Selbstständiges Beweisverfahren: Unterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei eines selbstständigen Beweisverfahrens ist die Entscheidung über einen Antrag nach § 494a ZPO nicht möglich, weil das Verfahren unterbrochen ist (Abgrenzung zu , BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268) .
Gesetze: § 240 ZPO, § 494a ZPO
Instanzenzug: Az: I-12 W 28/09 Beschlussvorgehend LG Siegen Az: 5 OH 9/07 Beschluss
Gründe
I.
1Nach Abschluss einer von der Antragstellerin beantragten Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren hat das eine Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO zu Lasten der Antragstellerin getroffen. Zuvor war bereits am über das Vermögen der Antragsgegnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die gegen den Beschluss des Landgerichts gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin, den Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben und unter Abänderung des die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom beantragte Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II.
2Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
31. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es sei in der Rechtsprechung umstritten, ob in den Fällen, in denen bei zu prognostizierendem Erfolg trotz entsprechender Fristsetzung eine Hauptsacheklage wegen Vermögenslosigkeit des Antragsgegners nicht erhoben werde, eine Kostenentscheidung nach § 494a ZPO zugunsten des Antragsgegners zu erlassen sei. Der Auffassung, dass es nicht dem Sinn und Zweck des § 494a ZPO entspreche, den Antragsteller in einen wirtschaftlich sinnlosen Prozess zu zwingen, folge das Gericht nicht. Der Antragsteller habe das Risiko eines Vermögensverfalls des Antragsgegners in gleicher Weise zu tragen wie derjenige, der sofort eine Klage gegen den Antragsgegner erhoben hätte.
42. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
5Auf die vom Beschwerdegericht angestellten Erwägungen kommt es nicht an. Der Beschluss des Landgerichts ist schon deshalb von Amts wegen aufzuheben, weil er ergangen ist, obwohl das selbständige Beweisverfahren gemäß § 240 ZPO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin am unterbrochen worden war.
6a) Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass ein selbständiges Beweisverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 240 ZPO nicht unterbrochen wird (, BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268). Diese Entscheidung betraf jedoch ein selbständiges Beweisverfahren, dessen Beweisaufnahme noch nicht beendet war. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass das Ziel des Verfahrens, nämlich eine schnelle Beweissicherung oder eine rasche und kostensparende Einigung der Parteien nur erreicht werden könne, wenn das selbständige Beweisverfahren möglichst zügig und ohne die mit einer Unterbrechung nach § 240 ZPO verbundene zeitliche Verzögerung durchgeführt werde ( aaO Rn. 10 f.). Außerdem sei die Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens in dieser Situation auch nicht deshalb geboten, weil den Beteiligten eine Überlegungsfrist hinsichtlich ihres weiteren Vorgehens eingeräumt werden müsse ( aaO Rn. 12).
7b) Diese Erwägungen treffen jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn in einem selbständigen Beweisverfahren die Beweisaufnahme beendet und das Verfahren damit sachlich abgeschlossen ist (vgl. OLG Dresden, NZI 2002, 688). Ab diesem Zeitpunkt besteht kein besonderes Beschleunigungsbedürfnis mehr. Andererseits setzt ein anschließend folgendes Verfahren nach § 494a ZPO in der Regel vergleichsweise kurz bemessene Fristen in Gang, innerhalb derer weitreichende Entscheidungen jedenfalls des Antragstellers über sein weiteres Vorgehen notwendig werden. Soweit über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist deshalb zu diesem Zeitpunkt auch ein Bedürfnis nach einer Überlegungsfrist für den Insolvenzverwalter in vergleichbarer Weise vorhanden wie während eines laufenden Rechtsstreits. Ähnliches kann auch für den Antragsgegner gelten, wenn die Entscheidungen nach § 494a ZPO in einem Rechtsmittelverfahren überprüft werden oder werden sollen. In dieser Situation kann daher ein Ausschluss der Anwendung des § 240 ZPO nicht mehr mit dem Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens begründet werden. Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom (VII ZB 23/03 Rn. 7, BauR 2005, 133 = NZBau 2005, 42 = ZfBR 2005, 174) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.
8c) Damit sind die Entscheidungen des Landgerichts und des Beschwerdegerichts in einem Verfahren gegen die Insolvenzschuldnerin ergangen, obwohl das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen war. Solche Entscheidungen sind nicht nichtig, sondern mit den allgemein zulässigen Rechtsmitteln anfechtbar. Sie unterliegen allein wegen dieses Fehlers von Amts wegen der Aufhebung und Zurückverweisung an das Gericht, bei dem die Sache zum Zeitpunkt der Unterbrechung anhängig war. Dieser Fehler kann vom Insolvenzverwalter, aber auch von jeder Partei geltend gemacht werden. Das Rechtsmittelgericht kann eine entsprechende Entscheidung trotz der Unterbrechung erlassen, um der Unterbrechung Geltung zu verschaffen. Eine andere Entscheidung ist in diesem Stadium des Verfahrens dagegen nicht möglich (st. Rspr., vgl. , NJW 1997, 1445 m.w.N.).
9d) Damit scheidet eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht von vornherein aus. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob - wofür vieles spricht - der angefochtene Beschluss im Übrigen schon mangels ausreichender Gründe hätte aufgehoben werden müssen. Denn Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom - II ZB 20/09, NJW-RR 2010, 1582; vom - II ZB 27/07, NJW-RR 2008, 1455; vom - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648).
103. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch nach einer Aufnahme des Verfahrens ein neuer Antrag, der Antragstellerin die dem Gegner entstandenen Kosten aufzuerlegen, keinen Erfolg haben könnte. Denn wenn - wie nach dem Akteninhalt anzunehmen ist - der Antragstellerin eine Frist zur Klageerhebung bis zum gesetzt worden ist, war ihr die Befolgung dieser Anordnung seit dem nicht mehr möglich. Eine Klage der Antragstellerin gegen die Schuldnerin wäre ebenso wie eine Klage gegen den Insolvenzverwalter unzulässig gewesen. Das Nichtbefolgen der getroffenen Anordnung kann deshalb nicht mit einer negativen Kostenfolge sanktioniert werden. Die von der Antragstellerin geltend zu machenden Ansprüche können nur noch durch Anmeldung zur Insolvenztabelle verfolgt werden (§§ 87, 174 InsO). Eine Fristsetzung hierzu mit negativer Kostenfolge im Falle der Nichtbefolgung sieht das Gesetz nicht vor.
III.
11Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 91 ZPO. Das Verfahren war bereits zu einem Zeitpunkt unterbrochen, als ein Kostenantrag der Antragsgegnerin noch nicht vorlag. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Antragsgegnerin die Verfahrensführungsbefugnis verloren, ihr späterer Antrag war damit unwirksam. Die Zurückverweisung führt daher dazu, dass er endgültig keinen Erfolg mehr haben kann. Der Grundsatz, dass im selbständigen Beweisverfahren keine Kostenentscheidung ergeht, hindert nicht an der Auferlegung der Kosten von Rechtsmittelverfahren.
Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 1679 Nr. 23
ZIP 2011 S. 1024 Nr. 21
EAAAD-82058