Wohnungseigentum: Recht des Wohnungseigentümers auf Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen in den Geschäftsräumen des Verwalters; Auskunftsanspruch des einzelnen Eigentümers zur Jahresabrechnung und zum Wirtschaftsplan
Leitsatz
1. Das Recht des Wohnungseigentümers auf Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen ist grundsätzlich in den Geschäftsräumen des Verwalters auszuüben; dort kann er sich auf seine Kosten Ablichtungen der Unterlagen anfertigen oder anfertigen lassen .
2. Der gegen den Verwalter gerichtete Anspruch auf Auskunft zu der Jahresabrechnung und zu dem Wirtschaftsplan steht allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich als unteilbare Leistung zu; erst wenn sie davon trotz Verlangens eines einzelnen Eigentümers keinen Gebrauch machen, kann dieser allein die Auskunft verlangen. Außerdem besteht ein Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers dann, wenn sich das Auskunftsverlangen auf Angelegenheiten bezieht, die ausschließlich ihn betreffen .
Gesetze: § 28 Abs 3 WoEigG, § 28 Abs 5 WoEigG, § 269 Abs 1 BGB, § 269 Abs 2 BGB, § 666 BGB, § 675 BGB
Instanzenzug: Az: 29 S 140/09 Urteilvorgehend AG Brühl Az: 23 C 604/08
Tatbestand
1Der Kläger bewohnt als Eigentümer eine Wohnung in einer von der Beklagten verwalteten Wohnungseigentumsanlage. Zwischen Dezember 2005 und Januar 2009 wandte er sich mit 98 Schreiben an die Beklagte (Verwalterin) und bat um schriftliche Auskunft zu Fragen der Verwaltung. Die Beklagte beantwortete die Fragen. Sie übersandte dem Kläger auch - teils gegen Kostenerstattung - von ihm angeforderte Ablichtungen einzelner Unterlagen. An Eigentümerversammlungen hat der Kläger, seitdem die Beklagte Verwalterin ist, nicht teilgenommen.
2Nunmehr verlangt der Kläger die Übersendung von Ablichtungen näher bezeichneter Verwaltungsunterlagen, hilfsweise gegen Kostenerstattung, sowie Auskunft zur Jahresabrechnung 2007, zum Wirtschaftsplan 2009 und zu weiteren Verwaltungsangelegenheiten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger die im Berufungsrechtszug gestellten Klageanträge weiter.
Gründe
I.
3Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Fertigung und Übersendung von Ablichtungen - auch gegen Kostenerstattung - von Unterlagen betreffend die Jahresabrechnung 2007. Zwar habe jeder Wohnungseigentümer einen individuellen Anspruch auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen und - gegen Kostenerstattung - auf Anfertigung von Ablichtungen bei der Einsichtnahme. Diese müsse aber grundsätzlich am Sitz der Verwalterin erfolgen. Auf eine Ausnahme von diesem Grundsatz könne sich der Kläger nicht berufen. Ihm seien die Kosten und der Zeitaufwand für die Fahrt zu dem von seiner Wohnung ca. 21 km entfernten Sitz der Beklagten ebenso zuzumuten wie das Aufbringen von Urlaubs- oder Freizeit für die Kontrolle der Verwaltung.
4Einen Anspruch auf Anfertigung und Zusendung einer Ablichtung des internen Berichts des Beirats verneint das Berufungsgericht mit der Begründung, dass der Kläger insoweit kein Einsichtsrecht habe. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Unterlagen des Verwaltungsbeirats sei gemeinschaftsbezogen und könne deshalb nicht von einem einzelnen Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.
5Die Auskunftsansprüche hält das Berufungsgericht für unbegründet, weil sie nur den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustünden; ohne - hier nicht erteilte - vorherige Ermächtigung könne der einzelne Wohnungseigentümer gemeinschaftsbezogene Auskunftsansprüche nicht geltend machen.
II.
6Die Revision ist kraft Zulassung in dem Berufungsurteil, an die der Senat gebunden ist, statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 548, 549, 551 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet.
71. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Anfertigung und Zusendung von Ablichtungen von Verwaltungsunterlagen - auch gegen Kostenerstattung - verneint. Das Informationsrecht des Klägers wird ausreichend dadurch gewahrt, dass er die Unterlagen in den Geschäftsräumen der Beklagten einsehen und dort - auf eigene Kosten - Ablichtungen anfertigen (lassen) kann.
8a) Als Wohnungseigentümer hat der Kläger nach §§ 675, 666 BGB i.V.m. dem Verwaltervertrag einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen. Ob es sich dabei um ein aus dem Anspruch auf Abrechnung (§ 28 Abs. 3 WEG) und Rechnungslegung (§ 259 BGB) abgeleitetes Recht handelt (s. nur OLG München, NZM 2006, 512; 2007, 691; vgl. auch BGHZ 10, 385, 386 f.), oder ob das Einsichtsrecht auf der analogen Anwendung der Vorschriften in § 24 Abs. 6 Satz 3, Abs. 7 Satz 8 WEG (Riecke/Schmid/Abramenko, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl., § 28 Rn. 147) oder in § 716 Abs. 1 BGB (Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG Rn. 607) beruht, ist ohne Belang. Da die Einsichtnahme auch der Überprüfung der Verwaltertätigkeit dient, besteht das Einsichtsrecht nach der bestandskräftigen Genehmigung der Abrechnung und nach der Entlastung des Verwalters fort (BayObLG, NZM 2000, 873, 874). Es unterliegt keinen weiteren Voraussetzungen (OLG Köln, NZM 2006, 702) wie z.B. einem besonderen rechtlichen Interesse des Wohnungseigentümers (BayObLG, NZM 2003, 905) oder einer Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer (Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Rn. 1673; Riecke/Schmid/Abramenko, aaO, Rn. 149). Nur das Verbot des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot (§ 226 BGB) begrenzen das Einsichtsrecht (Timme/Batschari, WEG, § 28 Rn. 76). Dass der Kläger hiergegen verstoßen hat, ist weder festgestellt noch ersichtlich.
9b) An welchem Ort der Verwalter die Einsichtnahme zu gewähren hat, richtet sich nach den Regelungen in § 269 Abs. 1 und 2 BGB. Danach hat eine Leistung dann, wenn der Leistungsort weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, am Wohnsitz des Schuldners bzw. am Ort seiner Niederlassung zu erfolgen. Fehlt es - wie hier - an einer Vereinbarung über den Leistungsort, kann dieser somit nur dann der Ort der Wohnungseigentumsanlage sein, wenn sich dies aus den Umständen, insbesondere aus der Natur der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Verwalter und den Wohnungseigentümern, ergibt. Das ist jedoch - entgegen der von dem Kläger letztendlich vertretenen Auffassung - nicht der Fall. Anders als es das Oberlandesgericht Karlsruhe gemeint hat (NJW 1969, 1968), liegt der Schwerpunkt der Verwaltertätigkeit nicht am Ort der Wohnungseigentumsanlage. Dort sind lediglich die zur Instandhaltung und Instandsetzung der Anlage erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, ausgeführte Arbeiten zu prüfen und abzunehmen, Verhandlungen mit örtlichen Handwerkern und Behörden zu führen sowie die Einhaltung der Hausordnung zu überwachen; die übrigen darüber hinausgehenden Aufgaben des Verwalters, die in §§ 21 Abs. 5, 27 Abs. 1 bis 3 WEG aufgeführt sind, werden üblicherweise in seinen Geschäftsräumen erledigt. Sie bilden den Schwerpunkt der Verwaltung (Jennißen, Die Verwalterabrechnung nach dem Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl., Rn. 685 ff.). Grundsätzlich ist das Einsichtsrecht deshalb in den Geschäftsräumen des Verwalters zu gewähren (s. nur OLG Köln, NZM 2006, 702; BayObLG, NZM 2004, 509, 510; Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 172).
10c) Ob daneben der Verwalter die Unterlagen vor oder bei einer Eigentümerversammlung am Versammlungsort zur Einsichtnahme bereithalten muss (allgemeine Ansicht, s. nur OLG Köln, NZM 2007, 366 f.; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 28 Rn. 104; Greiner, aaO, Rn. 1675; zweifelnd Drasdo, ZMR 2006, 225), ist hier ebenso ohne Belang wie die Frage, ob bei großer Entfernung zwischen dem Sitz des Verwalters und der Wohnungseigentumsanlage Zumutbarkeitsgesichtspunkte auf Seiten des Wohnungseigentümers es erfordern, ihm die Einsichtnahme an dem Ort der Anlage zu gewähren (bejahend OLG Köln, NZM 2002, 221; Greiner, aaO, Rn. 1675; verneinend z.B. Jennißen in Jennißen, aaO, Rn. 173). Denn zum einen verlangt der Kläger nicht die Einsichtnahme anlässlich einer Eigentümerversammlung; zum anderen ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger zuzumuten ist, die von der Wohnungseigentumsanlage ca. 21 km entfernten Geschäftsräume der Beklagten zum Zweck der Einsichtnahme aufzusuchen, rechtlich nicht zu beanstanden.
11d) Fehlt es somit an einer Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger außerhalb ihrer Geschäftsräume die Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen zu gewähren, ist sie auch nicht verpflichtet, ihm Ablichtungen dieser Unterlagen zu übersenden, auch nicht auf seine Kosten. Zwar kann sich eine solche Pflicht aus dem Einsichtnahmerecht des Wohnungseigentümers ergeben (OLG München, NZM 2006, 512), aber nur dann, wenn Treu und Glauben es gebieten (Jennißen in Jennißen, aaO, § 28 Rn. 174). Ob das der Fall ist, beurteilt sich aus der Sicht des Wohnungseigentümers. Deshalb kann der von dem Kläger hervorgehobene Umstand, dass sich die Wahrnehmung des Einsichtsrechts durch alle Mitglieder einer großen Wohnungseigentümergemeinschaft über Monate hinweg erstrecke, nur dann eine Versendungspflicht des Verwalters begründen, wenn anderenfalls der einzelne Wohnungseigentümer die ihm zustehenden Informationen nicht rechtzeitig (z.B. vor einer Eigentümerversammlung) erlangen kann. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Deshalb ist der Kläger auf sein Recht zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der Beklagten zu verweisen; dabei kann er sich auf seine Kosten die gewünschten Ablichtungen anfertigen bzw. anfertigen lassen (s. nur OLG München, NZM 2007, 691; Merle in Bärmann, aaO, § 28 Rn. 100).
122. Ob die Beklagte - wie der Kläger meint - verpflichtet ist, ihm Einsicht in den internen Bericht des Verwaltungsbeirats zu gewähren, kann dahinstehen. Selbst wenn die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist, folgt nach dem vorstehend Gesagten aus dem Einsichtsrecht kein Anspruch auf Zusendung einer Ablichtung des Berichts.
133. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Erteilung von Auskünften über näher bezeichnete Positionen in der Jahresabrechnung 2007, in der Wohngeldabrechnung 2007 und in dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2009 (Berufungsanträge zu 2 a bis c) verneint.
14a) Von dem vorstehend unter 1. erörterten Einsichtsrecht ist der gegen den Verwalter gerichtete Anspruch auf Auskunft zu der Jahresabrechnung und zu dem Wirtschaftsplan (§ 28 Abs. 3 und 5 WEG) zu unterscheiden. Er hat zwar auch seine Grundlage in §§ 675, 666 BGB i.V.m. dem Verwaltervertrag. Anders als bei dem Einsichtsrecht handelt es sich aber in erster Linie nicht um einen individuellen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers, sondern um einen allen Wohnungseigentümern als unteilbare Leistung zustehenden Anspruch (KG, NJW-RR 1987, 462; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 597 f.; BayObLG, WuM 1990, 369; Jennißen in Jennißen, aaO, § 28 Rn. 168; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., § 28 Rn. 121 f.; Greiner, aaO, Rn. 1671). Daher kann der einzelne Wohnungseigentümer die Auskunft grundsätzlich nur in der Wohnungseigentümerversammlung verlangen. Machen die Wohnungseigentümer von ihrem Auskunftsrecht keinen Gebrauch, steht der Auskunftsanspruch allerdings jedem einzelnen Wohnungseigentümer zu (KG, NJW-RR 1987, 462, 463; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 597 f.; BayObLG, WuM 1990, 369; Merle in Bärmann, aaO, § 28 Rn. 102; einschränkend Jennißen in Jennißen, aaO, § 28 Rn. 168). Außerdem besteht ein Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers dann, wenn sich das Auskunftsverlangen auf Angelegenheiten bezieht, die ausschließlich ihn betreffen (Merle in Bärmann, aaO, § 28 Rn. 102; Jennißen in Jennißen, aaO, § 28 Rn. 168; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, aaO, § 28 Rn. 122; Riecke/Schmid/Abramenko, aaO, § 28 Rn. 139). In diesem Fall ist eine vorherige Befassung der Eigentümerversammlung oder eine Ermächtigung zum Auskunftsverlangen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht notwendig.
15b) Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Auskunftsanspruch zu. Dass sich sein Verlangen auf ein allein ihm zustehendes Recht bezieht, macht er - zutreffend - nicht geltend. Dass er in einer Versammlung der Wohnungseigentümer die Auskunft verlangt hat und die übrigen Wohnungseigentümer dieses Verlangen nicht an die Beklagte herangetragen haben, ist ausgeschlossen; denn der Kläger hat, seitdem die Beklagte Verwalterin ist, an keiner Eigentümerversammlung teilgenommen.
164. Schließlich hat das Berufungsgericht einen Auskunftsanspruch betreffend von der Beklagten beabsichtigte, näher bezeichnete Maßnahmen (Berufungsanträge zu 2 d und e) zu Recht verneint. Zur Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 3. verwiesen. Der von dem Kläger hervorgehobene Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Auskunftsanspruch dient nicht dazu, "herauszufinden, ob eine Erörterung der in den Fragen angesprochenen Punkte auf einer Eigentümerversammlung Sinn macht", sondern zur Erlangung von Informationen über den Stand - wie hier - gemeinschaftlicher Angelegenheiten.
III.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Brückner Weinland
Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 1137 Nr. 16
NJW 2011 S. 6 Nr. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2011 S. 1043
WM 2011 S. 1287 Nr. 27
KAAAD-78376