Schadensersatz wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung: Nachweis des Vorteilsausgleichs wegen Steuerersparnis; Kausalität des Prospektfehlers eines geschlossenen Immobilienfonds für die Anlageentscheidung und Bezifferung des Freistellungsantrags
Gesetze: § 138 Abs 3 ZPO, § 249 BGB, § 21 EStG
Instanzenzug: Az: 26 U 122/07 Urteilvorgehend Az: 4a O 402/05
Gründe
1Die Beschwerden der Parteien sind begründet und führen gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
21. Das Berufungsgericht hat auf den Klageantrag zu 1 (Rückzahlung der Einlage Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung an dem G.-Fonds 18 auf die Beklagte) ein Grundurteil erlassen: Von der Einlage des Klägers in Höhe von 511.000 € seien 488.537 € bereits im Wege des Vorteilsausgleichs durch die Steuervorteile des Klägers und die Ausschüttungen aufgewogen. Den noch verbleibenden Betrag von 22.463 € müsse die Beklagte dem Grunde nach dem Kläger erstatten, soweit nicht auch dieser Betrag durch die noch nicht berücksichtigten Ausschüttungen oder Steuervorteile seit dem ausgeglichen sei, was noch zu prüfen sei. Dem Freistellungsantrag zu 2 hat das Berufungsgericht Zug um Zug gegen Übertragung des Gesellschaftsanteils stattgegeben mit der Maßgabe, dass Steuervorteile und Ausschüttungen anzurechnen sind, soweit sie 511.000 € übersteigen. Dem Feststellungsantrag zu 3 (Ersatz künftiger Schäden) hat es wie beantragt entsprochen.
32. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten beanstandet zu Recht, dass dem Vortrag der Beklagten zur Höhe der anzurechnenden Steuervorteile des Klägers nicht nachgegangen und damit gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen worden sei.
4Der Kläger hat im ersten Rechtszug seine durch die Beteiligung an dem GEHAG-Fonds 18 erzielten Steuervorteile für die Zeit bis Ende 2005 (richtig wohl 2004) auf 403.200 € beziffert, ohne dazu nähere Angaben zu machen (Schriftsatz vom , GA I 219). Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag als unstreitig behandelt. Die Beklagte hatte jedoch behauptet, die Steuervorteile betrügen 616.436,91 € (Schriftsatz vom , GA I 176). Den Gegenvortrag des Klägers hat sie bestritten (Schriftsatz vom26. Oktober 2006, GA I 238). Damit war der Klägervortrag auch im zweiten Rechtszug streitig.
5Das Bestreiten der Beklagten ist erheblich. Zwar obliegt es im Rahmen der Vorteilsausgleichung grundsätzlich dem Schädiger, die anzurechnenden Vorteile darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Ist der Schädiger dazu aber nicht in der Lage, weil es um Tatsachen geht, die nur dem Geschädigten bekannt sind und deren Mitteilung dem Geschädigten zumutbar ist, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast (, ZIP 2008, 412 Rn. 27; Urteil vom - II ZR 203/08, juris Rn. 31). Danach muss der Kläger die für die Berechnung seiner Steuervorteile nötigen Tatsachen darlegen. Kommt er dieser Darlegungslast nicht nach, ist nach § 138 Abs. 3 ZPO von unstreitigen Steuervorteilen in der von der Beklagten behaupteten Höhe von 616.436,91 € auszugehen.
63. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist gleichfalls begründet, weil auch sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist.
7Das Berufungsgericht hat eine Vorteilsausgleichung in Bezug auf die Steuervorteile des Klägers angenommen, ohne dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers nachzugehen, er hätte bei zutreffender Aufklärung über das Risiko der Nichtgewährung einer Anschlussförderung zwar nicht diese Anlage gezeichnet, wäre aber einem Schiffsfonds beigetreten und hätte dadurch noch höhere Steuervorteile als durch die Beteiligung an dem G.-Fonds erzielt (Schriftsatz vom , GA I 219 f.). Diesen Vortrag durfte das Berufungsgericht nicht mit der Begründung unberücksichtigt lassen, dazu stehe das übrige Vorbringen des Klägers in Widerspruch. Es hätte vielmehr den dazu vom Kläger benannten Zeugen S. vernehmen müssen. Da S. den Kläger aufgrund früherer Anlagegeschäfte kannte, ist nicht auszuschließen, dass seine Vernehmung Aufschluss über die - innere - Tatsache der Anlagestrategie des Klägers hätte geben können.
8Dieser Vortrag ist vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus auch entscheidungserheblich, weil eine Anrechnung von Steuervorteilen nicht in Betracht kommt, wenn der Anleger bei zutreffender Risikoaufklärung sein Geld anders, aber ebenfalls steuersparend angelegt hätte (BGH, Urteil vom6. Februar 2006 - II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 Rn. 20 f.).
94. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
10a) Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Prospektfehler darin gesehen, dass in dem Fondsprospekt die Anschlussförderung als gesichert dargestellt wird. Das hat der Senat bereits in den Urteilen vom zum G.-Fonds 18 entschieden (II ZR 168/08 und 178/08, jeweils juris Rn. 12 ff.).
11b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kausalität des Prospektfehlers für die Anlageentscheidung des Klägers werde nicht vermutet, ist dagegen unzutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats - auch zu dem hier einschlägigen G.-Fonds 18 ( aaO, jeweils Rn. 18 ff.; siehe auch Urteil vom - II ZR 66/08, ZIP 2010, 1030 Rn. 17 ff. m.w.N.) - wird bei einem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds die Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung grundsätzlich vermutet. Umstände, die diese Vermutung entfallen lassen, sind nicht festgestellt.
12Bei der Prüfung, ob die Beklagte die Vermutung widerlegt hat, wird das Berufungsgericht dem noch nicht erledigten Beweisantritt der Beklagten durch Parteivernehmung des Klägers nachzugehen haben. Sollte es danach auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen S. ankommen, wird das Berufungsgericht der Beklagten Gelegenheit geben müssen klarzustellen, zu welchem Beweisthema der Zeuge N. benannt sein soll (siehe Schriftsatz vom , GA II 151). Gegebenenfalls wird der Zeuge N. zu vernehmen sein, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen S. überprüfen zu können.
13Im Rahmen der Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger vorgetragen hat, bei zutreffender Aufklärung hätte er nicht den G.-Fonds, sondern eine Beteiligung an dem Schiffsfonds "MS D." gezeichnet.
14c) Ein Verschulden der Organe der Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen (vgl. zum G.-Fonds 18 - II ZR 168/08 und 178/08, jeweils juris Rn. 26 ff.; siehe auch Urteil vom - II ZR 66/08, ZIP 2010, 1030 Rn. 25 ff.).
15d) Das Berufungsgericht wird die Fassung des Klageantrags zu 2 zu prüfen haben. Der darin geltend gemachte Freistellungsanspruch ist nicht vollstreckbar, weil zwar die Anrechnung von Steuervorteilen und Ausschüttungen angeordnet, diese aber nicht beziffert sind. Ein Freistellungsanspruch muss jedoch - wie ein Zahlungsanspruch - nach Grund und Höhe bestimmt sein. Kann der Gläubiger keine genauen Zahlen angeben, ist der Freistellungsantrag unzulässig. Stattdessen kann auf Feststellung der Freistellungspflicht geklagt werden (, ZIP 2010, 1030 Rn. 33 ff. m.w.N).
165. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.550.000 € festgesetzt, wovon 488.537 € auf die Beschwerde des Klägers und 1.061.463 € auf die Beschwerde der Beklagten entfallen.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Nedden-Boeger
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 957 Nr. 5
ZAAAD-61639