Nichtannahmebeschluss: teilweise wegen nicht hinreichender Substantiierung unzulässige, teilweise unbegründete Verfassungsbeschwerde gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung, die nach verspäteter Offenlegung eines Jahresabschlusses gemäß § 335 HGB erfolgte
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 325 HGB, § 335 Abs 1 S 4 HGB
Instanzenzug: Az: 31 T 620/08 Beschlussvorgehend Az: 31 T 620/08 Beschluss
Gründe
1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung, die nach verspäteter Offenlegung eines Jahresabschlusses erfolgt ist.
I.
2 1. Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Ihr oblag nach § 325 HGB, bis zum Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2006 beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einzureichen. Nachdem sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, gab das Bundesamt für Justiz der Beschwerdeführerin mit Androhungsverfügung vom auf, die Unterlagen binnen einer Nachfrist von sechs Wochen offenzulegen und bekanntzumachen; zugleich drohte es die Verhängung eines Ordnungsgelds an. Der Androhungsverfügung beigelegt war ein zweiseitiges Merkblatt über das Ordnungsgeldverfahren. Die Verfügung wurde der Beschwerdeführerin zugestellt.
3 Mit Schreiben vom übersandte die Beschwerdeführerin ihre Bilanzen zum und statt an den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers an das Bundesamt für Justiz. Mit Schreiben vom legte das Bundesamt für Justiz den Irrtum der Beschwerdeführerin offen. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:
4 "Ihnen wird hiermit Gelegenheit gegeben, die Erfüllung ihrer Einreichungspflicht […] bis zum nachzuholen. […] Sollten die erforderlichen Unterlagen nicht bis zum […] eingereicht werden, wird das angedrohte Ordnungsgeld festzusetzen sein."
5 Mit Schreiben vom übersandte die Beschwerdeführerin ihre Unterlagen für die Jahre 2006 und 2007 nunmehr an den Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.
6 Mit Bescheid vom setzte das Bundesamt für Justiz gegen die Beschwerdeführerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 € fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom wies das zurück. Zur Begründung führte es aus, mit der Einreichung der Unterlagen beim Bundesamt für Justiz habe die Beschwerdeführerin ihrer Offenlegungspflicht nicht Genüge getan. Auch wenn die Beschwerdeführerin nicht auf ihren Irrtum hingewiesen worden sei, treffe sie ein Verschulden. Die Unterlagen seien zudem unvollständig, da der Anhang für das Jahr 2006 fehle. Mit Schriftsatz vom legte die Beschwerdeführerin über ihren Rechtsanwalt "Rechtsmittel" gegen den Beschluss vom ein und erhob den Rechtsbehelf der Anhörungsrüge. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass das Bundesamt mit Schreiben vom die mit Verfügung vom gesetzte Frist verlängert habe. Dieses Schreiben sei dem Gericht mit Schriftsatz vom übersandt worden. Mit Schreiben vom wies das Landgericht darauf hin, dass bislang lediglich die erste Seite des Schreibens vom bei Gericht eingereicht worden sei. Außerdem seien die Jahresabschlussunterlagen immer noch unvollständig, da weiterhin der zwingend erforderliche Anhang fehle. Mit Schriftsatz vom übersandte der Verfahrensbevollmächtigte daraufhin das vollständige Schreiben an das Gericht. Unter dem gleichen Datum übersandte er an den Betreiber des Bundesanzeigers den Anhang 2006. Mit Beschluss vom wies das Landgericht, mit Verweis unter anderem auf sein Schreiben vom , die Anhörungsrüge zurück.
7 2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesamts für Justiz und die Entscheidungen des Landgerichts. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Der Beschwerdeführerin sei das rechtliche Gehör im Ordnungsgeldverfahren versagt worden, da das Landgericht die der Beschwerdeführerin gewährte Fristverlängerung nicht berücksichtigt habe. Zudem verletze die Beschwerdeführerin die Auferlegung des Ordnungsgelds sowie dessen Höhe in ihren Rechten. Die Beschwerdeführerin treffe kein oder nur ein geringes Verschulden. Das Ordnungsgeld übersteige den jährlichen Gewinn und den jährlichen Ertrag um ein Vielfaches.
II.
8 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Voraussetzungen der Annahme nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).
9 Die Verfassungsbeschwerde, die offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 93a Abs. 2 lit. a) BVerfGG), ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
10 1. Soweit die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die von ihr behauptete Verletzung ihrer Rechte nicht substantiiert dargelegt hat (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
11 Die Beschwerdeführerin hat schon nicht dargetan, worin der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegen soll. Das Landgericht hat spätestens bei seinem Beschluss vom den gesamten Sachvortrag der Beschwerdeführerin, insbesondere die von ihr behauptete zweite Fristverlängerung, zur Kenntnis genommen und gewürdigt.
12 Die Beschwerdeführerin hätte weiter vortragen müssen, weshalb die angegriffenen Entscheidungen auf diesem Verstoß beruhen (vgl. BVerfGE 28, 17 <20>; 77, 275 <281>; 82, 236 <256 ff.>; 91, 1 <25 f.>; 94, 1 <7>; 105, 252 <264>; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 92 Rn. 18). Hierzu enthält die Beschwerdeschrift jedoch lediglich die pauschale Behauptung, die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf dem Verfassungsverstoß.
13 2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
14 Die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen die Beschwerdeführerin ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
15 Soweit die Beschwerdeführerin als juristische Person Trägerin von Grundrechten sein kann (Art. 19 Abs. 3 GG), greift die Auferlegung des Ordnungsgelds zwar in ihr verfassungsmäßiges Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein (vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 106 <Juni 2006> m.w.N.). Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Grundrecht vorliegend aber nicht verletzt, weil die Festsetzung des Ordnungsgelds nach § 335 HGB gerechtfertigt war (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 3413/08 -, NJW 2009, S. 2588).
16 Es bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Offenlegungspflicht (§ 325 HGB) und deren Sanktionierung (§ 335 HGB). Auch verletzt die Anwendung von § 325 HGB im zugrunde liegenden Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB weder die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Art. 12 Abs. 1 GG noch ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG. Mögliche Eingriffe in diese Grundrechte sind durch die mit der Offenlegung der in § 325 Abs. 1 HGB bezeichneten Rechnungslegungsunterlagen verfolgten, in erheblichem Allgemeininteresse liegenden Zwecke eines effektiven Schutzes des Wirtschaftsverkehrs durch Information der Marktteilnehmer und einer Kontrollmöglichkeit der betroffenen Gesellschaften vor dem Hintergrund deren nur beschränkter Haftung jedenfalls gerechtfertigt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1636/09 -, juris). Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, eine gewährte Fristverlängerung habe der Auferlegung des Ordnungsgelds im vorliegenden Fall entgegengestanden, übergeht er die Feststellung des Gerichts, nach der die Einreichungspflicht auch innerhalb der verlängerten Fristen nicht vollständig erfüllt wurde.
17 Auch die festgesetzte Höhe des Ordnungsgelds begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und ist insbesondere nicht unverhältnismäßig. Nach § 335 Abs. 1 Satz 4 HGB beträgt das Ordnungsgeld mindestens 2.500 € und höchstens 25.000 €. Das Bundesamt für Justiz hat damit den geringstmöglichen Betrag festgesetzt.
18 Ein Unterschreiten der Mindestordnungsgeldhöhe von 2.500 € sieht das Gesetz nur unter den Voraussetzungen des § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB bei lediglich geringfügiger Überschreitung der gesetzten Nachfrist vor. Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor, da die Beschwerdeführerin die erforderlichen Jahresabschlussunterlagen in ordnungsgemäßer Form erst am eingereicht hat.
19 Billigkeitsgesichtpunkte rechtfertigen dagegen nach der einschlägigen fachgerichtlichen Rechtsprechung eine Herabsetzung des Ordnungsgelds nicht, da § 335 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 5 HGB insoweit eine abschließende und zu dem - zum damaligen Zeitpunkt anwendbaren - § 135 Abs. 2 Satz 2 FGG speziellere Regelung treffen ( -, juris; vgl. auch Stollenwerk/Kurpat, BB 2009, S. 150 <154>). Diese Gesetzesauslegung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
20 Selbst wenn man die Auffassung der Beschwerdeführerin als zutreffend unterstellt, es komme für die Höhe des Ordnungsgelds auch auf den Grad des Verschuldens an, wäre die Festsetzung der Mindesthöhe nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin hat trotz Hinweises auf den richtigen Adressaten sowohl in der Androhungsverfügung als auch im Merkblatt die Unterlagen an den falschen Adressaten übersandt, trotz Hinweises im Merkblatt auf den erforderlichen Umfang der Unterlagen den Anhang zweimal nicht ordnungsgemäß übersandt; nicht nur die gesetzliche Frist (), sondern auch die ihr gesetzte Nachfrist und die von ihr behauptete zweite Nachfrist versäumt und die Unterlagen in der erforderlichen Form erst am eingereicht, und dies trotz anwaltlicher Beratung im Beschwerdeverfahren. Damit wäre für das Bundesamt der Justiz die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgelds - das bereits angedroht wurde - ohne Weiteres zulässig.
21 Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
22 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110201.2bvr123610
Fundstelle(n):
BB 2011 S. 1136 Nr. 18
BFH/NV 2011 S. 1277 Nr. 7
DB 2011 S. 807 Nr. 14
GmbHR 2011 S. 528 Nr. 10
KÖSDI 2011 S. 17454 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2011 S. 388
KAAAD-62091