BFH Urteil v. - VI R 12/09 BStBl 2011 II S. 361

Private Nutzung von betrieblichen Kraftfahrzeugen

Leitsatz

1. Der nachträgliche Einbau einer Flüssiggasanlage in ein zur Privatnutzung überlassenes Firmenfahrzeug ist nicht als Sonderausstattung in die Bemessungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen.

2. Eine Sonderausstattung im Sinne des Gesetzes liegt nur dann vor, wenn das Fahrzeug bereits werkseitig im Zeitpunkt der Erstzulassung damit ausgestattet ist.

3. Mit dem Betrag, der nach der 1 %-Regelung als Einnahme anzusetzen ist, werden sämtliche geldwerten Vorteile abgegolten, die sich aus der Möglichkeit einer privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs ergeben; unselbständige Ausstattungsmerkmale können nicht getrennt bewertet werden.

Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2EStG § 8 Abs. 2 Satz 2EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Instanzenzug: (EFG 2009, 659) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

1Streitig ist, ob Umrüstungskosten auf Flüssiggasbetrieb bei Fahrzeugen, die Arbeitnehmern zur privaten Nutzung überlassen werden, in die Bemessungsgrundlage für die 1 %-Regelung einzubeziehen sind.

2Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vertreibt Flüssiggas. Der Autoabgasabsatz erfolgt im Wesentlichen über zusätzliche Zapfanlagen an Tankstellen. Die Kontakte mit den Tankstellenpächtern bzw. mit den Kunden im Brenngasgeschäft werden über Außendienstmitarbeiter hergestellt oder aufrechterhalten. Die Klägerin versucht über verschiedene Werbeaktionen, den Flüssiggasabsatz für Kraftfahrzeuge zu fördern. Bestandteil dieser Werbeaktionen ist u.a. die Ausstattung von Firmenfahrzeugen der Klägerin für den Betrieb mit Flüssiggas.

3Die Klägerin stellt ihren leitenden Angestellten und Außendienstmitarbeitern kostenlos geleaste Firmenfahrzeuge zur Verfügung, die auch privat genutzt werden dürfen. Die Firmenfahrzeuge der Außendienstmitarbeiter werden in zeitlicher Nähe nach der Auslieferung der Fahrzeuge zusätzlich für den Betrieb mit Flüssiggas umgerüstet. Die Umbaukosten pro Fahrzeug in Höhe von rund 2.500 € trägt jeweils die Leasinggesellschaft, die diese Kosten über die Leasinggebühr abrechnet. Die Leasinggebühren, die sich nach Listenpreis, Sonderausstattungen und Umbauten richten, und alle weiteren Aufwendungen für die Firmenfahrzeuge trägt ausschließlich die Klägerin. Die auf Gasbetrieb umgerüsteten Firmenfahrzeuge erhalten einen oder mehrere Werbeaufkleber, mit denen mit den Worten „X.......”, „Flüssiggas” und „Autogas” auf das Autogasgeschäft der Klägerin aufmerksam gemacht wird.

4Die Klägerin rechnete die Umrüstungskosten auf den Flüssiggasbetrieb nicht in die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung für die private PKW-Nutzung ein und führte diesbezüglich keine Lohnsteuer ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) war dagegen der Auffassung, dass die Umrüstungskosten in die Berechnung des geldwerten Vorteils einzubeziehen seien, da es sich insoweit nicht um ein eigenständiges Wirtschaftsgut handele, dessen Nutzbarkeit getrennt von der Möglichkeit zum privaten Gebrauch des Fahrzeugs bewertet werden könne. Auf dieser Grundlage erließ das FA den hier streitigen Nachforderungsbescheid vom .

5Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 659 veröffentlichten Gründen ab.

6Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. das und den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Kindergeld und Bergmanns-Prämien für den Zeitraum vom bis vom i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben,

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im FG-Verfahren und im außergerichtlichen Verfahren als notwendig zu erklären.

8Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

9Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Unrecht die Kosten für die Umrüstung der den Arbeitnehmern zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Firmenfahrzeuge auf den Betrieb mit Flüssiggas in die Bemessungsgrundlage für die 1 %-Regelung einbezogen und als dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) behandelt.

101. Die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines Firmenwagens durch den Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer für deren Privatnutzung führt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden Lohnzufluss (vgl. Urteile vom VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370; vom VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269; vom VI R 68/05, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890; vom VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848).

11a) Die Bewertung des Nutzungsvorteils bestimmt sich nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG. Sofern nicht § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG anzuwenden ist, gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung zur Nutzungsentnahme entsprechend. Danach ist der Wert dieser Nutzung für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Diese pauschalierende und stark typisierende Bewertungsregelung ist grundsätzlich zwingend (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— in BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269, m.w.N.). Mit dem Betrag, der nach der 1 %-Regelung als Einnahme anzusetzen ist, werden sämtliche geldwerten Vorteile abgegolten, die sich aus der Möglichkeit zur privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs ergeben. Der vereinfachende und typisierende Charakter der Bewertungsregelung gestattet es nicht, die mit dem Gebrauch des Firmenwagens notwendigerweise verbundenen Vorteile aus der Verfügbarkeit einzelner unselbständiger Ausstattungsmerkmale von der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs selbst zu trennen (Senatsurteil vom VI R 37/04, BFHE 209, 221, BStBl II 2005, 563).

12b) Bemessungsgrundlage für die Nutzungsvorteile ist der inländische Listenpreis des betrieblichen Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer.

13aa) Unter dem inländischen Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die an diesem Stichtag maßgebliche Preisempfehlung des Herstellers zu verstehen, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gilt. Auch die Aufpreise für werkseitig zusätzlich eingebaute Ausstattungen (Sonderausstattung) sind mit den Werten anzusetzen, die sich aus der Preisliste des Herstellers ergeben. Sie erhöhen den Listenpreis des Fahrzeugs entsprechend (BFH-Urteil in BFHE 209, 221, BStBl II 2005, 563). Der Begriff der Sonderausstattung erfasst daher nur werkseitig zusätzlich eingebaute Ausstattungen des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung.

14bb) Der nachträgliche Einbau von zusätzlichen Ausstattungen in ein betriebliches Fahrzeug ist dagegen nicht als Sonderausstattung in die Bemessungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen. Denn zum einen handelt es sich dabei nicht um werkseitig zusätzlich eingebaute Ausstattungen des Fahrzeugs, zum anderen ist die zusätzliche Ausstattung auch nicht im Zeitpunkt der Erstzulassung vorhanden. Das Gesetz stellt bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift auf das gesetzliche Merkmal des Zeitpunktes der Erstzulassung sowohl für die Umsatzsteuer als auch für die Sonderausstattung ab. Deshalb ermittelt sich die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung stets bezogen auf den Zeitpunkt der Erstzulassung nach dem inländischen Listenpreis zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer. Nur eine derartige Auslegung trägt dem Sinn und Zweck der Regelung als pauschalierende und stark typisierende Bewertungsregelung hinreichend Rechnung. Ansonsten müssten ohne zeitliche Begrenzung alle nachträglichen Umbaumaßnahmen an gebrauchten Fahrzeugen für die Anwendung der Vorschrift nachvollzogen werden. Mit der Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Zeitpunkt der Erstzulassung statt an die tatsächlichen Anschaffungskosten hat der Gesetzgeber jedoch erkennbar nachträgliche Wertveränderungen an dem jeweiligen Fahrzeug von der Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung ausnehmen wollen.

152. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass der nachträgliche Einbau einer Flüssiggasanlage die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung erhöht und daher zu einem weiteren als Lohnzufluss zu erfassenden Nutzungsvorteil führt.

16a) Die Firmenfahrzeuge der Klägerin waren nach den Feststellungen des FG im Zeitpunkt der Erstzulassung nicht werkseitig mit einer Flüssiggasanlage ausgestattet. Die Kosten für den nachträglichen Einbau der Anlage sind daher nicht als Sonderausstattung in die Bemessungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen.

17b) Die in den Firmenwagen fest eingebaute Flüssiggasanlage ist auch kein eigenständiges Wirtschaftsgut, dessen Nutzbarkeit getrennt von der Möglichkeit zum privaten Gebrauch des Fahrzeugs bewertet werden könnte. Denn als zusätzliches Ausstattungsmerkmal der überlassenen Fahrzeuge ersetzt sie nicht den vorhandenen Benzinantrieb, sondern ermöglicht zusätzlich, das Fahrzeug auch mit Flüssiggas zu betreiben. Die Verwendung des Gasantriebs während der Fahrt dient damit allein dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Firmenwagens selbst und erfüllt entgegen dem Vorbringen der Revision keinen vom Gebrauch des Kraftfahrzeugs ablösbaren eigenständigen Zweck. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der Einbau der Flüssiggasanlage in die Firmenfahrzeuge der Klägerin möglicherweise ausschließlich eigenbetrieblichen Interessen des Arbeitgebers dient oder überhaupt einen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer darstellt.

183. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, war als unzulässig zu verwerfen, weil dieser Antrag im Revisionsverfahren nicht statthaft ist. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist daher das FG als Gericht des ersten Rechtszuges (vgl. , BFHE 225, 116, BStBl II 2009, 900, m.w.N.).

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 361
BB 2011 S. 341 Nr. 6
BBK-Kurznachricht Nr. 6/2011 S. 248
BFH/NV 2011 S. 475 Nr. 3
BFH/PR 2011 S. 123 Nr. 4
BStBl II 2011 S. 361 Nr. 6
DB 2011 S. 279 Nr. 5
DStR 2011 S. 207 Nr. 5
DStRE 2011 S. 254 Nr. 4
DStZ 2011 S. 140 Nr. 5
EStB 2011 S. 93 Nr. 3
FR 2011 S. 431 Nr. 9
GStB 2011 S. 18 Nr. 5
HFR 2011 S. 275 Nr. 3
NJW 2011 S. 1471 Nr. 20
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2011 S. 419
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2011 S. 496
StB 2011 S. 58 Nr. 3
StBW 2011 S. 146 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2011 S. 151
NAAAD-60645