Schwere Brandstiftung bei einem einheitlichen, teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten Gebäude
Gesetze: § 306a Abs 1 Nr 1 StGB
Instanzenzug: Az: 190 Js 101/09 - 37 Ks 26/09 Urteilnachgehend Az: 2 ARs 97/11 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.
I.
2Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte in angemieteten Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Tatanwesens, in welchem sich im Erdgeschoß verschiedene Geschäftslokale und im Obergeschoß fünf genutzte Wohnungen befanden, ein Sonnenstudio. Da die Einkünfte des Angeklagten nicht ausreichten, um seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, fasste er den Entschluss, das Inventar des Sonnenstudios durch Dritte in Brand setzen zu lassen, um gegenüber der Inventarversicherung vermeintliche Versicherungsansprüche betrügerisch geltend zu machen. Mit der Brandlegung beauftragte der Angeklagte ihm bekannte Personen, die nicht ermittelt werden konnten. Der Angeklagte hielt es für möglich und nahm billigend in Kauf, dass sich das Feuer auch auf das bewohnte Obergeschoß ausweiten konnte. Nicht ausschließbar vertraute er aber darauf, dass Menschen dadurch weder verletzt noch getötet werden.
3Am zwischen 2.30 und 4.20 Uhr gelangten die vom Angeklagten beauftragten Täter mit einem vom Angeklagten überlassenen Schlüssel in das Sonnenstudio. Sie entzündeten im Eingangsbereich in der Nähe der dortigen Empfangstheke befindliche Gegenstände, wofür sie etwas Benzin aus einem mitgebrachten 5-Liter-Kanister verwendeten, den sie mit geöffnetem Verschluss im Sonnenstudio zurückließen. Das Feuer, das Gebäudeteile nicht erfasste, führte dazu, dass die Einrichtungen des Sonnenstudios, vor allem die Trennwände im Bereich der Empfangstheke und in ihrer Nähe in größerem Umfang verrußt bzw. verkohlt und - ebenso wie die Akustikdecke - durch die Hitzeeinwirkung zerstört wurden. Beim Eintreffen der um 6.55 Uhr alarmierten Feuerwehr war das Feuer bis auf noch vorhandene Glutnester erloschen. In Folge des Brandes, durch den niemand verletzt wurde, war das vom Angeklagten angemietete Geschäftslokal bis zu dessen Instandsetzung nicht mehr nutzbar. Hätte sich aus der Brandlegung ein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwartender Vollbrand des Sonnenstudios entwickelt, wäre mit einem Übergreifen des Feuers auf das Obergeschoß und einer Gefährdung der Bewohner zu rechnen gewesen.
II.
41. Der Senat beabsichtigt, den Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahin zu ändern, dass sich der Angeklagte der Anstiftung zur versuchten besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung gemäß § 26 StGB i.V.m. § 306b Abs. 2 Nr. 2, § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 22, § 306 Abs. 1 Nr. 1, § 52 StGB schuldig gemacht hat. Die von den unbekannten Tätern begangene schwere Brandstiftung ist nicht über das Versuchsstadium hinaus verwirklicht worden.
5Da das Landgericht ein Übergreifen des Feuers auf Gebäudeteile in der Weise, dass deren Fortbrennen aus eigener Kraft möglich war (vgl. , BGHSt 34, 115, 117), nicht hat feststellen können, fehlt es an einem vollendeten Inbrandsetzen. Nach Ansicht des Senats liegen entgegen der Annahme der Strafkammer auch die Voraussetzungen der Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines der Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor.
6Schutzobjekt des durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom (BGBl I 164) neu gefassten § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jede Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient. Geschützt ist die Wohnstätte des Menschen als der örtliche Mittelpunkt menschlichen Lebens (vgl. , BGHSt 26, 121, 123). Aus dem auf das Wohnen bezogenen Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB folgt, dass die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines Wohngebäudes bei einer Brandlegung in einem einheitlichen, teils gewerblich, teils als Wohnung genutzten Gebäude erst dann verwirklicht ist, wenn (zumindest) ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes, d.h. eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene Untereinheit, durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist (vgl. , BGHSt 48, 14, 18, 20; Beschluss vom - 3 StR 339/06, NStZ-RR 2007, 78; Beschluss vom - 5 StR 401/06, NStZ 2007, 270, 271; Beschluss vom - 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519; Beschluss vom - 3 StR 276/09, NStZ 2010, 151, 152; Beschluss vom - 3 StR 442/09, NStZ 2010, 452; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 306a Rn. 8a; anders noch , NStZ 2000, 197). Dass das Feuer auf zu Wohnzwecken genutzte Teile des Gebäudes hätte übergreifen können, ändert nichts am fehlenden Eintritt des in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandlich vorausgesetzten Erfolgs und vermag daher die Annahme einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 StGB nicht zu begründen (vgl. aaO). Da die Inbrandsetzung des Inventars des Sonnenstudios lediglich zu einer Zerstörung des dem Betrieb des Sonnenstudios dienenden Geschäftslokals führte, ist die von den unbekannt gebliebenen Tätern verübte schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Versuchsstadium stecken geblieben.
72. Der beabsichtigten Entscheidung steht der Beschluss des 2. Strafsenats vom - 2 StR 266/07 entgegen. In dieser Entscheidung hat der 2. Strafsenat bei einer Brandlegung in einem teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten Gebäude, die zur zeitweisen Unbrauchbarkeit eines Ladengeschäfts als abgrenzbarer Teil des Gebäudes führte, ohne nähere Begründung die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines Wohngebäudes als vollendet angesehen. Die Ausführungen in dem Urteil des 2. Strafsenats vom - 2 StR 399/10 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) sprechen zwar dafür, dass nunmehr auch der 2. Strafsenat davon ausgeht, dass für die Vollendung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens erforderlich ist, dass Wohnräume von der Zerstörungswirkung der Brandlegung betroffen sind. Eine eindeutige Aufgabe des Beschlusses vom - 2 StR 266/07 ist ihnen indes nicht zu entnehmen.
83. Der Senat fragt daher gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei dem 2. Strafsenat an, ob an der dem Beschluss vom zu Grunde liegenden Rechtsauffassung festgehalten wird.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender
Fundstelle(n):
MAAAD-80094