Abgrenzung von Vorbereitung und versuchtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei Errichtung einer Indoor-Plantage zum Cannabisanbau
Leitsatz
Zur Abgrenzung von strafloser Vorbereitung und (versuchtem) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei Errichtung einer Indoor-Plantage zum Anbau von Cannabis, das nach der Ernte gewinnbringend veräußert werden soll .
Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 27 StGB
Instanzenzug: LG Verden Az: 1 KLs 103 Js 15361/10 (16/10) Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zum unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in zwei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Hiermit hat er Erfolg.
21. Nach den Feststellungen mietete der Angeklagte am und am unter falschen Namen jeweils ein Einfamilienhaus für andere Personen an, um diesen dort den Aufbau von "Indoor-Cannabis-Plantagen" zu ermöglichen. Die für die Aufzucht benötigten Utensilien sollte ein Holländer liefern, der bereits an der Anlage ähnlicher Plantagen mitgewirkt hatte und das Cannabis letztlich in den Niederlanden verkaufen wollte. Während es in dem zuerst angemieteten Objekt nicht zum Aufbau einer Plantage kam, wurden in dem anderen Haus Cannabispflanzen angebaut. Am Tag der Durchsuchung wiesen diese einen Gesamtwirkstoffgehalt von 925,6 Gramm THC auf.
32. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht: Im ersten Fall lag noch kein (versuchtes oder vollendetes) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor, zu dem der Angeklagte Beihilfe geleistet haben könnte. Im Übrigen lassen sich die Voraussetzungen einer Bande den Feststellungen nicht entnehmen.
4a) Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (, BGHSt 50, 252, 256). Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, "die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen" (BGH aaO, 265 f.). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Zwar kann die Aufzucht von Cannabispflanzen durchaus den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (vgl. , BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 5; Beschluss vom - 1 StR 476/04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4; Urteil vom - 2 StR 192/05, NStZ 2006, 578). Jedoch hatte nach den Feststellungen in dem zuerst angemieteten Haus der Anbau nicht begonnen. Auch ein versuchter Anbau, zu dem es regelmäßig erst mit dem Heranschaffen des Saatgutes an die vorbereitete Fläche kommt (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 60; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 82; Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 7; Joachimski/Haumer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Rn. 10), liegt nicht vor.
5Unter dem strafrechtlichen Aspekt des Anbaus von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG liegt daher in der Anmietung des Hauses lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann aus der weiten Auslegung, den der Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in der Rechtsprechung erfahren hat, nicht geschlossen werden, dass das Anmieten des Hauses dennoch für die Haupttäter allein deswegen bereits vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darstellt, weil geplant war, in dem Haus Cannabis anzubauen, das gewinnbringend weiterveräußert werden sollte. Allein dieser Plan ändert nichts daran, dass es sich bei der Anmietung des Hauses bei wertender Betrachtung lediglich um eine typische Vorbereitungshandlung weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes handelt (vgl. Weber aaO Rn. 455 und 558).
6Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn der geplante Anbau im Hinblick auf ein bereits konkretisierbares Umsatzgeschäft hätte vorgenommen werden sollen (vgl. Weber aaO Rn. 558), und welche Anforderungen in diesem Fall an die Konkretisierbarkeit des Umsatzgeschäftes zu stellen wären, bedarf hier keiner näheren Betrachtung; denn dass die Ernten aus der für das angemietete Haus vorgesehenen Plantage für bereits konkretisierbare Verkäufe vorgesehen waren, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
7Ebenso wenig muss sich der Senat mit der Frage befassen, ob die Beschaffung von Setzlingen oder Samen (s. dazu Weber aaO § 1 Rn. 248 ff., § 29 Rn. 61 f. und 558), die für die geplante Plantage bestimmt waren, bereits als vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzusehen wäre, zu dem der Angeklagte durch die vorherige Anmietung des Hauses Beihilfe geleistet haben könnte; denn auch derartige Beschaffungsvorgänge sind nicht festgestellt.
8b) Die Urteilsgründe belegen ferner nicht, dass der Betäubungsmittelhandel bandenmäßig begangen wurde. Sie ergeben nicht, dass eine (zumindest konkludente) Bandenabrede getroffen worden war. Selbst wenn sich dafür nicht alle Bandenmitglieder untereinander kennen müssen (, BGHSt 50, 160, 167 f.), ist doch erforderlich, dass jeder Beteiligte den Willen hat, sich zur künftigen Begehung von Straftaten mit (mindestens) zwei anderen zu verbinden. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Die dortige Wertung, die Betreiber der Plantagen hätten "jeweils aufgrund einer stillschweigenden Übereinkunft als Bestandteil eines 'strahlenförmig' auf den Holländer als Zentralgestalt zulaufenden Organisationsschemas" gehandelt, reicht zur Annahme einer Bande nicht aus; denn es bleibt offen, ob die verschiedenen Betreiber lediglich für sich (durchaus ähnliche) Geschäftsbeziehungen zu "dem Holländer" aufnehmen oder sich in diesem Rahmen auch untereinander zusammenschließen wollten. Nähere Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung, etwa hinsichtlich ihres Inhalts oder der beteiligten Personen, fehlen.
93. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass sich weitere Feststellungen zu einem etwaigen Anbau auch in dem zuerst angemieteten Haus und zu einem bandenmäßigen Zusammenschluss treffen lassen.
10Sollte wiederum eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht kommen und das Vorliegen minder schwerer Fälle im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG zu prüfen sein, wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass das Höchstmaß der (gemilderten) Strafe erst durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom (BGBl. I S. 1990, 2010, 2020) mit Wirkung ab dem auf zehn Jahre angehoben wurde. Der Angeklagte mietete das eine Haus bereits vor dieser Gesetzesänderung an, das andere erst danach.
11Im Übrigen wird zu beachten sein, dass die jeweilige Tatzeit (s. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 8 Rn. 5 mwN) vor dem lag, mithin vor Inkrafttreten von § 31 BtMG nF, § 46b StGB. Bei der Strafrahmenwahl wird daher gegebenenfalls zu prüfen sein, ob die Strafrahmenverschiebung nach § 31 BtMG aF, § 49 Abs. 2 StGB für den Angeklagten günstiger wäre als die Anwendung des § 31 BtMG nF i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (§ 2 Abs. 3 StGB; s. , NStZ 2010, 523).
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Mayer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 1461 Nr. 20
RAAAD-79898