihre im November 1983 geborene Tochter (T), die am eine Ausbildung als Fachfrau für Systemgastronomie begonnen hatte. Da die Ausbildung bis Januar 2006 andauern sollte, beschränkte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die Auszahlung des Kindergeldes intern bis Dezember 2005. Im März 2006 stellte die Klägerin einen Antrag auf weitere Bewilligung von Kindergeld. Sie legte zwar eine Bescheinigung vor, wonach das Ausbildungsverhältnis der T bereits zum geendet habe, machte jedoch geltend, T wolle eine Ausbildung aufnehmen und sei seit dem Kalenderjahr 2004 bei der Agentur für Arbeit A als Bewerberin um eine Ausbildungsstelle gemeldet. Die Familienkasse hob mit Bescheid vom die Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 2004 auf und forderte das bis Dezember 2005 gezahlte Kindergeld zurück. Sie stützte sich dabei auf die Auskünfte der Berufsberatung, wonach T vom bis zum als Bewerberin um eine Ausbildungsstelle gemeldet gewesen sei und sich nachfolgend am , und zu Beratungsgesprächen angemeldet habe, zu denen sie aber jeweils nicht erschienen sei. Der Einspruch der Klägerin, mit dem diese u.a. eine „Bescheinigung von Zeiten der Ausbildungssuche (gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch —SGB VI—)” der Agentur für Arbeit A vom vorlegte, wonach T in der Zeit vom bis zum als Ausbildungsuchende gemeldet gewesen sei, hatte nur wegen Kindergeld für Mai und Juni 2005 Erfolg.

2 Das Finanzgericht (FG) gab der —zuletzt wegen Kindergeld für Juni bis September 2004 sowie Juli und August 2005 erhobenen— Klage mit Urteil vom 10 K 809/07 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 144) statt. Nach seiner Überzeugung habe T ernsthaft nach einem Ausbildungsplatz gesucht. Dies ergebe sich für den Zeitraum von Juni bis September 2004 schon aus der Bestätigung der Agentur für Arbeit vom . Wenn auch die Bescheinigung zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger erstellt worden sei, hindere dies nicht ihre Verwendung für Zwecke des Kindergeldes. Der in § 418 Abs. 1 der Zivilprozessordnung enthaltene Rechtsgedanke, dass öffentliche Urkunden regelmäßig den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründeten, sei auch im Finanzgerichtsprozess zu beachten. Danach könne die in einer öffentlichen Urkunde bezeugte Tatsache nur dann als nicht bewiesen beurteilt werden, wenn sich die Urkunde nach der Überzeugung des Gerichts als fehlerhaft herausstelle. Dies sei hier nicht der Fall. Nach Angaben der Familienkasse liege eine vollständige Übersicht über sämtliche Eingaben und Vorsprachen der T bei der Agentur für Arbeit nicht mehr vor, die handschriftlich niedergelegten Vorgänge könnten nicht auf ihre Vollständigkeit hin überprüft werden. Auch hinsichtlich des Zeitraums Juli und August 2005 habe die Klägerin dem FG die Überzeugung vermittelt, dass T ernsthaft versucht habe, mit Hilfe der Berufsberatung einen Ausbildungsplatz zu finden.

3 Mit der Revision rügt die Familienkasse, das FG habe § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend ausgelegt. Aufgrund der bis April 2006 erfolgten Pauschalierung in den Meldedaten sei die für den Rentenversicherungsträger bestimmte Bescheinigung nicht geeignet, den Berücksichtigungstatbestand nachzuweisen.

4 Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

6 Durch die Bescheinigung vom sei die fortdauernde Anmeldung der T bei der Agentur für Arbeit nachgewiesen. Die Familienkasse habe nicht vorgetragen, inwiefern diese öffentliche Urkunde fehlerhaft sei.

7 II. Die Revision wegen Kindergeld für Juli und August 2005 ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Familienkasse hat insoweit ihren Revisionsantrag entgegen § 120 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 FGO nicht begründet. Da die Revision im Übrigen zulässig ist, ist über das Rechtsmittel einheitlich durch Urteil zu entscheiden (, BFHE 210, 507, BStBl II 2005, 892).

8 Die Revision im Übrigen wegen Kindergeld für Juni bis September 2004 ist begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, da dessen bisherigen Feststellungen keine abschließende Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Klägerin für die betreffenden Zeiträume ein Kindergeldanspruch für T zusteht (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

9 1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG in der für das Streitjahr 2004 geltenden Fassung besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom III R 66/05 (BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005) dargelegt, wie diese Voraussetzungen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen sind.

10 a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).

11 b) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).

12 Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).

13 c) Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Eine solche Registrierung gilt allerdings nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis, sondern ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005). Um seinen kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten nachzukommen, muss sich das Kind nach Ablauf dieser Frist erneut als Ausbildungsuchender melden (vgl. , BFH/NV 2009, 367; III R 106/07, BFH/NV 2009, 368).

14 2. Nach diesen Maßstäben tragen die Feststellungen des FG dessen Entscheidung, die Klägerin könne für den Zeitraum Juni bis September 2004 für T Kindergeld beanspruchen, nicht.

15 a) Im Streitfall kann offen bleiben, ob eine für den Rentenversicherungsträger bestimmte Bescheinigung von Zeiten der Ausbildungssuche gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI für den Nachweis des Berücksichtigungstatbestandes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG generell nicht geeignet ist (so „Newsletter Familienausgleich” des Bundesamtes für Finanzen vom ). Mit vorliegender Bescheinigung wird lediglich belegt, dass T in der Zeit vom bis bei der Agentur für Arbeit als Ausbildungsuchende gemeldet war. Damit ist jedoch noch kein ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz nachgewiesen.

16 b) Die Bescheinigung ist allenfalls Nachweis dafür, dass T sich zu Beginn des bescheinigten Zeitraums bei der Agentur für Arbeit als Ausbildungsuchende gemeldet hat, nicht jedoch dafür, dass sich T alle drei Monate erneut als Ausbildungsuchende gemeldet hat. Denn nach § 38 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch —in der vor dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom (BGBl I 2008, 2917) geltenden Fassung, jetzt § 38 Abs. 4— (SGB III a.F.) ist die Ausbildungsvermittlung durchzuführen, bis der Ausbildungsuchende in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit einmündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt hat oder solange der Ausbildungsuchende dies verlangt. Zwar konnte nach § 38 Abs. 2 SGB III a.F. die Ausbildungsvermittlung auch eingestellt werden, solange der Ausbildungsuchende nicht ausreichend mitwirkte. Anders als § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. für Arbeitsuchende sah jedoch § 38 Abs. 3 SGB III a.F. eine Einstellung der Ausbildungsvermittlung nach Ablauf von drei Monaten nicht vor.

17 c) Nach Aktenlage wurde T vom bis zum als Bewerberin um eine Ausbildungsstelle geführt; sie hatte sich zu einem Beratungsgespräch am angemeldet, zu dem sie jedoch nicht erschienen ist. Demgegenüber hatte die Klägerin über ihr Vorbringen im Klageverfahren hinaus mit dem Einspruch vorgebracht, T sei mehrmals bei der Agentur für Arbeit vorstellig gewesen; außerdem verwies sie auf Bewerbungsschreiben, die allerdings nicht den streitigen Zeitraum betreffen.

18 3. Das FG hat —aus seiner Sicht zu Recht— keine Feststellungen dazu getroffen, ob T sich im streitigen Zeitraum ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Dies ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen, ggf. wird T anzuhören sein.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1127 Nr. 7
EStB 2011 S. 217 Nr. 6
StBW 2011 S. 489 Nr. 11
EAAAD-82716