BGH Urteil v. - VIII ZR 229/09

Leitsatz

Die im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids enthaltene Falschangabe des Datums eines vorprozessualen Anspruchsschreibens, auf das der Antragsteller, ohne es dem Antrag beizufügen, zur Individualisierung seines Anspruchs Bezug nimmt, ist unschädlich, wenn für den Antragsgegner ohne weiteres ersichtlich ist, um welches Schreiben es sich handelt .

Gesetze: § 690 Abs 1 Nr 3 ZPO, § 204 Abs 1 Nr 3 BGB

Instanzenzug: LG München II Az: 12 S 2512/08 Urteilvorgehend AG Fürstenfeldbruck Az: 2 C 1789/06

Tatbestand

1Die Beklagte war bis zum Mieterin einer Wohnung des früheren, inzwischen verstorbenen Klägers in G. (im Folgenden weiterhin: Kläger). Die Rückgabe der Wohnung erfolgte Anfang März 2006.

2Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des Klägers Schadensersatz wegen Beschädigungen in der Mietwohnung. Nachdem die Haftpflichtversicherung der Beklagten dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, dass für den Schadensfall kein Versicherungsschutz bestehe, machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigungen am Kamin (4.000 €), an der Kaminablageplatte (800 €), an zwei Türen (500 €) und am Fußboden (600 €) geltend. Er forderte die Beklagte auf, den von dem Gesamtbetrag in Höhe von 5.900 € nach Abzug des Kautionsguthabens (1.610 €) verbleibenden Betrag von 4.300 € bis zum an den Kläger zu zahlen.

3Der Kläger hat diese Forderung nebst Zinsen mit Mahnbescheid vom , welcher der Beklagten am zugestellt worden ist, gerichtlich geltend gemacht. In dem Mahnbescheid wird als Hauptforderung bezeichnet: "Schadensersatz aus Unfall/Vorfall gemäß Schreiben vom : 4.300 €". Mit einem weiteren Mahnbescheid vom hat der Kläger Ersatz der für die Begutachtung der Schäden durch einen Sachverständigen angefallenen Kosten in Höhe von 938,44 € nebst Zinsen beansprucht. Die Beklagte hat gegen beide Mahnbescheide Widerspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat die beiden Verfahren verbunden und die auf Zahlung von insgesamt 5.238,44 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts insoweit abgeändert, als es der Klage hinsichtlich der Sachverständigenkosten (938,44 € nebst Zinsen) stattgegeben hat; im Übrigen hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch aus dem Mahnbescheid vom in Höhe von 4.300 € nebst Zinsen weiter.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81 ff.).

I.

5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:

6Die von der Beklagten gegen die geltend gemachten Ansprüche wegen Beschädigungen der Mietsache erhobene Verjährungseinrede sei begründet. Denn die Anfang September 2006 endende Verjährungsfrist sei durch den der Beklagten am zugestellten Mahnbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 4.300 € nicht rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden.

7Der Kläger habe seine Schadensersatzforderungen in dem Mahnbescheidsantrag im Hinblick auf den geltend gemachten Teil- oder Restbetrag nicht hinreichend individualisiert. Aus dem Mahnbescheid ergebe sich zwar, dass gegen die Beklagte eine Schadensersatzforderung in Höhe von 4.300 € "gemäß Schreiben vom " geltend gemacht wurde. Dieses Schreiben sei dem Mahnbescheid jedoch nicht beigefügt gewesen. Es sei auch im vorliegenden Rechtsstreit weder vorgelegt noch von einer der Parteien in Bezug genommen worden. Vielmehr beziehe sich der Kläger auf das anwaltliche Schreiben an die Beklagte vom , mit dem er seine Ansprüche wegen verschiedener Beschädigungen der Mietsache nach Grund und Höhe aufgelistet und die Beklagte zur Zahlung des nach Abzug des Kautionsguthabens verbleibenden Restbetrags von 4.300 € aufgefordert habe. Für die Beklagte sei aber weder aus dem Schreiben vom noch aus dem Mahnbescheid erkennbar gewesen, welche der einzelnen Schadensersatzforderungen der Kläger gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch ganz oder teilweise aufgerechnet habe und welche Ansprüche er mit seinem Mahnantrag noch verfolgt habe.

8Die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids sei auch nicht rückwirkend durch die erst im Berufungsverfahren ordnungsgemäß nachgeholte Individualisierung eingetreten. Denn zu diesem Zeitpunkt seien die auf Beschädigungen der Mietsache gestützten Ansprüche jedenfalls verjährt gewesen. Die nachträgliche Individualisierung beziehungsweise notwendige Bestimmung des Klagebegehrens könne zwar die Zulässigkeit der Klage herbeiführen, bewirke jedoch keine rückwirkende Heilung der Hemmung der Verjährung.

II.

9Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem vom Kläger mit dem Mahnbescheid vom geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.300 € nebst Zinsen die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede nicht entgegen.

10Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der antragsgemäß erlassene, der Beklagten vor Eintritt der Verjährung zugestellte Mahnbescheid vom den Ablauf der Verjährung wirksam gehemmt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Mahnbescheidsantrag hinreichend individualisiert.

111. Die Zustellung eines Mahnbescheids hemmt die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur, wenn dieser Anspruch im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechenden Weise hinreichend individualisiert ist. Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr.; Senatsurteil vom - VIII ZR 46/07, NJW 2008, 1220, Tz. 13; , NJW 2009, 56, Tz. 18; vom - IX ZR 160/07, NJW 2008, 3498 Tz. 7; vgl. auch BGHZ 172, 42, Tz. 39 zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB aF m.w.N.). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist allerdings nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (Senatsurteil vom , aaO, Tz. 15; vgl. auch BGHZ 172, 42, Tz. 46, zu § 209 BGB aF m.w.N.). So kann im Mahnbescheid zur Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs auf Rechnungen oder andere Unterlagen Bezug genommen werden; wenn ein solches Schriftstück dem Antragsgegner bereits bekannt ist, braucht es dem Mahnbescheid nicht in Abschrift beigefügt zu werden (Senatsurteil vom , aaO, Tz. 18; aaO).

122. Diesen Anforderungen genügt der Mahnbescheid vom .

13a) Der Mahnbescheid nimmt zur Individualisierung des in ihm bezeichneten Anspruchs auf Schadensersatz in Höhe von 4.300 € auf ein dem Mahnbescheid nicht beigefügtes Schreiben vom "" Bezug. Dabei handelt es sich - für die Beklagte erkennbar - um eine versehentlich falsche Datumsangabe; gemeint war ersichtlich das der Beklagten zwei Wochen vor Zustellung des Mahnbescheids zugegangene Schreiben vom (""), in dem die Zusammensetzung und Berechnung des Schadensersatzanspruchs über 4.300 € gegenüber der Beklagten - nach dem ablehnenden Schreiben der Haftpflichtversicherung der Beklagten vom - dargelegt und erläutert worden war. Dementsprechend haben die Parteien im Rechtsstreit ausschließlich zu dem Schreiben vom vorgetragen, nicht dagegen zu einem - nicht existenten - Schreiben vom . Insbesondere hat die Beklagte nur beanstandet, dass das Schreiben vom eine hinreichende Individualisierung des Anspruchs vermissen lasse; sie hat nicht geltend gemacht, dass nicht dieses Schreiben, sondern nach dem Mahnbescheid ein früheres Schreiben vom für die Individualisierung des Anspruchs maßgebend sei.

14Das Berufungsgericht ist daher rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Beklagten bekannt war, dass der Kläger mit dem Mahnbescheid über 4.300 € auf das Schreiben vom und den darin näher erläuterten Anspruch über 4.300 € Bezug genommen hat. Unter diesen Umständen ist die falsche Datumsangabe im Mahnbescheid vom unschädlich.

15b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Schadensersatzanspruch über 4.300 € im Schreiben vom in einer den Anforderungen entsprechenden Weise individualisiert worden. In diesem Schreiben werden die verschiedenen Beschädigungen der Mietsache, derentwegen der Kläger Schadensersatz begehrt, hinreichend konkret nach Grund und Höhe aufgelistet. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Es beanstandet lediglich, dass der vom Kläger vorgenommene Abzug des Kautionsguthabens in Höhe von 1.610 € von dem Gesamtschaden von 5.900 €, woraus sich der vom Kläger geforderte Restbetrag in Höhe von 4.300 € errechne, nicht erkennen lasse, mit welchen der einzelnen Schadensersatzforderungen der Kläger gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten ganz oder teilweise aufgerechnet habe und welche Ansprüche der Kläger folglich mit seinem Mahnantrag noch verfolgte. Das trifft nicht zu.

16Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem vom Kläger wegen verschiedener Beschädigungen der Mietsache geltend gemachten Schadensersatzanspruch überhaupt um mehrere selbständige Schadensersatzansprüche handelt oder um einen einheitlichen Anspruch, der sich lediglich aus mehreren Schadenspositionen zusammensetzt. Auch wenn mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen wird, dass jede einzelne Beschädigung der Mietsache einen rechtlich selbständigen Schadensersatzanspruch begründet, besteht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein Zweifel daran, welche Ansprüche der Kläger mit seiner nach Abzug des Guthabens verbleibenden Restforderung in Höhe von 4.300 € mit dem Schreiben vom - und dementsprechend auch mit dem Mahnbescheid vom - noch verfolgte. Da der Kläger im Schreiben vom nicht bestimmt hatte, in welcher Höhe er die mehreren Einzelforderungen jeweils gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten aufrechnete, wurden die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen des Klägers, worauf die Revision mit Recht hinweist, nach § 396 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 366 Abs. 2 BGB verhältnismäßig getilgt (vgl. , NJW 2009, 1071, Tz. 23).

17Da somit die Ansprüche des Klägers im Mahnbescheid vom in Verbindung mit dem Schreiben vom hinreichend individualisiert waren, kommt es auf die vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob im Berufungsverfahren eine ordnungsgemäße Individualisierung der Ansprüche mit Rückwirkung für die Verjährungshemmung nachgeholt werden konnte (dazu aaO, Tz. 19 ff.), nicht an.

III.

18Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welchem Umfang die vom Berufungsgericht für verjährt gehaltene, mit dem Mahnbescheid vom geltend gemachte restliche Schadensersatzforderung von 4.300 € besteht. Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich - in anderem Zusammenhang - ausgeführt, dass es die von diesem Betrag umfassten Schadensersatzansprüche des Klägers dem Grunde und "überwiegend der Höhe nach" für berechtigt halte. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).

Ball                                              Dr. Frellesen                                        Dr. Milger

                     Dr. Achilles                                             Dr. Fetzer

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2186 Nr. 37
NJW-RR 2010 S. 1455 Nr. 21
AAAAD-62599