BFH Beschluss v. - V B 46/10

Finanzielle Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen einer GbR

Leitsatz

Die finanzielle Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen kann. Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 % der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organschaft erforderlich ist.
Für finanzielle Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers (hier: einer GbR) kommt es auf die rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten an, die der GbR kraft ihres Stimmrechts in der GmbH zustehen. Die Art und Weise der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung der GbR aufgrund einer Stimmrechtsverteilung, die von den Kapitalanteilen der GbR-Gesellschafter abweicht, spielt für die finanzielle Eingliederung der GmbH in das Unternehmen der GbR keine Rolle.

Gesetze: UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Streitig ist, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), im Streitjahr (2003) umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der T-GmbH war.

2 Die T-GmbH war zunächst als Organgesellschaft in das Unternehmen ihres Alleingesellschafters, Herrn X eingegliedert. Sowohl X als auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) gingen vom Vorliegen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft mit X als Organträger aus.

3 Seit dem Jahr 2002 waren Herr Y zu 30 % und X zu 70 % Gesellschafter der T-GmbH. Nach § 8 Abs. 1 des geänderten Gesellschaftsvertrags konnten Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung der T-GmbH mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Zum Geschäftsführer der T-GmbH wurde X bestellt.

4 Die Klägerin entstand ebenfalls im Jahr 2002. Zunächst handelte es sich bei ihr um eine Vor-GmbH mit X als 70 %-Gesellschafter und Y als 30 %-Gesellschafter. Da X und Y die Eintragungsabsicht aufgaben, war die Klägerin von Beginn an als GbR zu behandeln. Zum Gesamthandsvermögen der Klägerin gehörte der eingebrachte 70 %-Anteil des X an der T-GmbH.

5 X und Y vereinbarten zunächst, dass Y bei der Klägerin ein Stimmanteil von 60 % und X von 40 % zustehen sollte, bis X seine Einlage vollständig erbracht habe. Nach Aufgabe der Eintragungsabsicht durch Beschluss vom standen Y alle Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu. Er war zudem deren alleiniger Geschäftsführer. X hatte das Recht, für die Klägerin in der Gesellschafterversammlung der T-GmbH aufzutreten und dort deren Stimmrecht für den 70 %-Geschäftsanteil allein auszuüben.

6 Über das Vermögen der T-GmbH wurde auf deren Antrag am das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet; die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt.

7 Das FA sah die Klägerin im Streitjahr als Organträgerin der T-GmbH an und setzte die Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin entsprechend fest.

8 Hiergegen wandte sich die Klägerin erfolglos mit Einspruch und Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die T-GmbH sei finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Klägerin i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (UStG) eingegliedert. Hinsichtlich der finanziellen Eingliederung ging das FG davon aus, die Klägerin sei an der T-GmbH unmittelbar als Mehrheitsgesellschafterin beteiligt gewesen und habe auf Ebene der T-GmbH mit ihrer Mehrheit jeden Gesellschafterbeschluss fassen können.

9 Mit der vorliegenden Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie stützt ihre Beschwerde auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

10 Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.

11 Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

12 II. Die Beschwerde ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 FGO).

13 1. Eine Zulassung der Revision aufgrund der von der Klägerin (GbR) als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfragen kommt nicht in Betracht.

14 a) Wie der erkennende Senat wiederholt entschieden hat, setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen kann (, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 % der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.). Von diesen Grundsätzen gehen auch die Beteiligten und das FG im Streitfall aus. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und zwischen ihnen nicht streitigen Feststellungen des FG war die Klägerin zu 70 % unmittelbar an der T-GmbH beteiligt und in der Satzung der T-GmbH für Gesellschafterbeschlüsse vereinbart, dass diese mit einfacher Mehrheit gefasst werden konnten.

15 b) Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision zur Klärung der Rechtsfrage, ob eine finanzielle Eingliederung auch gegeben sein könne, wenn eine GbR als Organträgerin zwar mehrheitlich an der GmbH beteiligt sei, aber bei der GmbH Stimmrechtsbeschränkungen zu Lasten der GbR bestünden; dies ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig.

16 Eine als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage, die sich nur stellt, wenn —wie im Streitfall— von einem nicht in der Vorentscheidung festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, ist nicht klärungsfähig (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom V B 58/06, BFH/NV 2007, 743). Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) bestanden im Streitjahr keine Stimmrechtsbeschränkungen zu Lasten der Klägerin (GbR) als Mehrheitsgesellschafterin auf Ebene der T-GmbH. Die Klägerin konnte im Streitjahr ihren Willen als 70 %-Gesellschafterin in der T-GmbH uneingeschränkt durchsetzen, da deren Satzung nach § 8 Abs. 1 für Gesellschafterbeschlüsse nur eine einfache Mehrheit verlangte. Die Beschwerdebegründung geht hingegen von einem anderen als dem bindend festgestellten Sachverhalt aus, wenn sie ausführt, X sei an der T-GmbH „mehrheitlich beteiligt” gewesen. Eine solche Beteiligung des X bestand im Streitjahr jedoch nicht. X vertrat die Klägerin lediglich als deren Gesellschafterin in den Gesellschafterversammlungen der T-GmbH. Zunächst oblag ihm als alleinigem Geschäftsführer der Klägerin deren Geschäftsführung und Vertretung (§§ 710, 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer blieb er aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom für diese Geschäftsführungsmaßnahme zuständig. In der alleinigen Geschäftsführungsbefugnis des X, der damit über das Abstimmungsverhalten der Klägerin auf Ebene der T-GmbH entscheiden konnte, ist keine Stimmrechtsbeschränkung der Klägerin zu sehen, da X nur den Willen der Klägerin in der Gesellschafterversammlung der T-GmbH bilden und äußern durfte.

17 c) Die weitere von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob es für die Prüfung der finanziellen Eingliederung der T-GmbH in die Klägerin auf die Stimmrechtsverteilung nach der Satzung der T-GmbH ankommt oder ob auch die Stimmrechtsverteilung auf der Ebene der Klägerin zu berücksichtigen ist, ist geklärt.

18 Für die finanzielle Eingliederung einer GmbH (hier: T-GmbH) in das Unternehmen des Organträgers (hier: der GbR, der Klägerin) kommt es auf die rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten an, die der GbR kraft ihres Stimmrechts in der GmbH zustehen (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.). Die Art und Weise der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung der GbR aufgrund einer Stimmrechtsverteilung, die von den Kapitalanteilen der GbR-Gesellschafter (hier: X und Y) abweicht, spielt für die finanzielle Eingliederung der GmbH in das Unternehmen der GbR keine Rolle.

19 2. Soweit die Klägerin eine Zulassung der Revision zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) begehrt, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet.

20 Sie rügt, das FG sei von dem tragenden Rechtssatz ausgegangen, für die finanzielle Eingliederung der T-GmbH in das Unternehmen der Klägerin sei allein deren unmittelbare (70 %-)Mehrheitsbeteiligung an der T-GmbH ausreichend, da auf Ebene der T-GmbH Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden konnten. Es sei hierdurch von den tragenden Rechtssätzen der Senatsentscheidung in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 abgewichen, in der der Senat entschieden habe, eine Stimmrechtsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern der Organgesellschaft könne bei der Prüfung, ob eine Stimmenmehrheit vorhanden sei, berücksichtigt werden.

21 Das FG ist nicht, wie behauptet, von den tragenden Rechtssätzen im Senatsurteil in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167 abgewichen. Denn in dem dort entschiedenen Fall ging es um einen Organträger, der zwar über mehr als 50 % der Stimmrechte in der Organgesellschaft verfügte, dessen Stimmrechte nach der Satzung der Organgesellschaft aber nicht ausreichten, um allein Gesellschafterbeschlüsse fassen und verhindern zu können. Im Streitfall hingegen verfügte die Klägerin selbst über eine unmittelbare Mehrheit der Stimmrechte, die ausreichte, um Gesellschafterbeschlüsse bei der T-GmbH allein fassen oder verhindern zu können. Das FG hat somit keinen abweichenden Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, eine Stimmrechtsvereinbarung auf Ebene der Organgesellschaft sei bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung unbeachtlich. Die abweichende Stimmrechtsverteilung zwischen X und Y auf Ebene der Klägerin ist —wie bereits ausgeführt— für die finanzielle Eingliederung der T-GmbH in das Unternehmen der Klägerin unerheblich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 857 Nr. 5
GmbHR 2011 S. 442 Nr. 8
AAAAD-74759