„Der Schlusspunkt ist noch nicht gesetzt”
Die Welt ist ständig im Wandel
und Rechtsprechung sowie Gesetzgebung müssen immer wieder auf den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse reagieren. Ganz deutlich wird dies in der aktuellen Entscheidung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs. Unter Änderung der Rechtsprechung stellt das höchste deutsche Finanzgericht fest: Aufwendungen für eine heterologe künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sein. – Das haben die Richter im Jahr 1999 noch ganz anders gesehen. Geserich erläutert auf Seite 672, wie sich die Rechtsprechung im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen in Bezug auf eine künstliche Befruchtung im letzten Jahrzehnt gewandelt hat und stellt fest: Der Schlusspunkt ist noch nicht gesetzt!
Einen Schlusspunkt gesetzt hat hingegen die EU-Kommission und die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG gekippt. Die Vorschrift, die das Engagement eines Neugesellschafters bei Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen einer sanierungsbedürftigen Körperschaft mit der Nichtanwendung der Verlustabzugsbeschränkung belohnt, war bei ihrer Einführung durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung von der Praxis sehr begrüßt worden. Erwies sich doch die mit der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführte Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG in der Finanz- und Wirtschaftskrise als steuerliches Restrukturierungshindernis. Gerade die nachträgliche Einführung der Vorschrift scheint sie jetzt aber zu Fall gebracht zu haben. Hat die EU-Kommission doch die Grundregelung des Verlustwegfalls nach § 8c Abs. 1 KStG als „Referenzsystem” für die Beihilfekontrolle zugrunde gelegt. Damit wird, so stellt Dörr auf Seite 690 fest, dem Gesetzgeber die Möglichkeit genommen, eine in ihren Wirkungen ausufernde Vorschrift durch sinnvolle, selektiv wirkende Maßnahmen im Nachhinein einzuschränken. – Was die Verlustverrechnung angeht, scheint aber – trotz des Rückschlags durch die Negativentscheidung der Kommission – noch kein Schlusspunkt gesetzt zu sein. Erst im Januar dieses Jahres hat das Bundesfinanzministerium eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Aufgabe es ist, ergebnisoffen Vorschläge für das im Koalitionsvertrag stehende Ziel einer Neuordnung der steuerlichen Verlustverrechnung zu erarbeiten. Ein erster Schritt ist getan. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.
Sie soll vor bösen Überraschungen schützen – die verbindliche Auskunft. Doch diese Planungssicherheit hat ihren Preis; die Auskunft ist gebührenpflichtig. Ob zu Recht, mit dieser Frage muss sich nun der Bundesfinanzhof befassen. Püttner rät daher auf Seite 684, in einschlägigen Fällen Einspruch einzulegen. Nur am Rande sei bemerkt: eine in Bezug auf die Anwendbarkeit der Sanierungsklausel eingeholte verbindliche Auskunft war vergeblich. Mit der Entscheidung der EU-Kommission ist sie hinfällig – bitter!
Beste Grüße
Reinhild Foitzik
Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 665
NWB RAAAD-63710