Steuerstundung der nichtabzugsfähigen Vorsteuer durch Leasing statt Kauf nicht rechtsmissbräuchlich
Leitsatz
1. Der Steuervorteil, der sich daraus ergibt, dass ein Unternehmen in Bezug auf Wirtschaftsgüter wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf Leasingumsätze zurückgreift, anstatt diese Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben, stellt keinen Steuervorteil dar, dessen Gewährung dem mit den einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts verfolgten Ziel zuwiderliefe, sofern die diese Umsätze betreffenden Vertragsbedingungen, insbesondere diejenigen betreffend die Festsetzung der Miethöhe, normalen Marktbedingungen entsprechen und die Beteiligung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen nicht geeignet ist, ein Hindernis für die Anwendung dieser Bestimmungen zu bilden, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Der Umstand, dass dieses Unternehmen im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigt, ist insoweit ohne Belang.
2. Stellen bestimmte, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze betreffende Vertragsbedingungen und/oder die Mitwirkung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen eine missbräuchliche Praxis dar, sind diese Umsätze in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die Vertragsbedingungen mit Missbrauchscharakter und/oder die Mitwirkung dieser Gesellschaft bestanden hätte.
Instanzenzug:
Gründe
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs "missbräuchliche Praxis" im Sinne der Urteile vom , Halifax u. a. (C-255/02, Slg. 2006, I-1609), vom , Part Service (C-425/06, Slg. 2008, I-897), und vom , Ampliscientifica und Amplifin (C-162/07, Slg. 2008, I-4019).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) und der Weald Leasing Ltd (im Folgenden: Weald Leasing) über die Mehrwertsteuer, die diese Gesellschaft aufgrund bestimmter von ihr getätigter Leasingumsätze zu entrichten hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom (ABl. L 102, S. 18) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) bestimmt:
"Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt".
Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie in der Fassung aufgrund von deren Art. 28f sieht vor:
"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden".
Art. 27 der Sechsten Richtlinie lautet:
"(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.
(2) Der Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, befasst die Kommission damit und übermittelt ihr alle zur Beurteilung zweckdienlichen Angaben.
(3) Die Kommission macht den anderen Mitgliedstaaten hiervon innerhalb eines Monats Mitteilung.
(4) Der Beschluss des Rates gilt als gefasst, wenn innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung nach Absatz 3 weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat beantragt hat, die Angelegenheit im Rat zu erörtern.
(5) Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1977 Sondermaßnahmen von der Art der in Absatz 1 genannten angewandt haben, können sie aufrechterhalten, sofern sie diese der Kommission vor dem mitteilen und unter der Bedingung, dass diese Sondermaßnahmen - sofern es sich um Maßnahmen zur Erleichterung der Steuererhebung handelt - dem in Absatz 1 festgelegten Kriterium entsprechen."
Nationales Recht
Ziff. 1 des Schedule 6 des Value Added Tax Act 1994 (Mehrwertsteuergesetz, im Folgenden: VAT Act 1994) sieht vor:
"1(1) Wenn
a) der Wert einer Lieferung oder Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt bewirkt, (ohne das Eingreifen der vorliegenden Bestimmung) niedriger als der Normalwert der Lieferung oder Leistung ist und
b) der Lieferer oder Dienstleistende und der Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger miteinander verbundene Personen sind und
c) soweit es sich bei dem Umsatz um einen steuerbaren Umsatz handelt, der Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger nicht gemäß den Sections 25 und 26 zur Anrechnung der gesamten Mehrwertsteuer auf die Lieferung oder Dienstleistung berechtigt ist,
können die Commissioners verfügen, dass als Wert der Lieferung oder Dienstleistung ihr Normalwert anzusetzen ist."
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Die Churchill Group of Companies (im Folgenden: Churchill-Gruppe) erbringt vorwiegend von der Mehrwertsteuer befreite Versicherungsdienstleistungen.
Die Churchill Management Ltd (im Folgenden: CML) und deren Tochtergesellschaften Churchill Accident Repair Centre (im Folgenden: CARC) und Weald Leasing gehören zur Churchill-Gruppe.
Die Vorsteuerabzugsquote von CML und CARC beträgt ungefähr 1 %, so dass sie beim Erwerb von Ausrüstung lediglich 1 % der dabei entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen können.
Die geschäftliche Tätigkeit von Weald Leasing besteht im Erwerb der betreffenden Ausrüstung und deren anschließendem Verleasen.
Die Suas Ltd (im Folgenden: Suas) ist eine im Eigentum des Mehrwertsteuerberaters der Churchill-Gruppe und dessen Ehefrau stehende Gesellschaft, gehört aber nicht zu dieser Gruppe. Als einzige geschäftliche Tätigkeit von Bedeutung least Suas Wirtschaftsgüter von Weald Leasing und verleast diese wiederum an CML und CARC.
Wann immer CML oder CARC neue Ausrüstung benötigte, kaufte Weald Leasing diese ein und verleaste sie sodann an Suas, die sie ihrerseits wiederum an CML oder CARC verleaste.
Durch diese Umsatzstaffelung brauchten CML und CARC die benötigte Ausrüstung nicht unmittelbar zu erwerben und auch nicht den Gesamtbetrag der nicht abziehbaren Mehrwertsteuer auf diese Käufe in einem Zug zu entrichten.
Die Umsätze bezweckten, die Entrichtung dieses Betrags der Höhe nach aufzuteilen und zeitlich zu staffeln, um die Steuerschuld der Churchill-Gruppe aufzuschieben.
CML und CARC schuldeten nämlich unmittelbar die nicht abziehbare Mehrwertsteuer nicht auf die Gesamtanschaffungskosten der Ausrüstung, sondern auf die Mietbeträge für die Ausrüstung, die sich auf die Laufzeit der Leasingverträge erstreckten.
Die Commissioners erließen Steuerbescheide, in denen sie den Antrag von Weald Leasing auf Abzug der Mehrwertsteuer, die sie auf die zwischen Oktober 2000 und Oktober 2004 verleasten Wirtschaftsgüter entrichtet hatte, mit der Begründung nicht anerkannten, dass es sich bei den fraglichen Umsätzen nicht um eine wirtschaftliche Tätigkeit gehandelt habe und dass die Umsätze einen Rechtsmissbrauch darstellten.
Weald Leasing legte gegen diese Steuerbescheide Rechtsbehelf ein und trug vor, dass die Umsätze nicht ausschließlich einen Steuervorteil bezweckten und dass die Sechste Richtlinie der Lieferung von Ausrüstung im Wege des Leasings nicht entgegenstehe.
Nach Erlass des Urteils Halifax u. a. gaben die Commissioners ihr Argument, dass es sich bei den fraglichen Umsätzen nicht um eine wirtschaftliche Tätigkeit handele, auf und machten nur noch geltend, die Umsätze stellten eine missbräuchliche Praxis dar.
Mit Urteil vom entschied das VAT and Duties Tribunal, dass diese Umsätze im Wesentlichen einen Steuervorteil bezweckten, der darin bestehe, die Mehrwertsteuerschuld der Churchill-Gruppe durch den Abschluss von Leasingverträgen aufzuschieben, dass dieser Vorteil jedoch nicht gegen die einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie verstoße.
Dieses Gericht befand darüber hinaus, ein eventueller Missbrauch könne sich aus der Höhe der nach Maßgabe dieser Verträge zu entrichtenden Mietbeträge und aufgrund der Vorkehrungen zur Vermeidung einer Verfügung der Commissioners nach Schedule 6 des VAT Act 1994, nicht aber aus den Leasingverträgen als solchen ergeben.
Die Commissioners legten gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, ein, mit dem sie geltend machten, dass der von der Churchill-Gruppe erlangte Steuervorteil den mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Zielen zuwiderlaufe.
Mit Urteil vom wies der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, das von den Commissioners gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel mit der Begründung zurück, dass allein aus der Tatsache, dass die fraglichen Umsätze nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte getätigt worden seien, noch nicht folge, dass es sich um eine missbräuchliche Praxis handele, da der von der Churchill-Gruppe durch die Anwendung dieser Umsätze erlangte Steuervorteil weder gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität noch gegen andere Bestimmungen der Sechsten Richtlinie verstoße.
Die Commissioners legten gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht mit der Begründung ein, der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, habe nicht die Frage geprüft, ob die in Rede stehenden Leasingabsprachen zur normalen Geschäftstätigkeit der Beteiligten gehörten. Es laufe dem Zweck der Sechsten Richtlinie zuwider, wenn einem von der Mehrwertsteuer befreiten Unternehmen ein Vorsteuerabzug aufgrund von Umsätzen ohne echten Geschäftsgegenstand gestattet werde, die nicht zu Marktbedingungen vorgenommen worden seien, nicht die üblicherweise mit solchen Absprachen verbundenen Belastungen und Risiken aufwiesen und nicht im Rahmen der normalen Handelsgeschäfte der Beteiligten getätigt worden seien.
Vor diesem Hintergrund hat der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Wenn unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles ein von der Mehrwertsteuer größtenteils befreites Unternehmen eine Leasingvertragsgestaltung für Wirtschaftsgüter unter Einschaltung eines Dritten wählt, anstatt die Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben, führt dann diese Leasingvertragsgestaltung für Wirtschaftsgüter ganz oder teilweise zu einem Steuervorteil, der im Sinne des Urteils Halifax u. a. dem mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziel zuwiderläuft?
2. Stellt es unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Sechste Richtlinie das Vermieten von Wirtschaftsgütern durch von der Mehrwertsteuer ganz oder teilweise befreite Unternehmen vorsieht, unter Berücksichtigung der Bezugnahme des Gerichtshofs auf "normale Handelsgeschäfte" im Urteil Halifax, Randnr. 69, und im Urteil Ampliscientifica und Amplifin, Randnr. 27, sowie auf "normale Geschäftstätigkeit" im Urteil Halifax, Randnr. 80, und unter Berücksichtigung des Fehlens einer solchen Bezugnahme im Urteil Part Service eine missbräuchliche Praxis dar, wenn ein von der Mehrwertsteuer ganz oder teilweise befreites Unternehmen so vorgeht, obwohl es im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigt?
3. Falls Frage 2 zu bejahen ist:
a) Welche Relevanz hat der Begriff "normale Handelsgeschäfte" für die Randnrn. 74 und 75 des Urteils Halifax? Ist der Begriff für Randnr. 74 oder für Randnr. 75 oder für beide Randnummern relevant?
b) Sind unter "normalen Handelsgeschäften" zu verstehen:
- Geschäfte, die der betreffende Steuerpflichtige typischerweise tätigt;
- Geschäfte, die zwei oder mehr Beteiligte zu Marktbedingungen tätigen;
- Geschäfte, die wirtschaftlich vertretbar sind;
- Geschäfte, bei denen wirtschaftliche Belastungen und Risiken entstehen, die typischerweise mit den entsprechenden wirtschaftlichen Vorteilen verbunden sind;
- Geschäfte, die insofern nicht künstlich sind, als sie wirtschaftlichen Wert haben, oder
- irgendeine andere Art oder Kategorie von Geschäften?
4. Wenn festgestellt wird, dass die Leasingvertragsgestaltung für Wirtschaftsgüter ganz oder teilweise eine missbräuchliche Praxis darstellt, wie ist diese Vertragsgestaltung dann angemessen neu zu definieren? Sollen das nationale Gericht oder die Steuererhebungsbehörde insbesondere
a) die Existenz des zwischengeschalteten Dritten ignorieren und verfügen, dass Mehrwertsteuer auf den Normalwert der Leasingleistungen zu entrichten ist;
b) die Leasingvertragsgestaltung als unmittelbaren Kauf neu definieren oder
c) die Umsätze in irgendeiner anderen Weise neu definieren, die entweder das Gericht oder die Steuererhebungsbehörde für angemessen hält, um auf die Lage abzustellen, die ohne die die missbräuchliche Praxis darstellenden Umsätze bestanden hätte?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage
Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass ein Unternehmen in Bezug auf Wirtschaftsgüter wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf Leasingumsätze zurückgreift, an denen eine zwischengeschaltete dritte Gesellschaft beteiligt ist, anstatt diese Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben, dazu führt, dass ein Steuervorteil erlangt wird, dessen Gewährung dem mit den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziel zuwiderläuft, und ob, soweit dieses Unternehmen im Rahmen seiner normalen Handelstätigkeit keine Leasingumsätze tätigt, die Anwendung solcher Umsätze eine missbräuchliche Praxis darstellt.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit gehen kann, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden, d. h. solche Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen, und dass dieses grundsätzliche Verbot missbräuchlicher Praktiken auch auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer gilt (vgl. Urteile Halifax u. a., Randnrn. 69 und 70, sowie Ampliscientifica und Amplifin, Randnr. 27).
Für einen Unternehmer kann die Wahl zwischen steuerfreien Umsätzen und besteuerten Umsätzen auf einer Reihe von Gesichtspunkten, insbesondere auf steuerlichen Überlegungen im Zusammenhang mit dem objektiven Mehrwertsteuersystem, beruhen. Hat der Steuerpflichtige die Wahl zwischen zwei Umsätzen, schreibt ihm die Sechste Richtlinie nicht vor, den Umsatz zu wählen, der die höhere Mehrwertsteuerzahlung nach sich zieht. Der Steuerpflichtige hat vielmehr das Recht, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält (vgl. Urteile Halifax u. a., Randnr. 73, und Part Service, Randnr. 47).
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis das Zusammentreffen zweier Bedingungen voraussetzt.
Zum einen müssen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe (vgl. Urteile Halifax u. a., Randnr. 74, und Part Service, Randnr. 42).
Zum anderen muss auch aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird. Das Missbrauchsverbot ist nämlich nicht relevant, wenn die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung von Steuervorteilen (vgl. Urteile Halifax u. a., Randnr. 75, und Part Service, Randnr. 42).
In Bezug auf das Ausgangsverfahren geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass mit den dort in Rede stehenden Leasingumsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird, nämlich die Entrichtung der auf die fraglichen Erwerbe entfallenden Mehrwertsteuer zu staffeln und so die Steuerschuld der Churchill-Gruppe aufzuschieben.
Um auf eine missbräuchliche Praxis zu schließen, ist jedoch darüber hinaus erforderlich, dass dieser Steuervorteil trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe.
Hierzu ist festzustellen, dass die Leasingumsätze in den Anwendungsbereich des Sechsten Richtlinie fallen und dass der Steuervorteil, der sich aus dem Rückgriff auf solche Umsätze eventuell ergeben kann, nicht schon an sich einen Steuervorteil darstellt, dessen Gewährung dem mit den einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts verfolgten Ziel zuwiderliefe.
Es ist nämlich nicht zu beanstanden, dass sich ein Steuerpflichtiger für einen Leasingumsatz entscheidet, der ihm einen Steuervorteil verschafft, der, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, in einer gestaffelten Entrichtung seiner Steuerschuld besteht, anstatt für einen Erwerbsumsatz, der ihm nicht zu einem solchen Steuervorteil verhilft, sofern die auf diesen Leasingumsatz entfallende Mehrwertsteuer ordnungsgemäß und in vollem Umfang entrichtet wird.
Es wird aber nicht bestritten, dass dies bei der Mehrwertsteuer, die auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze entfällt, der Fall ist und dass die betroffenen Gesellschaften für jeden dieser Umsätze den korrekten zum Abzug berechtigenden Mehrwertsteuerbetrag entrichtet und, wenn sie konnten, den korrekten Vorsteuerbetrag in Abzug gebracht haben.
Wenn nämlich Weald Leasing die auf die von ihr erworbenen Gegenstände entfallende Mehrwertsteuer abziehen konnte, dann deshalb, weil diese Gesellschaft keine Versicherungstätigkeiten, sondern Leasingtätigkeiten ausübt, die der Mehrwertsteuer unterliegen und nicht befreit sind.
Auch brachten CML und CARC die auf die an Suas gezahlten Mieten entfallende Mehrwertsteuer nicht in Abzug, da diese in Höhe von 99 % ihres Betrags nicht abgezogen werden durfte.
Außerdem führt der Rückgriff auf einen Leasingumsatz in Bezug auf einen Gegenstand nicht an sich dazu, dass der auf diesen Umsatz entfallende Mehrwertsteuerbetrag geringer wäre als der, der im Fall des Erwerbs dieses Gegenstands entrichtet worden wäre.
Daher wird das vorlegende Gericht zum einen prüfen müssen, ob die Vertragsbedingungen für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze gegen die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des nationalen Rechts zu deren Umsetzung verstoßen. Dies wäre insbesondere in Bezug auf die Festsetzung der Miethöhe der Fall, wenn sich erweisen sollte, dass diese außergewöhnlich niedrig ist und nicht der wirtschaftlichen Realität entspricht.
Zum anderen wird dieses Gericht auch feststellen müssen, ob die Beteiligung einer bei diesen Umsätzen zwischengeschalteten dritten Gesellschaft, hier von Suas, ein Hindernis für die Anwendung dieser Bestimmungen bilden kann.
Das vorlegende Gericht wird insoweit insbesondere zu überprüfen haben, ob, wie aus einigen Unterlagen der Akte hervorgeht und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, die Beteiligung von Suas an diesen Umsätzen die Commissioners gehindert hat, in Bezug auf diese Umsätze Ziff. 1 des Schedule 6 des VAT Act 1994 anzuwenden.
In diesem Zusammenhang kann dem Vorbringen von Weald Leasing, der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken finde auf den Verstoß gegen diese Bestimmung deshalb keine Anwendung, weil diese einzig und allein dem nationalen Recht zuzurechnen sei, nicht gefolgt werden, da diese Bestimmung auf der Grundlage von Art. 27 der Sechsten Richtlinie erlassen wurde und Bestandteil des nationalen Rechts zur Umsetzung dieser Richtlinie ist.
Im Übrigen hat der Umstand, dass ein Unternehmen, das auf Leasingumsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zurückgreift, im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigt, auf die vorstehenden Erwägungen keinen Einfluss.
Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis ergibt sich nämlich nicht aus der Art der Handelsgeschäfte, die der Urheber der betreffenden Umsätze normalerweise tätigt, sondern aus dem Gegenstand, der Zweckbestimmung und den Wirkungen dieser Umsätze.
Demnach ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass der Steuervorteil, der sich daraus ergibt, dass ein Unternehmen in Bezug auf Wirtschaftsgüter wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf Leasingumsätze zurückgreift, anstatt diese Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben, keinen Steuervorteil darstellt, dessen Gewährung dem mit den einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts verfolgten Ziel zuwiderliefe, sofern die diese Umsätze betreffenden Vertragsbedingungen, insbesondere diejenigen betreffend die Festsetzung der Miethöhe, normalen Marktbedingungen entsprechen und die Beteiligung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen nicht geeignet ist, ein Hindernis für die Anwendung dieser Bestimmungen zu bilden, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Der Umstand, dass dieses Unternehmen im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigt, ist insoweit ohne Belang.
Zur dritten Frage
Angesichts der Antwort auf die ersten beiden Fragen ist die dritte Frage nicht zu beantworten.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze neu zu definieren sind, wenn sie ganz oder teilweise eine missbräuchliche Praxis darstellen.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn das Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis festgestellt worden ist, die Umsätze im Rahmen dieser Praxis in der Weise neu zu definieren sind, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die diese missbräuchliche Praxis darstellenden Umsätze bestanden hätte (vgl. Urteil Halifax u. a., Randnrn. 94 und 98).
Das vorlegende Gericht hat also erstens zu bestimmen, ob auf der Grundlage der mit der Antwort auf die ersten beiden Fragen gegebenen Hinweise bestimmte Gesichtspunkte der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze eine missbräuchliche Praxis darstellen.
Wäre dies der Fall, müsste dieses Gericht zweitens diese Umsätze in der Weise neu definieren, dass es auf die Lage abstellt, die ohne die diese missbräuchliche Praxis darstellenden Umsätze bestanden hätte.
Somit hätte das vorlegende Gericht, sollte es zu dem Schluss gelangen, dass bestimmte, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze betreffende Vertragsbedingungen und/oder die Mitwirkung von Suas an diesen Umsätzen eine missbräuchliche Praxis darstellen, diese Umsätze neu zu definieren, ohne die Existenz von Suas zu berücksichtigen, und/oder dadurch, dass es diese Vertragsbedingungen änderte oder ungewendet ließe.
In diesem Zusammenhang darf die von diesem Gericht vorgenommene Neudefinition nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne Urteil Halifax u. a., Randnr. 92).
Demnach ist auf die vierte Frage zu antworten, dass dann, wenn bestimmte, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze betreffende Vertragsbedingungen und/oder die Mitwirkung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen eine missbräuchliche Praxis darstellen, diese Umsätze in der Weise neu zu definieren sind, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die Vertragsbedingungen mit Missbrauchscharakter und/oder die Mitwirkung dieser Gesellschaft bestanden hätte.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Der Steuervorteil, der sich daraus ergibt, dass ein Unternehmen in Bezug auf Wirtschaftsgüter wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf Leasingumsätze zurückgreift, anstatt diese Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben, stellt keinen Steuervorteil dar, dessen Gewährung dem mit den einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts verfolgten Ziel zuwiderliefe, sofern die diese Umsätze betreffenden Vertragsbedingungen, insbesondere diejenigen betreffend die Festsetzung der Miethöhe, normalen Marktbedingungen entsprechen und die Beteiligung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen nicht geeignet ist, ein Hindernis für die Anwendung dieser Bestimmungen zu bilden, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Der Umstand, dass dieses Unternehmen im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigt, ist insoweit ohne Belang.
2. Stellen bestimmte, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze betreffende Vertragsbedingungen und/oder die Mitwirkung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen eine missbräuchliche Praxis dar, sind diese Umsätze in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die Vertragsbedingungen mit Missbrauchscharakter und/oder die Mitwirkung dieser Gesellschaft bestanden hätte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KÖSDI 2011 S. 17304 Nr. 2
BAAAD-59830